Donnerstag, 18. April 2024

24. Mai 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Das "Recht auf Vergessenwerden" im Internet und die Angriffe von Rebellengruppen in Russland sind Themen der Kommentare von heute. Vor allem aber beschäftigt das sogenannte Heizungsgesetz die deutschen Zeitungen. Der MÜNCHNER MERKUR notiert:

24.05.2023
Zu sehen ist Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister.
Robert Habeck ist mit seinem Gebäudeenergiegesetz unter Druck geraten. (picture alliance / dpa / dpa Pool / Christophe Gateau)
"SPD-Fraktionschef Mützenich ist genervt, sagt er. Von der FDP, der er vorwirft, beim Heizungs(verbots)gesetz von Robert Habeck zu bremsen. Doch es sind die Sozialdemokraten, die selbst noch die wuchtigsten Änderungen verlangen - wie etwa eine scharfe Begrenzung der erlaubten Kostenumlage auf die Mieter. Das heißt: Eigentümer vermieteter Häuser und Wohnungen sollen auf den Kosten des vom Staat erzwungenen Heizungstauschs weitgehend selbst sitzen bleiben. Immer mehr zeigt sich, dass das Gesetz des entlassenen grünen Staatssekretärs Graichen ebenso mangelhaft ist wie dessen Amtsverständnis. Und dass es dringend zurück muss in die Montagehalle, mögen die Grünen auch Zeter und Mordio schreien und die SPD scheinheilig mit dem Finger auf die FDP zeigen", urteilt der MÜNCHNER MERKUR.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht im Heizungsstreit eine Gefahr für das Fortbestehen der Ampel: "Wortbruch wirft der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler der FDP und damit auch deren Ministern vor. Das ist keine geringe Beschuldigung unter Koalitionspartnern und Kabinettskollegen. Der Aufschub im Gesetzgebungsverfahren würde es dem Wirtschaftsminister nun ermöglichen, den Entwurf so abzuändern, dass er nicht länger bei so vielen Hauseigentümern und Mietern Angst und Schrecken verbreitet. Doch wird Habeck nach dem Opfer, das er für sein Herzensgesetz bringen musste, noch über seinen Schatten springen können? Der Vorwurf der Wortbrüchigkeit an die Adresse der FDP spricht nicht dafür, dass er selbst zu einem klaren Kurswechsel bereit ist", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Auch die TAZ erwartet angesichts des Heizungsstreits nichts Gutes für den Fortbestand der Ampelkoalition: "Die Ampel taumelt in ihre tiefste Krise. Die Grünen wollen per Gesetz den Austausch von kaputten fossilen Heizungen durchsetzen, die FDP spielt ihre Lieblingsrolle als Opposition in der Regierung. Der Tonfall ist gereizt. Ohne Wärmepumpe drohen Grüne das Ja zu Autobahnen und Abschaffung der Klimasektorenziele zurückzuziehen. Es regiert die Logik 'Macht kaputt, was euch kaputt macht'. Es droht ein Zirkel der Zerstörung. Ein Ausweg ist wohl nur ein mit noch mehr Ausnahmen und noch mehr Subventionen versehenes Gesetz. Für diesen Kompromiss ist das Verhandlungsgeschick des Kanzlers gefragt. Sonst gehen bei der Ampel demnächst die Lichter aus", betont die TAZ.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg gibt zu bedenken: "Dem Klima ist es reichlich egal, ob Deutschland ein Jahr früher oder später ehrgeizige Ziele umsetzt. Den Menschen aber nicht. Die wollen mitgenommen werden - eindeutig keine Stärke von Habeck. Und sie wollen - egal ob als privater Vermieter oder als Mieter - finanziell nicht unter die Räder geraten. Genau das droht aber aufgrund eines Zeitplans, der am grünen Tisch entstand", steht für die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG fest.
