04. Mai 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zur Absage Markus Söders an eine Kanzlerkandidatur und zum Petersberger Klimadialog. Zunächst aber geht es um die Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen das von Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), in der Bundespressekonferenz
Das von Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium steht in der Kritik - das ist ein Thema in den Kommentarspalten. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint mit Blick auf Habecks Staatssekretär, der seinem Trauzeugen zu einem lukrativen Posten verholfen haben soll: "Ohne Not hat Graichen sich nicht der Stimme enthalten, als eine Findungskommission seinen Trauzeugen für einen staatlichen Chefposten empfahl. Dieser Vorgang nährt alle Zweifel, auch an der Glaubwürdigkeit grüner Umbaupolitik. Sie gibt all jenen Munition, die seit Wochen auf das Gesetz zielen, damit aber Habeck und die Grünen treffen wollen. Das hatte schon Züge einer Kampagne, ehe die Causa Graichen bekannt wurde. Nun aber geht sie an die Substanz", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG schreibt von einem "enormen Vertrauensverlust": "Es entsteht der Eindruck, dass man sich selbst Posten und Aufträge zuschiebt, während man in Leben und Eigentumsrechte der Bürger eingreift. In einer aufgeheizten Gemengelage wie der aktuellen den Anschein zu erwecken, Personal nach persönlicher Nähe einzustellen, ist fatal. Politiker sind bereits wegen weniger zurückgetreten. Umso deplatzierter wirken die Ablenkungsmanöver mancher Grüner. Keine Frage: Graichens Energiepolitik lässt sich nicht unbedingt als pragmatisch beschreiben. Die Vorwürfe jedoch als 'Kampagne' abzustempeln, führt in die Irre. Dafür liegt das Fehlverhalten viel zu offen zutage", stellt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG fest.
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg betont: "Menschlich ist es verständlich, dass auch Politiker eine möglichst angenehme Atmosphäre an ihrem Arbeitsplatz schätzen. Leute, die sie schon lange kennen, mit denen sie Projekte durchgefochten haben und die so ähnlich denken wie sie selbst. Aber wer als Minister in einer solchen Machtposition ist, sollte darauf achten, dass Fachkompetenz an erster Stelle steht und eben nicht die persönliche Beziehung. Mit seiner Amtsführung hat Hausherr Robert Habeck vor allem sich selbst beschädigt", bemängelt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST bemerkt: "Das Ministerium hatte mit Amtsantritt erkannt, dass Graichens familiäre Verbindungen heikel sind. Ein Bruder und eine Schwester arbeiten beim Öko-Institut. Die Einrichtung erhält Aufträge vom Bund. Graichens Schwester ist zudem mit Michael Kellner verheiratet - ebenfalls Staatssekretär von Robert Habeck und somit Mitglied der Führungsetage im Bundeswirtschaftsministerium. Umso unverständlicher ist, dass Graichen dennoch an dem Prozess zur Auswahl des neuen Geschäftsführers der Deutschen Energie-Agentur beteiligt war, obwohl sein Trauzeuge zum Kandidatenkreis zählte. Richtig unappetitlich wurde es dadurch, dass sich am Ende ausgerechnet der Trauzeuge des Staatssekretärs über die Berufung auf den Posten freuen konnte. Dass Graichen erst im Nachhinein erkannt haben will, dass er eine Grenze überschritten hat, lässt an seinem Urteilsvermögen zweifeln", folgert die BERLINER MORGENPOST.
