02. Mai 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die europäische Asylpolitik, die jüngsten Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters und der Start des 49-Euro-Tickets sind die Themen.

Ein Bus fährt am Hauptbahnhof in Essen vorbei.
Seit dem 1. Mai gilt das Deutschlandticket. (picture alliance / dpa / Fabian Strauch)
Zum Deutschlandticket, das es seit gestern gibt, schreibt die HEILBRONNER STIMME: "Damit fahren Kunden günstig Bus und Bahn in ganz Deutschland. Jetzt wird es spannend sein zu beobachten, ob wirklich viele die Gelegenheit nutzen, vom Auto umzusteigen. Das im Hauruckverfahren eingeführte 9-Euro-Ticket gab da wenig Anlass zu Optimismus. Mit dem 49-Euro-Ticket sind die Voraussetzungen ganz andere. Das Angebot ist dauerhaft angelegt. Immer mehr Arbeitgeber entdecken das Jobticket als einen Mosaikstein, um attraktiv zu sein", unterstreicht die HEILBRONNER STIMME.
Für ZEIT ONLINE ist das Deutschlandticket ein guter Anfang, um Bus und Bahn attraktiver zu machen, aber - Zitat: "Der größte Makel: Es gibt keine bundesweit einheitliche Ermäßigung für Familien und Menschen mit wenig Geld. Das nächste Problem: Die Deutsche Bahn erschwert es, das 49-Euro-Ticket mit dem Fernverkehr zu kombinieren. Grundsätzlich unattraktiv ist es zudem, wenn man öfter ein Fahrrad oder einen größeren Hund mit auf Reisen mitnimmt. Bislang gibt es dafür keine deutschlandweit gültigen dauerhaften Zusatzfahrkarten."
"Gut gemeint ist das Gegenteil von gut", lautet das Fazit der Magdeburger VOLKSSTIMME: "Ein politisches Prestige-Projekt, das von der Ampel mit Macht durchgedrückt wurde. Der Streit ums Geld zwischen Bund, Ländern und Verkehrsunternehmen schwelt jedoch im Hintergrund weiter. Ziemlich sicher wird der Preis nicht bei 49 Euro bleiben, sondern höher. Unkomfortable Details für die Benutzer: Die Mitnahme von Begleitpersonen oder Fahrrädern kostet extra, ist je nach Verkehrsunternehmen unterschiedlich geregelt. Eine gute Idee wurde zum politischen und handwerklichen Ärgernis. Diese Praxis zeigt, wie man es nicht macht", findet die VOLKSSTIMME.
Aus Sicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU ist es das Ticket wert, ihm eine Chance zu geben: "Ja, das Ticket ist für Geringverdiener zu teuer, Sozial- und Jobtickets können hier Abhilfe schaffen. Am Wichtigsten sind die Regionen dazwischen: die suburbanen Räume, die oft mit S-Bahn und Regionalzügen angebunden sind. Um dieses Potenzial zu heben, braucht es bessere Verbindungen, mehr Shuttlebusse zu den Bahnhöfen – und auch Verständnis bei Arbeitgebern für flexibleres und mobiles Arbeiten. Dann kann aus dem Deutschlandticket mehr werden als nur ein Sommer der Verkehrsrevolution", überlegt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Für die große Wende reicht das nicht" titelt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG und führt aus: "Gelegenheitsnutzer wird es kaum überzeugen und schon gar nicht diejenigen, die alles mit dem Auto erledigen. Einerseits liegt das am hohen Preis. Andererseits am teils schlechten Nahverkehr. Das Deutschlandticket nützt nichts, wenn vor allem auf dem Land kaum Busse und Bahnen fahren. Und dadurch fällt auch der Klimanutzen geringer aus. Dabei ist es für den Klimaschutz enorm wichtig, dass in Zukunft nicht nur mehr E-Autos auf den Straßen rollen, sondern auch deutlich mehr Menschen auf den Nahverkehr umsteigen. Das schafft die Politik nur, indem sie das Angebot massiv ausweitet. Und zwar zügig", verlangt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die Ampelkoalition will nach Angaben von Bundesinnenministerin Faeser, dass die Asylverfahren künftig bereits an den Außengrenzen stattfinden. Dazu ist in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu lesen: "Es wäre ein Durchbruch nach vielen Jahren fruchtloser Debatte und einbemerkenswerter Kurswechsel der Grünen, die solche Einrichtungen am RandeEuropas immer kritisiert haben. Bald wird sich zeigen, ob Faesers Optimismusseine Ursache vor allem im Wahlkampf und in ihrer Spitzenkandidatur in Hessenhat oder ob es tatsächlich eine Einigung geben wird. Vor allem die Grünen geben damit dem Druck aus Städten und Gemeinden nach, die immer lauter unter ihren Pflichten zur Unterbringung von Geflüchteten ächzen", hebt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hervor.
