
Dazu schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Scholz stellte klar, wo er Europas Platz im Dreiecksverhältnis mit den USA und China sieht. In Abgrenzung zum französischen Präsidenten Macron, der von einer 'strategischen Autonomie' der EU träumt und die Union zur Distanzierung von Washington aufgefordert hatte, nannte Scholz Amerika ausdrücklich 'Europas wichtigsten Verbündeten'. Und natürlich bekannte Scholz sich zu einem geeinten, starken Europa. Die anderen EU-Länder bezweifeln nicht, dass der Kanzler tief drinnen ein guter Europäer ist. Sie verzweifeln aber sehr wohl zuweilen daran, dass die Bundesregierung sich nicht so benimmt. Für mehr Professionalität in der deutschen Europapolitik zu sorgen - das wäre wirklich etwas Neues für Olaf Scholz. Und eine Wohltat für die EU", findet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg hat noch offene Fragen. "Ein 'geopolitisches Europa' will Olaf Scholz. Was er darunter versteht, hat der Kanzler in Straßburg leider nur wolkig umschrieben. Irgendwie einiger, irgendwie handlungsfähiger und durchsetzungsstärker - so wünscht Scholz sich die Europäische Union. Schade, die Zeit wäre reif gewesen für einen europapolitischen Wurf."
Auch die RHEIN-ZEITUNG zeigt sich enttäuscht: "Scholz hat bei seinem Auftritt eine Chance vertan. Warum nicht schonungslos die Fehler analysieren und mit konkreten Initiativen versuchen, die Gemeinschaft auf lange Sicht zu prägen? Dafür braucht es zum einen eine Vision, zum anderen braucht es Führungsstärke. Deutschland soll voranschreiten, nicht zögern. Die Hoffnung nach dem Ende von Merkels europäischer Stillstandsära war groß, dass Berlin nicht mehr als der Bremsklotz in Brüssel wahrgenommen wird. Dafür aber braucht es mehr als uninspirierte und kühle Reden wie jene von Olaf Scholz in Straßburg", kritisiert die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Bei der großen Militärparade in Moskau zum Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland hat Russlands Präsident Putin dem Westen vorgeworfen, einen "Krieg" gegen Russland gestartet zu haben. Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle führt aus. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Putin all die Absurditäten wirklich glaubt. Wahrscheinlicher aber ist, dass sich der russische Präsident in eine mythische Festung zurückgezogen hat, die ihn rhetorisch unangreifbar macht gegen Zweifel."
Auch die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz widerspricht. "Nein, nicht Russland ist das Opfer dieses Krieges. Es sind die Ukrainer, deren Heimat Putin in Schutt und Asche legt. Und seine eigenen Soldaten, die er für seine Großmachtträume verheizt. Und all die Zivilisten, die in seiner Heimat und in vielen anderen Ländern unter den Folgen der westlichen Sanktionen und der Kriegskosten leiden."
Das HANDELSBLATT formuliert es so: "Wenn Moskau heute den Krieg gegen die Ukraine mit dem angeblichen Faschismus rechtfertigt, der dort herrsche, dann haben wir das Bedürfnis, klar zu sagen: Der faschistische Staat heißt in diesen Zeiten Russland. Doch wie leicht rutscht man dabei in eine Relativierung der deutschen Kriegsverbrechen oder gar eine falsche Gleichsetzung zwischen dem Nationalsozialismus und Putins Herrschaft. Mäßigung und gleichzeitig Präzision in der Sprache können hier helfen", rät das HANDELSBLATT.
