
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE bewertet die Entscheidung von Minister Habeck, an seinem Staatssekretär Graichen festzuhalten: "Statt kühl einen Schnitt zu setzen, bindet sich Habeck einen Klotz ans Bein. Und jetzt passiert, was häufig passiert bei politischen Affären. In der Aufklärung passieren Pannen, die es noch schlimmer machen. So spricht der Wirtschaftsminister von einem Fehler, der geheilt wird. Fehler, das klingt menschlich und verzeihbar. Jeder macht Fehler. Aber Graichen hat nicht fahrlässig einen Fehler gemacht, sondern wollte seinem Freund und Trauzeugen eine sehr gut bezahlte Stelle verschaffen. Das ist ein schwerer Verstoß gegen den Verhaltenskodex seines Ministeriums", notiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER findet, mit einem Machtwort könne Habeck die Affäre nicht beenden. "Die Opposition wird sich damit nicht zufriedengeben und ihn der Begünstigung von Vetternwirtschaft bezichtigen. Das muss Habeck fortan aushalten, mit entsprechend negativen Folgen für die Glaubwürdigkeit und auch die Beliebtheitswerte. Für den Moment hat Graichen selbst etwas Druck aus dem Kessel genommen – mit einer formvollendeten Entschuldigung und einer wortreichen Erklärung, wieso er sich nicht gleich aus der Findungskommission für den neuen Chef der Deutschen Energie-Agentur zurückzog, als sein Trauzeuge in die engere Wahl kam. Dennoch muss Habeck, wegen seines Heizungsgesetzes ohnehin unter Druck, sich fragen, ob ihm sein Festhalten an Graichen politisch nicht mehr schadet, als der Verbleib im Ministerium ihm nutzt", meint der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz beobachtet: "Die Grünen reagieren gemäß den seit langer Zeit etablierten Gesetzen des politischen Krisenmanagements: Aussitzen, ein bisschen Bedauern, ein kleines Bauernopfer – und ansonsten forsche Gegenattacke auf die Angreifer. Dass die Grünen, dass Minister Habeck selbst tatsächlich glaubt, sich damit über die Runden retten zu können, deutet darauf hin, dass beim Ressortchef und der Partei ein gehöriger Realitätsverlust eingetreten ist. Wasser predigen und Wein trinken – dass dieses Bild hängen bleibt, ist die eigentliche Gefahr für die Partei. Würde sie das erkennen, hätte Staatssekretär Graichen keine politische Zukunft mehr", urteilt die FREIE PRESSE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellt heraus: "Ausgerechnet ein Grünen-Politiker wie Jürgen Trittin, ein Meister der Kampagne, beklagt sich darüber, es handele sich um eine Kampagne. Die Grünen sollten wissen, dass eine Kampagne noch nichts darüber aussagt, ob ihr Zweck berechtigt ist oder nicht. Kampagnen, auch üble, haben sie immerhin dorthin gebracht, wo sie sind, an die Schalthebel der Macht. Habeck und Graichen müssen sich nun den Maßstäben stellen, die ihre Partei gerne an ihre vermeintlich sündhafte Konkurrenz anlegt, die sie aber für sich selbst, weil ohne Fehl und Tadel, nur eingeschränkt gelten lassen möchte. In grün geführten Ministerien, ob in Rheinland-Pfalz oder in Berlin, gilt allzu oft das Prinzip: Grüner Zweck heiligt grüne Mittel", vermerkt die F.A.Z.