Die BADISCHE ZEITUNG bemerkt: "Offiziell sieht das EU-Asylsystem heute schon vor, dass der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, über den ein Antragsteller eingereist ist. Doch die Staaten an den EU-Außengrenzen, etwa Italien und Griechenland, beschweren sich nachvollziehbar, dass das System ungerecht ist. Derzeit lassen sie die meisten Flüchtlinge und Migranten unregistriert weiterziehen. Wenn sich die Ampel-Koalition nun geeinigt hat, dass aussichtslose Asylverfahren an den EU-Grenzen konzentriert werden sollen, hilft das bei einer Einigung mit den betroffenen Staaten nicht, im Gegenteil. Es handelt sich nur um ein Ablenkungsmanöver, das auf billigen innenpolitischen Beifall zielt. Die Kommunen aber brauchen verlässliche Zusagen über Bundeshilfen für Unterbringung und Betreuung der Neuankömmlinge", betont die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
Nach Meinung der Zeitung ND.DER TAG könnte der Vorschlag, die Asylverfahren an die EU-Außengrenzen zu verlagern, nun zwar ein gemeinsamer Nenner in der Europäischen Union sein: "Für eine EU, die die Humanität als Wert vertritt, müsste derHandlungsdruck aber ein anderer sein: Nämlich, dass es an den Außengrenzenimmer wieder Gewalt von Grenzschützern gibt, dass die Asylverfahrenoft unfair sind und dass noch immer Menschen bei dem Versuchsterben, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Das sindmenschenunwürdige Zustände, die dringend abgestellt werden müssen", mahnt die Zeitung ND.DER TAG aus Berlin.
Dass der Tübinger Oberbürgermeister bei den Grünen ausgetreten ist, ist Thema in der RHEINPFALZ aus Ludwigshafen: "Boris Palmer und die Grünen – das war einmal. Das Tischtuch zwischen ihnen ist nun, nach dem Eklat in Frankfurt, endgültig zerschnitten. Die Beziehung endete tragisch. Dabei begann sie hoffnungsvoll. Palmer war eine Zeit lang so etwas wie ein Grünen-Star. Zumindest in Baden-Württemberg."
Zu den jüngsten Äußerungen Palmers bei einer Konferenz zum Thema Migration, die zu dem Eklat führten, heißt es in der ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz: "Inzwischen sollte das breite Bewusstsein vorhanden sein, dass das N-Wort für Menschen mit Rassismus und Gewalterfahrungen verbunden ist. Es wie Palmer wieder und wieder seinen Zuhörern trotzig entgegenzuspeien, zeigt, dass er nichts gelernt hat aus seinen bisherigen Konfrontationen. Noch schlimmer und unsäglich ist sein 'Judenstern'-Vergleich."
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ist von Palmers Absturz die Rede: "Der kalkulierte Tabubruch ist ein notwendiges Mittel zur Belebung öffentlicher Debatten. Werden solche Vorstöße zum richtigen Zeitpunkt und stilsicher getätigt, nutzt es der Demokratie und dem zuvor unterbelichteten Problem. Der Eklat, den Palmer vor der Frankfurter Goethe-Universität provozierte, entbehrt aber jeglicher politischen Rationalität: Ein Berufspolitiker, der sich selbst im Rang eines Ministers sieht, darf sich von einer Gruppe linker Studenten niemals so provozieren lassen. Freihändige Nazi-Analogien waren im politischen Meinungsstreit in Deutschland noch nie hilfreich. Selbstredend ist es grotesk, wenn Palmer sich mit Holocaust-Opfern vergleicht, nur weil ihn seine Kritiker als Rassisten abstempeln. In der öffentlichen Diskussion über eine moderne Migrationspolitik mag es viele blinde Flecken geben. Palmer entzieht mit seinem Verhalten jedoch einer ernsthaften Debatte den Boden", kritisiert die F.A.Z.
Die SÜDWEST PRESSE sieht die Schuld nicht allein bei Palmer: "Wer sich das Video des Vorfalls auf Twitter anschaut, ist angewidert davon, wie ein Politiker als Nazi niedergebrüllt wird, nur weil er darüber diskutieren will, ob die Nennung des 'N-Wortes' in der Jugendliteratur noch zu vertreten sei. Doch statt Argumenten holen auch seine Gegner nur die verbale Keule raus. Deren Nazirufe sind ebenso geschichtsvergessen wie Palmers Judenstern-Vergleich. Eine kleine Auszeit würde allen guttun", rät die SÜDWEST PRESSE aus Ulm mit der die Presseschau endet.