ND DER TAG, das frühere Neue Deutschland, nennt Putins Äußerung eine "hohle Rechtfertigungsrhetorik", an der aber auch etwas Wahres dran sei. "Am Konflikt in der Ostukraine, der schon seit 2014 auchals Krieg ausgetragen wurde, haben viele ihre Aktie, nicht zuletzt 'der Westen' mit seinen Interessen in der Region. Aber das ist kein Grund, das Nachbarland zu überfallen. Um Russland zu retten, müssen Kiew und Odessa bombardiert werden, weitab der Frontlinie? Wer’s glaubt, wird nicht selig. Beide Seiten rüsten militärisch und propagandistisch auf, setzen einander mit dem Hitler-Faschismus gleich. Was gerade im Umfeld des 8. Mai ein fataler Missbrauch der Geschichte ist. Inzwischen ist auch nicht mehr auszuschließen, dass der Krieg auf Russland zurückschlägt.Wann sprach zuletzt jemand ernsthaft von einer Verhandlungslösung?", fragt ND DER TAG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU kommentiert das Treffen von Außenministerin Baerbock mit ihrem chinesischen Kollegen Qin in Berlin. "Harsch warnte Chinas Außenminister vor wirtschaftlichen Nachteilen für Deutschland bei einer Abkopplung vom chinesischen Markt. Gegen einen 'neuen Kalten Krieg' müsse Deutschland seine Stimme erheben. Qin nutzt geschickt die Debatte, die Europa gerade beschäftigt: Wie eng sich die EU an die USA ketten sollte, wenn es um deren Auseinandersetzungen mit China geht. Ein Indiz für die künftige Ausrichtung in dieser Frage wird die deutsche China-Strategie darstellen, bei der das Ringen zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt noch nicht ausgefochten ist. China kennt die Schwachpunkte Deutschlands genau. Und es hat den Vorteil, mit einer einzigen Stimme sprechen zu können. Bis zu den Regierungskonsultationen beider Länder im Juni sollte auch Deutschland in gleichem Maße sprechfähig sein", unterstreicht die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG traut der chinesischen Regierung nicht. "Mit einer fast himmlisch wirkenden Botschaft kam der chinesische Außenminister Qin nach Deutschland. Zu Besuch bei seiner Amtskollegin Baerbock beschwor er nichts weniger als eine 'Schicksalsgemeinschaft der Menschheit'. Er beteuerte, sein Land agiere als Wahrer des Weltfriedens und Verteidiger der internationalen Ordnung. Es war eine Charmeoffensive gegenüber Deutschland und der EU. Bundesregierung wie EU sollten ihr mit Vorsicht begegnen", rät die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die Zahl der registrierten politisch motivierten Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr mit fast 59.000 Fälle auf einen Höchstwert gestiegen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG interpretiert die Zahlen wie folgt: "Dass die Zahl der Delikte um mehr als sieben Prozent gestiegen ist, liegt an zwei neuen Akteuren, die eine scharf geführte, aber mit legalen Mitteln ausgetragene Debatte in eine strafrechtlich relevante Kampfzone ausgeweitet haben: Putin und die 'Letzte Generation'. Die Auseinandersetzung über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde auch von deutschen Anhängern des Moskauer Diktators mit dem Zeigen verbotener Symbole und Beleidigungen gegen die Überfallenen geführt. Radikale Klimaaktivisten erfüllten mit Klebe- und Sprühaktionen in Hunderten Fällen den Tatbestand der Nötigung und Sachbeschädigung. Die größte Sorge jedoch formulierte BKA-Chef Münch zu Recht im Blick auf die Gefahr des Rechtsextremismus. Nicht nur die vereitelten Putschpläne einer Reichsbürgertruppe, sondern auch der starke Anstieg rechtsextremer Hassdelikte zeigen 'Radikalisierungstendenzen in Teilen der Bevölkerung'. Rassistische Anfeindungen wie jetzt gegen Berliner Schüler aus Einwandererfamilien in einem Brandenburger Ferienlager gehören dazu", resümiert die F.A.Z.
Die OM-MEDIEN aus Cloppenburg fassen den Blick weiter. "Corona, Ukraine-Krieg, internationale Konflikte: Steckt die Gesellschaft im Krisenmodus, profitieren davon radikale Milieus. Der Hass speist sich aber aus der Mitte der Bevölkerung, ist also stets ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die zunehmende Radikalisierung lässt keine guten Schlüsse auf den Zustand der Demokratie schließen - ganz gleich aus welcher Richtung."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG wertet die jüngsten Zahlen des Bundeskriminalamts als Auftrag an die Regierung. "Die Politik muss wieder lernen, mehr auf die Bürger einzugehen. Wir sollten zurückkehren zu einem sachlichen politischen Dialog über die komplizierten Fragen der Zukunft. Natürlich gibt es aber auch solche Staatsfeinde, die nicht mehr integrierbar oder rückholbar sind. All denen muss klargemacht werden, dass Gewalt kein legitimes Mittel ist."