Für die STUTTGARTER ZEITUNG kommt die Verzögerung beim Heizungsgesetz hingegen zur Unzeit: "Wenigstens so viel ist ja wahr an der Kritik: Handwerklich sind noch eine Reihe von Fragen offen. Dennoch ist die Aufweichung des Zeitplans natürlich ein fatales Signal für die Koalition. Der Vorgang macht deutlich, dass Deutschland von einem Parteienbündnis geführt wird, bei dem die liberale Opposition schon eingebaut ist. Die Liberalen sind nur zu bereitwillig auf den Kampagnenzug aufgesprungen, haben die teils niederträchtige Wortwahl des Boulevards mitunter gerne übernommen und sich so sehenden Auges zu Stichwortgebern der Populisten gemacht", heißt es in der STUTTGARTER ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus sieht Habeck in der Bredouille: "Klimaschutzminister Robert Habeck kann sich jetzt nicht die Blöße geben, nochmal neu zu starten. Machtpolitisch wäre er erledigt. Deshalb wird das Gezerre um die GEG-Novelle nun in die nächsten Runden gehen. Damit ist aber auch klar: Das Konjunkturprogramm für den Kauf fossiler Heizungen bis Jahresende bekommt nochmal einen Schub und der Klimaschutz bleibt zunächst auf der Strecke", erwartet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Eine ganz andere Linie vertritt das Magazin CICERO: "Ohne die deutsche Wärmepumpen-Offensive könnte schon morgen einer jener Kipp-Punkte überschritten sein, von denen es immer heißt, hinterher wäre das Klima ohnehin nicht mehr zu retten. Zumindest nicht das Klima innerhalb der Ampel-Koalition: Da haben die Grünen letzthin derart viel einstecken müssen, dass jede Heiz-Hammer-Hinauszögerung fast noch schlimmer ist als ein verpasster Zustelltermin vom Amazon-Kurier. Geht gar nicht!“, meint der CICERO.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht die Ampelkoalition wegen des Heizungsstreits auf gefährlichem Kurs: "Dass mangelnde Wertschätzung und fehlendes Vertrauen eine Regierung weitgehend lahmlegen können, haben Union und SPD in der vergangenen Legislaturperiode eindrucksvoll demonstriert. SPD, Grüne und FDP drohen diesen Zustand nun ebenfalls zu erreichen – allerdings um Jahre früher als die Vorgängerregierung. Das wäre eine Katastrophe, denn für zweieinhalb Jahre Stillstand sind die aktuell zu bewältigen Herausforderungen zu drängend", mahnt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Themenwechsel. Das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Löschungen im Internet greift die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG auf: "Was aus Nutzer-Sicht zunächst irritieren mag, ist in der Praxis vollkommen nachvollziehbar und richtig. Mit seinem Urteil stärkt der BGH die Meinungsfreiheit. Denn in der Realität ist es doch so: Ein Großteil der negativen Berichte über Personen, Firmen oder Projekte wird von Journalisten verfasst. Manche auch von unzufriedenen Kunden. Diese Beiträge sind daher von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt. Wie sonst sollte kritischer Journalismus noch gelingen? Wie sonst sollte eine kritische Öffentlichkeit gewahrt bleiben?", fragt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die PASSAUER NEUE PRESSE schreibt: "Wer mit einer Hochglanz-Online-Präsenz punkten will, reagiert gern empfindlich auf unliebsame Kritik. Und so betreffen die meisten Anträge auf Löschung Postings in den sozialen Netzwerken. Das Recht auf Vergessenwerden darf aber nicht verwechselt werden mit dem Recht auf beliebige Image-Montage. Es ist deshalb richtig, dass der BGH entschieden hat, nur bei falschen Inhalten die Löschung vorzuschreiben", so die Meinung der PASSAUER NEUEN PRESSE. Soviel zu diesem Thema.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER widmet sich dem Angriff pro-ukrainischer Rebellen auf russische Ortschaften. "Dürfen wir uns freuen, wenn die Ukraine russische Dörfer angreift, wo wir - völlig zurecht - so entsetzt auf den russischen Angriff reagiert haben? Klares Nein - das sollten wir nicht. Ganz klar, die Ukraine hat alles Recht der Welt, sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Waffen gegen den Eindringling zu wehren. Bis zu ihren Landesgrenzen. Aber nicht auf russischem Territorium. Sonst könnte es zu der Situation kommen, dass plötzlich deutsche Panzer auf russischem Boden rollen. Diese Waffen waren aber ausschließlich zur Verteidigung gedacht", erinnert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz schreibt zu diesem Thema: "Es ist eine Demütigung für Kriegstreiber Wladimir Putin und die russische Armee. Dass am helllichten Tag eine Gruppe bewaffneter Kämpfer die Grenze übertreten und ein dem Vernehmen nach bis zu 30 Quadratkilometer großes Gebiet zumindest kurzzeitig unter Kontrolle bringen kann, muss Moskau beschämen. Die verunsichernde Wirkung auf Russland ist nicht zu verachten. So erscheint der Akt als Teil der psychologischen Kriegsführung Kiews gegen den Aggressor. Längst weiß man, dass die so oft herbeigeredete ukrainische Frühjahrsoffensive nicht alleine aus Truppenbewegungen besteht", ist sich die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz sicher.