20. Mai 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Meinungsseiten beschäftigen sich mit dem Treffen der Arabischen Liga und dem G7-Gipfel in Japan. Doch zunächst Stimmen zu den Plänen für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, auf das sich die Bundesregierung in Grundzügen verständigt hat.

Ein Hinweisschild "Einbürgerung" steht für eine Einbürgerungszeremonie im Neuen Rathaus in Hannover
Die geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist ein Thema in den Kommentarspalten vieler Zeitungen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
Dazu heißt es in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Eine Regeleinbürgerung soll bereits nach fünf Jahren in Deutschland möglich werden. Die kürzere Frist ist ein Symbol für eine Politik der Öffnung: Deutschland will, dass hier lebende Menschen auch alle Rechte aus der Staatsbürgerschaft wahrnehmen können. Dabei geht es nicht zuletzt um das Wahlrecht. Auch mit ihren Erleichterungen für Angehörige der 'Gastarbeiter'-Generation senden SPD, Grüne und FDP ein wichtiges Signal der Anerkennung aus. Diese Menschen, die oft aus bildungsfernen Schichten stammten und in Deutschland mit harter Arbeit für den wirtschaftlichen Aufschwung sorgten, erhielten keine Integrationsangebote", hebt die FRANKFURTER RUNDSCHAU hervor.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG begrüßt die Reformpläne, denn "im Einwanderungsland Deutschland existieren Stadtteile, in denen ein wesentlicher Teil der Bewohner seit Jahrzehnten kein Wahlrecht besitzt. Das sind Menschen, die dauerhaft hier leben, Steuern zahlen, den Gesetzen unterworfen sind. Sie werden einfach nicht demokratisch repräsentiert – während gleichzeitig Deutsche im Ausland immer zum Wahltag schön ihre Briefwahlunterlagen erhalten, obwohl sie gar nicht mehr unter den Regierenden hier leben. Das schafft eine Repräsentationslücke, die für eine Demokratie auch zum wachsenden Legitimitätsproblem wird. Und deshalb ist es nicht nur nett oder großzügig, sondern überfällig und geboten, wenn jetzt die Bundesregierung diesen Menschen leichter zu einem deutschen Pass verhelfen will", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Aus den Rechten der Staatsbürgerschaft leiteten sich auch Pflichten ab, betont die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder: "Und die gehen über die simple Einhaltung der hierzulande geltenden Gesetze - eine Selbstverständlichkeit - hinaus. Dazu gehören Sprachkenntnisse genauso wie der Anspruch, für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können. Das Gesetz der Ampel-Koalition setzt hier durchaus die richtigen Anreize, allerdings muss die Regierung aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, die reine Aufenthaltsdauer qualifiziere bereits für den deutschen Pass", empfiehlt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE stellt heraus: "Eine Einbürgerung ist nur der Endpunkt eines Prozesses, der viel früher beginnt. Von einer Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden einfachere Einbürgerungsregeln nur, wenn klar ist, dass Menschen, die keine echte Bleibe- und Integrationsperspektive haben, entweder gar nicht erst einreisen dürfen oder zügig abgeschoben werden. Erfolgreiche Einwanderungsländer wie Kanada machen es vor: Die Voraussetzungen zur Einreise sind hart - doch wer sich an die Regeln hält, darf schnell ein vollwertiger Teil der Gesellschaft werden", notiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG gibt zu bedenken: "Was in Gesetzen steht, ist das eine. Was Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland im Alltag erleben, das andere. Wann ist man deutsch genug, um Deutscher zu sein? Wer nicht Meyer oder Müller heißt, berichtet oftmals von Diskriminierungserfahrungen etwa bei Jobsuche, beim Bahnfahren, auf der Arbeit, beim Einkaufen oder im Umgang mit Behörden. Egal, ob nun hier geboren oder nicht. Eingewanderte Fachkräfte verlassen auch wegen solcher Erfahrungen das Land wieder. Das kann sich Deutschland nicht leisten", urteilt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Themenwechsel. Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus geht ein auf das Treffen der Arabischen Liga, an dem erstmals wieder Syriens Machthaber al-Assad teilgenommen hat: "Trotz Bürgerkrieg, trotz Menschenrechtsverbrechen: Der Schlächter ist zurück am Tisch. Es wirkt wie eine Begnadigung. Aber ist Staatschef Baschar al-Assad tatsächlich geläutert? Wohl kaum. Vielmehr hat seine Rückkehr wohl mit handfesten Sorgen zu tun, die viele Länder umtreiben, von der Flüchtlingssituation bis zur Stabilität in der konfliktreichen Region. Für den Westen ist Assads Rückkehr eine Niederlage. Denn sie zeigt, dass die Politik der Isolation von Staaten in der zunehmend multipolar organisierten Welt nicht mehr funktioniert", findet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER erläutert: "Fakt ist, dass die Arabische Liga keine Ansammlung von Demokratien, sondern von Autokratien und Monarchien ist, die der Westen seit Jahren mit zweierlei Maß behandelt. Die Wiederaufnahme Syriens ist auch ein Zeichen der Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Der Konflikt zwischen diesen beiden islamischen Theokratien schürte in der letzten Dekade die militärischen Konflikte in der Region. Er war eine maßgebliche Ursache für das Andauern der Kämpfe im Jemen und das Entstehen der Terrorgruppe Islamischer Staat. Eine Annäherung zwischen den schiitischen Mullahs in Teheran und dem sunnitischen Königshaus in Riad weckt die Hoffnung auf eine Befriedung des Jemen und anderer persisch-arabischer Stellvertreterkriege", schätzt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Nun noch Stimmen zum Gipfeltreffen der sieben führenden demokratischen Industrienationen in Japan. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG führt aus: "Die in Hiroshima versammelten Spitzen der G7 wollen weitere Wege finden, um Russlands Einnahmen aus dem Verkauf seiner Energieträger zu senken und Präsident Putins 'Kriegsmaschine' zu schwächen. Das ist schwierig, wie ein Bericht der Internationalen Energieagentur zeigt: Trotz westlicher Embargos und Sanktionen führt Russland derzeit so viel Öl aus wie noch nie seit Beginn der großen Invasion der Ukraine. Es bleiben eben westliche Embargos und Sanktionen. Selbst die haben Lücken, manche als Frucht interner politischer Kompromisse. Zudem scheren sich Käufer aus China und Indien, jetzt die wichtigsten Abnehmer russischen Öls, kaum um die Sanktionen, und Russland bewerkstelligt den Transport über zwielichtige Kanäle immer routinierter. Um die Maßnahmen effektiver zu machen, müsste der Westen den Sanktionen mehr Biss verleihen - auch gegenüber Drittländern", empfiehlt die F.A.Z.
Das Magazin CICERO verweist auf eine von den Staats- und Regierungschefs beschlossene Erklärung: "In ihrem Statement heißt es, die G7-Staaten würden dafür sorgen, dass diverse mit dem Militär verbundene Wirtschaftssektoren in Russland vom internationalen Handel abgetrennt werden. Anhand von Sanktionen soll auch das russische Diamantengeschäft blockiert werden, durch das der Krieg ebenso finanziert wird. Gegen diejenigen, die den Krieg Russlands unterstützen, werden die G7-Staaten eigens aktiv werden. Dies ist nicht zuletzt als Fingerzeig in Richtung China zu verstehen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 besteht schließlich die Sorge, dass China es Russland bald nachmachen und das von Peking reklamierte Taiwan angreifen könnte", vermerkt CICERO.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER beobachtet: "Vor allem in der Wirtschaftspolitik kämpft jeder mit harten Bandagen – für sich. Es geht um geostrategischen Einfluss, es geht aber immer wieder auch ums Geldverdienen. So ist es kein Wunder, dass die USA auf ein weitgehendes Importverbot für Waren aus Russland drängen, von dem US-Unternehmen weit weniger betroffen als die europäische Konkurrenz wären. Das erklärt die Zurückhaltung auf dem alten Kontinent, wobei man dort sehr genau weiß, dass die Ukraine ohne die gewaltige militärische und monetäre Unterstützung der USA längst verloren wäre. Umgekehrt sind es in der China-Politik die Amerikaner, die etwas von den Europäern wollen. Der Indopazifik ist weit weg von der Nordsee, das amerikanisch-chinesische Ringen um Einfluss in dieser Region ist vielen auf dem alten Kontinent herzlich egal. So unterschiedlich die Interessen von Europäern und Amerikanern sind, so alternativlos ist ihre Zusammenarbeit," unterstreicht der KÖLNER STADT-ANZEIGER zum Ende der Presseschau.