Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG relativiert den Wahlerfolg der SPD: "Bei Licht betrachtet haben sich die Sozialdemokraten von ihrem historisch schlechtesten Ergebnis an der Weser auf das wohl zweitschlechteste verbessert - und das auch nur dank einer Kombination aus einem relativ zugkräftigen Spitzenkandidaten, einer nicht sonderlich profilierten bürgerlichen Opposition und einer grünen Partei, die vor Ort schon immer so ideologiegetrieben agiert hat, wie sie es mittlerweile auch im Bund tut. Würden die selbstzerstörerischen Tendenzen der Linken auf Bundesebene nicht seit Jahren die Partei lähmen - wer weiß, ob nicht pragmatische und für soziale Fragen offene Linke in Städten wie Bremen die Grünen mit ihrer Klientelpolitik für Wohlhabende und Woke längst überholt hätten", fragt sich die F.A.Z.
Für die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG zeigt der Wahlerfolg der SPD, dass der Bundestrend bei dieser Wahl keine große Rolle spielte: "Vielmehr zeigte sich, dass ein Regierungschef im Land, der nah bei seinen Leuten ist und pragmatisch Politik macht, nicht so leicht aus dem Amt zu jagen ist. Den Wählern sind Persönlichkeiten wichtiger geworden als Parteibücher. Andreas Bovenschulte kann in Bremen komfortabel weiterregieren, während die SPD im Bund unter 20 Prozent verharrt. Dass die 'Bürger in Wut' mehr als zehn Prozent holen, muss all jenen eine Mahnung sein, die davon träumen, mit einem Verbot der AfD das Problem der radikalen Wählerschaft zu lösen", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU richtet den Blick auf den Wahlerfolg der rechtspopulistischen Partei, die nur in Bremen antritt: "Jetzt kann man natürlich sagen, das sei ihr nur gelungen, weil die zerstrittene AfD zu unfähig gewesen war, sich auf eine Liste zur Wahl zu einigen - und deshalb ausgeschlossen blieb. Ja, stimmt. Aber entscheidend ist ein anderer Aspekt: Das rechtspopulistische Wählerpotenzial materialisiert sich mittlerweile regelmäßig bei Landtagswahlen in guten einstelligen und gar zweistelligen Ergebnissen. Die gebetsmühlenhaft vorgetragene Analyse, dies sei einer 'Protestwahl' geschuldet, verfehlt zusehends ihr Ziel. Vielmehr hat sich in fast allen Bundesländern ein Kern verfestigt, der wiederholt rechtspopulistisch oder gar rechtsextremistisch wählt - ob die Partei AfD oder 'Bürger in Wut' heißt, ist letztlich wurscht", glaubt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg kommentiert die Verluste der Grünen, die bisher mit SPD und Linken in Bremen regieren: "Die Partei hat im Moment keinen Lauf. Verkehrswende, Heizwende, überhaupt die Energiewende insgesamt, und all das gleichzeitig: Da fühlen sich viele Wähler überfordert. Auf der anderen Seite drängelt die Kernwählerschaft, der es bei ihrem Herzensthema Klimaschutz längst nicht schnell genug geht. Wenn dann noch ein grüner Staatssekretär den Spitzenposten einer Bundesbehörde mit seinem Trauzeugen besetzt, muss sich niemand wundern, wenn die Prozentwerte in den Keller rauschen", konstatiert die SCHWÄBISHCHE ZEITUNG.
