Freitag, 19. April 2024

19. Mai 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben dem G7-Gipfel in Japan geht es um den 175. Jahrestag der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Doch zunächst Stimmen zum Staatssekretär Graichen, den Bundeswirtschaftsminister Habeck nun doch entlassen hat.

19.05.2023
Das Foto zeigt Wirtschafsminister Robert Habeck und seinen entlassenen  Staatssekretär Patrick Graichen.
Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) und sein früherer Staatsekretär Graichen. (IMAGO / Chris Emil Janßen / IMAGO / Chris Emil Janssen)
Das HANDELSBLATT führt aus: "Man muss es so hart sagen: Schlechter als Habeck können Politiker eine solche Krise im eigenen Haus nicht managen. Obwohl der Verdacht nach Vetternwirtschaft unübersehbar war und ein Rücktritt auf der Hand lag, stellte er sich vor seinen Staatssekretär, überhöhte dessen Verteidigung sogar damit, er wolle nicht leichtfertig Menschen opfern, er sei ein anderer Typ Politiker. Für die Wähler ist jetzt klar: Was Postengeschacher in der Politik angeht, sind die Grünen nicht besser als andere Parteien. Schlimmer noch: Die Grünen legen stets höchste Maßstäbe in Sachen Transparenz und Postenvergabe an andere an. Für sie selbst gelten diese offenbar nicht. Genau jenes fatale Bild ist durch das Agieren von Habeck und Graichen entstanden", notiert das HANDELSBLATT.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle meint: "Besser wäre es gewesen, Habeck hätte die Reißleine früher gezogen. Nun ist der Schaden maximal - für Habeck als Vizekanzler, für die Grünen als Partei und für die Sache des Klimaschutzes. Habecks Krisenmanagement war miserabel. Und offen bleibt die Frage, warum er so lange mit der Konsequenz der Entlassung des Staatssekretärs gewartet hat? Mit dem Gesetz zum Heizungstausch wollte Graichen die Koalitionspartner überrumpeln. Jetzt muss das Vorhaben entschärft werden, damit es überhaupt eine politische Mehrheit findet", erwartet die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz bilanziert: "Die Grünen und ihr großer Kommunikator Habeck haben es bisher nicht geschafft, den Menschen plausibel zu erklären, wie sie die klimapolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre ganz persönlich finanziell schultern sollen. Sicher: Zur Wärmewende im Heizungskeller gibt es keine Alternative, auch darf der Umstieg von Gas und Öl auf erneuerbare Wärmespender nicht weiter verzögert werden. Doch organisieren könnte man die Revolution in den Heizungskellern schon anders", betont die ALLGEMEINE ZEITUNG.
Wirtschaftsminister Habeck sei in einer ziemlich vertrackten Lage, findet die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg: "Eigentlich müsste er 100 Prozent geben, um die wirtschaftliche Transformation Deutschlands voranzubringen. Stattdessen kümmert er sich nun um Aufklärung in eigener Sache. Für Habeck persönlich mag es zweitrangig sein, dass auch seine Beliebtheitswerte im Keller sind. Aber die Ängste der Menschen, die sich darin ausdrücken, können ihm nicht egal sein. Denn Klimaschutz lässt sich nicht gegen die Bevölkerung in der Gesellschaft verankern", unterstreicht die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder schreibt: "Staatssekretär Graichen weg, die Familienbande zerrupft - soll die Regierung die Wärmewende am besten gleich mit entsorgen? Millionen Hausbesitzer und Mieter wären wahrscheinlich erleichtert, wenn der ganze 'Spuk' mit Wärmepumpe und Ökostrom endlich vorbei wäre. Falsch wäre die Wende mitten in der Wende dennoch. Denn welche katastrophalen Auswirkungen der Klimawandel hat, zeigt sich gerade wieder an der italienischen Adria. Einzige Lösung für das Problem: Das klimaschädliche CO2 muss, soweit es geht, aus unserem Leben weichen. Aber wie? Dieser Frage rückt mit dem Rückzug Graichens hoffentlich mehr ins Zentrum." So weit die MÄRKISCHE ODERZEITUNG und so viel zu diesem Thema.