DIE TAGESZEITUNG sieht es so: "Graichen hat all jenen, die mit mehr oder weniger lauteren Methoden gegen Habecks Klimapolitik Sturm laufen, ein Einfallstor geliefert. Klar ist: Bei den Vorwürfen gegen Graichen sollte besser nichts mehr nachkommen. Sonst wird es schwer für Habeck, seinen Staatssekretär zu halten. Graichen aber ist für den Minister von zentraler Bedeutung, er ist quasi Kopf und Rückgrat der Klimawende in Habecks Haus. Was auch die Leidenschaft der Angriffe auf Graichen erklären dürfte. Diese zielen nicht auf einen x-beliebigen Staatssekretär. Sie zielen auf Robert Habeck und den Kern grüner Klimapolitik", erklärt die TAZ.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat im ZDF eine Kanzlerkandidatur für die Union bei der Bundestagswahl 2025 ausgeschlossen. Die MEDIENGRUPPE BAYERN, in der die PASSAUER NEUE PRESSE erscheint, urteilt: "Die gegenwärtige Ansage muss niemand für bare Münze nehmen: Mein Platz ist in Bayern. Was soll Söder zwei Jahre vor der Bundestagswahl auch sonst sagen, die Bayernwahl im Herbst fest im Blick, bei der er ein herausragendes Ergebnis braucht, um für Berlin weiter gehandelt zu werden - und überhaupt, um zur Unzeit in der Union keinen weiteren zerstörerischen Streit vom Zaun zu brechen. Dabei ist die Sache eigentlich einfach: Läuft alles normal, wird Friedrich Merz sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Läuft etwas grundschief für den CDU-Chef, und stehen zugleich die Sterne sehr günstig für den Bayern, wird Söder schneller als seine bisherigen Beteuerungen es erlauben, den Finger heben", prognostiziert die MEDIENGRUPPEN BAYERN.
Die HEILBRONNER STIMME befindet: "Glauben wird das dem ebenso wandlungsfähigen wie machtbewussten CSU-Politiker kaum jemand. Zum einen hat man diese Worte von Söder auch vor der Bundestagswahl 2021 gehört - ehe die Umfragen für ihn so gut waren, dass er doch zu einer Kandidatur bereit war. Es folgte eine innerparteiliche Schlammschlacht mit Unionskandidat Armin Laschet und die krachende Niederlage bei der Bundestagswahl im September. Dieser Stachel sitzt tief in der Union - und besonders tief in Markus Söder, der der festen Überzeugung ist, dass das mit ihm als Spitzenkandidat nicht passiert wäre. Es ist also naheliegend, dass der vor Selbstbewusstsein strotzende Franke auf seine Chance wartet, diese Schmach zu tilgen und damit erster CSU-Kanzler der Bundesrepublik zu werden", erwartet die HEILBRONNER STIMME.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert: "Söders innerer Kompass ist beweglich, am Ende muss der Zeiger nur auf ihn zeigen. Insofern ist seine Ankündigung, auf die Kanzlerkandidatur für die Union verzichten zu wollen, nicht viel wert. Sollte Friedrich Merz - warum auch immer - intern bei der Kanzlerkandidatenfrage durchfallen, wird Söder schneller als der ICE von München nach Berlin zur Stelle sein. Denn nur eine Überzeugung wird der Franke niemals los sein: dass er der Beste für den Job ist."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG sieht die Landtagswahl in Bayern als entscheidend an: "Es wird wohl davon abhängen, wie die CSU bei der Bayern-Wahl abschneidet. Christdemokraten haben die Befürchtung, dass bei Söder nach einem sehr guten CSU-Ergebnis wieder der Gedanke reifen könne, er sei doch der bessere Kanzlerkandidat."
Der Petersberger Klimadialog ist Thema in der RHEINISCHEN POST aus Düsseldorf: "Die Lage ist ernst: Gerade bilanzierte die EU 2022 als ein Jahr der traurigen Rekorde: Die Alpengletscher verloren so viel Eis wie nie, der Sommer in Europa war heiß wie nie. Nun regen Außenministerin Annalena Baerbock und Kanzler Olaf Scholz ein globales Ökostromziel an, das die Weltklimakonferenz beschließen soll. Ihr selbstgerechter Auftritt irritiert. Denn an Zielen aller Art mangelt es nicht: Im Pariser Abkommen haben sich die Staaten verpflichtet, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Deutschland will seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent senken. Woran es mangelt, sind Taten. Einen so unglaubwürdigen Gast- und Ratgeber braucht die Welt nicht. Der Petersberger Klimadialog ist zum Phrasen-Dialog verkommen. Das Format braucht keiner, ernsthaften Klimaschutz dagegen jeder – mehr denn je", fordert die RHEINISCHE POST.
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin zweifelt am Erreichen der Ziele: "Schaffen wir das? Es sieht nicht so aus. Staaten sind auch nur Menschen; was wiederum heißt, dass die sich darauf einigen müssten, und zwar wirklich und wahrhaftig, ernst zu machen. Wenn es aber schon die Regierung im eigenen Land nicht schafft, wenn Skepsis und Proteste trotz der Fakten groß bleiben, dann wird es erst recht schwierig, andere zu überzeugen."