Themenwechsel. Die RHEINISCHE POST betrachtet den Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Deutschland: "Kanzler Olaf Scholz empfing den Mann aus Kiew mit militärischen Ehren im Vorhof des Kanzleramts. Mehr als über den Empfang wird sich der Gast aus der Ukraine über das Paket an Waffen gefreut haben. Deutschland hat nochmal mächtig draufgelegt, auf 2,7 Milliarden Euro wird das jüngste Paket beziffert. Aus dem zögerlichen Partner ist der zweitwichtigste Waffenlieferant geworden. Doch Scholz machte deutlich, dass er derzeit keine Waffen neuer Qualität bereitstellen wolle. Und je länger der Krieg andauert, desto schwieriger wird die Zusicherung, dass Deutschland uneingeschränkt an der Seite des bedrängten Landes bleibt", glaubt die RHEINISCHE POST.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER schreibt dazu: "Scholz' Zurückhaltung bei der Lieferung von modernen Kampfjets dürfte damit zusammenhängen, dass es noch eine Art Garantie von Selenskyj dafür braucht, dass er kein russisches Territorium angreifen wird. Der Gast hat es in Berlin versichert, aber der Mann ist im Krieg, seine Landsleute werden getötet, verschleppt, vertrieben. Kann man da sicher sein, dass er nicht mit selber Münze irgendwann zurückschlägt? Ohne die Sicherheit, dass westliche Kampfflugzeuge zur Verteidigung über ukrainischem Gebiet bleiben, können sich die Verbündeten nicht auf eine Lieferung einlassen", ist der KÖLNER STADT-ANZEIGER überzeugt.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN widmen sich der Verleihung des Karlspreises an den ukrainischen Präsidenten: "Die Ukraine verteidigt Europas Einheit gegen die russische Aggression. Und genau für diese Einheit steht der Aachener Karlspreis, den Selenskyj am Sonntag persönlich in Empfang nehmen konnte. Für sich selbst, aber mehr noch für sein leidgeprüftes Volk. Bravo! Wer sich angesichts der oft blutleeren EU-Wirklichkeit noch ein Gespür für den Kern des europäischen Gedankens bewahrt hat, wird endlich einmal wieder aus vollem Herzen applaudieren können. Alle Kritik an der Preisvergabe läuft ins Leere, etwa Selenskyj verdiene den Preis nicht, weil er Verhandlungen mit Russland ablehne. Wenn ein machtgieriger Despot wie Putin die Existenz der Ukraine als eigenständige Nation negiert, stellt er sich auf die denkbar fundamentalste Weise gegen den europäischen Einheits- und Friedensgedanken. Deshalb sind die Menschen in der Ukraine derzeit zweifellos die besten Europäer", finden die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
Ähnlich sieht es DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen: "Vor dem russischen Angriff war die Ukraine eines der korruptesten Länder Europas, Selenskyj alles andere als ein lupenreiner Demokrat - und vermutlich hat sich daran wenig geändert. Wie passt es also zusammen, dass dieses Land, dieser Präsident, nun dafür geehrt werden, die europäischen Werte zu verteidigen? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Was die Ukrainer und ihr Präsident seit dem Tag des russischen Angriffs verteidigen, ist der Wert der Freiheit gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner. Das ist kein kleines Verdienst", lobt DIE RHEINPFALZ.
Nun zum Tarifkonflikt bei der Bahn. Der angekündigte 50-stündige Warnstreik der Gewerkschaft EVG wurde am Samstag abgewendet. Die TAGESZEITUNG kritisiert beide Seiten: "Die Deutsche Bahn hat mit ihrem zaudernden Verhalten bei der Frage des Mindestlohns Sympathien verspielt und bringt in der Feiertagswoche eine noch schlechtere Leistung als sonst schon üblich. Die EVG muss sich einen überzogenen Arbeitskampf vorwerfen lassen, den das Arbeitsgericht ohne Vergleich wohl untersagt hätte. Und der Grundkonflikt bleibt ja bestehen: Die Gewerkschaft will deutlich mehr Geld für die Bahnbeschäftigten durchsetzen und dabei vor allem die Geringverdiener besserstellen. Die Deutsche Bahn hingegen will bei den Niedriglöhnen nur so viel draufsatteln, dass der Abstand zu anderen Branchenunternehmen bei Sicherheits- oder Reinigungsdiensten nicht zu hoch wird. Angesichts der vergleichsweise geringen Zahl von Betroffenen ist das keine Frage des Geldes, sondern des Prinzips. Das macht die Lösung so schwer", glaubt die TAZ.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG spricht von einem "Armutszeugnis" für die Tarifparteien: "Seit elf Wochen haben sich beide Seiten immer wieder zusammengesetzt, um sich auf Lohnerhöhungen für die 180.000 Bahn-Angestellten zu verständigen. Getan hat sich nichts – bis Samstag, als Arbeitsrichter einen Vergleich herbeiführten. Er verpflichtet beide Seiten zu dem, was angesichts ihrer Verantwortung gegenüber ungefähr fünf Millionen Menschen, die täglich die Bahn nutzen, selbstverständlich sein sollte. Dass sie endlich zielorientiert und zügig verhandeln. EVG und Bahn müssen es jetzt endlich schaffen, vernünftig miteinander zu reden, auch ohne Anwälte und Richter. Sonst ist der nächste große Streik nur eine Frage der Zeit", befürchtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.