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG geht ein auf den Festakt zum 175. Jahrestag der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main: "Seine Geschichte kann man sich nicht aussuchen. Seine Traditionen aber schon. Wie wohltuend ist es deshalb, dass in einem Land, das immer noch voller Bismarck-Gymnasien, Rommel-Kasernen und Kolonialverbrecher-Reiterstatuen steht, allmählich auch andere Akteure der deutschen Geschichte in ein prominenteres Licht gerückt werden. So wie jene Demokraten und Liberalen, die schon während der Revolution 1848 die Knechtschaft unter Adel und Militär überwinden wollten, am 18. Mai vor 175 Jahren dann zur ersten Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammenkamen, aber schon im folgenden Jahr auseinandergejagt wurden. Wie jetzt der Bundespräsident den politisch Gescheiterten von damals seine Hochachtung ausgesprochen hat, das ist Vergangenheitspolitik von der wertvollen Sorte", urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg bemerkt: "Für viele jüngere Deutsche ist Demokratie eine Art natürlicher Aggregatzustand der Gesellschaft – sie war immer schon da, wie die Luft zum Atmen. Auch im Osten wuchs seit dem Ende der DDR-Diktatur schon eine Generation in Freiheit auf. Da ist es gut, dass der Bundespräsident 175 Jahre nach dem Beginn der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche an die Ursprünge der deutschen Demokratie erinnert hat, an den langen und oft vergeblichen Kampf um sie und daran, dass dieser Kampf nie zu Ende ist. Klingt anstrengend, aber Demokratie ist eben nicht selbstverständlich", hebt die BADISCHE ZEITUNG hervor.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU erläutert: "Die erste demokratische Bewegung in Deutschland hatte sich mit idealistischem Feuer auf den Weg gemacht – um nur kurze Zeit später blutig niedergeschlagen zu werden. Die Revolution scheiterte, die Freiheitsversprechen wurden brutal unterdrückt. Die Restauration siegte, das gesamtdeutsche Parlament, der Liberalismus, die Demokratie hatten verloren. Tatsächlich? Wer sich den Zustand der liberalen Demokratie heutzutage und hierzulande anschaut, wird zweierlei feststellen. Der freiheitliche Rechtsstaat, dem deutschen Volk nach 1945 zwangsverordnet, hat sich nachhaltig behauptet. So weit die Erfolgsgeschichte. Doch die parlamentarische Demokratie gerät zunehmend in Bedrängnis, gut die Hälfte der Bevölkerung ist aktuell nicht mit ihr zufrieden, in Ostdeutschland sind es sogar zwei Drittel", gibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zu bedenken.
Nun noch Stimmen zum Treffen der sieben führenden demokratischen Industrienationen, das heute in Japan beginnt. Der TAGESSPIEGEL mahnt: "Der Gipfel darf mit Blick auf die nukleare Gefahr nicht ergebnislos bleiben. Auch wenn das Ziel einer atomwaffenfreien Welt derzeit außer Reichweite scheint, darf es nicht aus den Augen verloren werden. Die Weltgemeinschaft darf nicht vergessen, welch unvorstellbares Leid der Einsatz von Atomwaffen verursacht. Dazu können die G7-Vertreter in Hiroshima durch die Gespräche mit Überlebenden und den Besuch von Erinnerungsorten einen wichtigen Beitrag leisten. Aber es braucht mehr als Symbolpolitik. Entscheidend für die Glaubwürdigkeit einer G7-Erklärung in Hiroshima wird sein, dass sie alle in die Pflicht nimmt. Sie darf sich nicht allein an Russland richten. Sie muss eine grundsätzliche Linie formulieren, zu der sich die G7-Staaten und ihre Verbündeten ebenfalls verpflichten", verlangt der TAGESSPIEGEL.
Die TAGESZEITUNG schlägt konkrete Maßnahmen vor, umder nuklearen Bedrohung entgegenzuwirken: "Atomares Säbelrasseln, wie jüngst aus Russland, muss international geächtet werden. Die Staaten des UNO-Atomwaffenverbotsvertrags oder die Erklärung der G20 im November 2022 haben diese Verurteilung bereits formuliert. Die G7 sollten sich dem anschließen. Die in Deutschland und Italien stationierten US-Atomwaffen haben keine militärische Bedeutung, untergraben aber die Abrüstungsintentionen. Ihr Abzug könnte ein Zeichen gegen die geplante Stationierung von Atomwaffen in Belarus setzen und Russland weiter isolieren. Die Mehrheit der Länder der Welt und die globale Zivilgesellschaft unterstützen den Atomwaffenverbotsvertrag. Es wird Zeit, dass auch die G7 sich auf die richtige Seite der Geschichte stellen." Das war zum Ende der Presseschau ein Kommentar der taz.