Jeder, der einen Fehler mache, habe eigentlich eine zweite Chance verdient, heißt es in der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG: "In diesem Fall ist der politische Schaden allerdings zu groß. Mit dem Namen Graichen ist fortan der Eindruck verbunden, dass im Wirtschaftsministerium eine eingeschworene kleine Clique über die Energie- und Klimapolitik des Landes bestimmt. Auch inhaltlich darf man inzwischen Zweifel an Habecks Personalauswahl haben. Die Erfolge bei der Bewältigung der Energiekrise im vergangenen Jahr, als viele einen Gasmangel-Winter vorhersagten, sind längst vergessen angesichts des gescheiterten Gasumlage-Gesetzes und des Heizungstausch-Gesetzes, das sich zum Fiasko für die gesamte Ampel-Koalition auswächst", argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bewertet das Gerichtsurteil gegen Donald Trump: "Nie zuvor musste die amerikanische Justiz einen früheren Präsidenten wegen sexueller Übergriffe zu Schadenersatz verurteilen. Das Urteil wird in den kommenden Wochen hoffentlich eine Debatte anstoßen über Amerikas Zukunft, politisch, gesellschaftlich und auch kulturell. Denn es geht nicht nur um einen früheren, sondern auch einen möglichen künftigen Präsidenten: Trump genießt im Lager der Republikaner unter allen potenziellen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 aktuell die größte Zustimmung. Die Trump-Fans, vom Wahlkampfmanager in Washington bis zum eifrigen Vorwahl-Wähler und Wählerin irgendwo in der Provinz, müssen sich fragen lassen: Ist das euer Ernst? Soll dieser peinliche Mann, ein schmieriger Typ, der schon als Nachbar ein Alptraum wäre, allen Ernstes noch einmal zur Präsidentschaftswahl antreten?" So weit die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Das HANDELSBLATT schließt weitere juristische Verfahren nicht aus: "Ein Strafverfahren in New York, das juristisch viel mehr Gewicht hat als der Zivilprozess, läuft bereits. Im Herbst könnten zwei Anklagen im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol erhoben werden. Ein einzelnes Urteil ändert wenig, Trumps Dauer-Abwehrkampf mit der Justiz könnte ihm dauerhaft schaden."
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus beobachtet: "Wieder wies Trump sämtliche Schuld von sich. Gleichwohl hat das rechtskräftige Urteil eines unabhängigen Gerichts eine besondere Qualität und lässt sich nicht einfach als politisch motivierte 'Hexenjagd' abqualifizieren. Derzeit ist der ehemalige Präsident noch der Favorit unter den Republikanern – möglich, dass das so bleibt. Doch das Urteil in New York und die juristischen Probleme, die noch auf ihn zukommen werden, könnten Trumps Kandidatur schwer ins Wanken bringen", vermutet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg empfiehlt: "Man sollte nicht darauf wetten, dass die Justiz diesen Demokratieverächter rechtzeitig vor der nächsten Präsidentschaftswahl aus dem Verkehr zieht. Vom Trumpismus, jener radikalen Abkehr von politischer Moral, gemäßigtem Diskurs und demokratischen Werten hin zu einem vulgär-autoritären Populismus mit rassistisch-nationalistischen Untertönen, kann sich die amerikanische Gesellschaft ohnehin nur in einem langen, quälenden Prozess der Selbstreinigung befreien", ist sich die BADISCHE ZEITUNG sicher.
Nun noch Stimmen zur Verhaftung von Pakistans Ex-Regierungschef Khan. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG führt aus: "Dass der Politiker und frühere Cricket-Star von paramilitärischen Truppen abgeführt wurde – angeblich wegen Korruptionsvorwürfen –, markiert einen neuen Tiefpunkt im Konflikt zwischen dem Populisten und den Generälen. Es ist eine für beide Seiten riskante Kraftprobe, von der keiner so recht weiß, wie sie ausgehen wird. Khan mobilisiert die Massen auf den Straßen, das Militär hat die Mittel, Proteste zu ersticken. Der Streit hat enormes Eskalationspotenzial, aber viel wird davon abhängen, ob die Partei des Ex-Premiers tatsächlich Massenproteste auch durchhalten kann, sollte der Staat Khan für längere Zeit in Haft behalten", erwartet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG analysiert die politische Lage in Pakistan: "Der jetzige Premierminister Sharif, ein konservativer Industrieller, hatte wirtschaftliche Gesundung versprochen, scheiterte aber auch und will Neuwahlen möglichst lange hinauszögern. Die sieht Khan als seine Chance und versucht nun, sie mit Gewalt herbeizuführen. Doch der Reformer hat sich längst entzaubert und unterscheidet sich in seinen skrupellosen Methoden und seinem Machthunger längst nicht mehr von seinen politischen Gegnern. Das ist Pakistans Tragik: Die Aussicht auf Besserung ist nicht in Sicht – weder mit noch ohne Khan." Das war zum Ende der Presseschau die Meinung der TAGESZEITUNG.