Freitag, 08. Dezember 2023

31. Mai 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zu der erneuten Verurteilung des früheren Steueranwalts Berger in einem weiteren Prozess um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Kommentiert werden auch die Drohnenangriffe auf die russische Hauptstadt Moskau und die jüngsten Unruhen im Kosovo.

31.05.2023
Ein KFOR-Soldate steht im Vordergrund. Hinter ihm zerstörte Autos und Trümmerteile auf der Straße im Kosovo. soldiers, front, and Kosovo police officers guard a municipal building after yesterday's clashes between ethnic Se
Die jüngsten gewaltsamen Proteste im Kosovo sind ein Thema in den Zeitungskommentaren. (AP / Dejan Simicevic)
Dazu heißt es in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Es geht um mehr als um den Streit zwischen serbischen und albanischen Kosovaren um Bürgermeisterämter, der die Demonstrationen auslöste. Der Konflikt um das Gemeindeamt im Örtchen Zvecan ist keine Lokalposse, sondern Ausdruck des immer noch ungelösten Konflikts zwischen Serbien und Kosovo. Und an dem haben viele ihren Anteil: machtbewusste Politiker vor Ort, die Ressentiments geschickt befördern, um ihre eigenen Interessen zu bedienen. Die EU, eine Staatengemeinschaft, die zwischen Zögerlichkeit und naiver Gutgläubigkeit schwankt. Und nicht zuletzt Russland, das sich eigene Einflusssphären sichern will und Unruhe in Europa etwas abgewinnen kann", notiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erläutert: "Seit Russland die Ukraine überfallen hat, bemühen sich EU und USA verzweifelt, einer neuen großen Krise auf dem Balkan vorzubeugen. Und ihre Verzweiflung ist diese Woche erkennbar wieder ein Stück gewachsen. Pristina hat kein Interesse daran, die Kontrolle über den Norden Kosovos auch nur teilweise an die Serben abzugeben. Und Belgrad will den Kosovaren auch nicht stückweise ihre Souveränität zugestehen. Das Kalkül hinter den westlichen Vermittlungsbemühungen, beide Seiten gleichermaßen zu Zugeständnissen zu bewegen: Es geht offenkundig nicht auf", urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Auch die STUTTGARTER ZEITUNG spricht von erfolglosen Vermittlungsbemühungen. Die EU habe erst vor zwei Monaten "hoffnungsfroh einen Deal zur Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien verkündet. Doch der von Brüssel mit viel Aufwand seit 2011 moderierte Nachbarschaftsdialog der unwilligen Nachbarn ist in seiner bisherigen Form gescheitert. Einerseits hat Serbien an einer Normalisierung der labilen Nachbarschaftsehe kein Interesse, da diese einer faktischen Anerkennung der abgelehnten Eigenstaatlichkeit der Ex-Provinz gleichkommen würde. Andererseits erschwert es die auf beiden Seiten ausgebliebene Aufarbeitung der eigenen Kriegsvergangenheit auch Pristina, die Interessen der schrumpfenden Minderheit der Kosovo-Serben zu respektieren. Allein aus geopolitischem Eigeninteresse kann der Westen die Dauerstreithähne kaum sich selbst überlassen", mahnt die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf beobachtet: "Die Staaten des westlichen Balkans drängen – teilweise seit vielen Jahren – in die Europäische Union. Hoffen und Bangen zwischen EU-Annäherung und EU-Kandidatenstatus. Wer wirklich nach Europa will, muss vor allem aber eines mitbringen: ein Plus an Stabilität. Ohne eine Lösung des Kosovo-Konfliktes, dürfte es mit einem EU-Beitritt von Serbien weiter dauern. Gesprächen der Annäherung zwischen Serbien und Kosovo etwa zur Akzeptanz von Autokennzeichen und Reisepässen fehlt bislang die Umsetzung. Doch nun muss sich die internationale Gemeinschaft erneut um den Frieden im Kosovo sorgen. Die jüngste Aggression durch militante Serben im Norden mit Angriffen auf die Schutztruppe Kfor führt vor Augen: Der Balkan ist weiter jederzeit leicht entflammbar", gibt die RHEINISCHE POST zu bedenken.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus betont mit Blick auf die NATO-Schutztruppe im Kosovo: "Die Kfor wird weiterhin gebraucht und mit ihr auch die Soldaten der Bundeswehr. Noch mehr gebraucht wird aber ein beherzt und geschlossen agierendes Europa. Es gilt, den Ausbruch eines weiteren Kriegs in der EU-Nachbarschaft zu verhindern. Und es gilt, dem russischen und zunehmend auch chinesischen Einfluss in der Region etwas entgegenzusetzen. Das ist frustrierend, mühsam und teuer. Aber eines ist klar: Die USA werden wohl kaum noch einmal quer über den Atlantik zu Hilfe eilen, sollte der Balkan erneut in Flammen stehen." So weit die LAUSITZER RUNDSCHAU und so viel zu diesem Thema.
Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen geht ein auf die Drohnenangriffe in Moskau: "Zum ersten Mal bekommt die Bevölkerung der russischen Hauptstadt einen Eindruck von dem Schrecken, den die Menschen in der Ukraine seit dem Februar vergangenen Jahres durchleiden müssen. Schon der Angriff aufseiten der Ukraine kämpfender russischer Freiwilligenverbände auf die Region Belgorod im äußersten Westen Russlands Mitte Mai hat für enorme Verunsicherung gesorgt. Es wird für die Kriegstreiber in Moskau immer schwieriger zu kaschieren, was sie angezettelt haben. Ob das zu einem Umdenken, vielleicht gar zu größeren Protesten in der russischen Bevölkerung führen wird, ist offen. Ein Aufstand in Russland gegen den Krieg wäre aber der beste Weg, ihn endlich zu beenden", vermutet die WAZ.
Für die TAGESZEITUNG ergibt sich eine neue Lage: "Viele Moskauer*innen erfahren durch ein unbemanntes Flugobjekt, dass die von Präsident Wladimir Putin viel beschworene Stabilität längst dahin ist. Der russische Staat ist verletzlich, die Sicherheit seiner Bürger*innen kann er nicht garantieren. Deshalb wohl reagiert er zurückhaltend: so nach dem Drohnenangriff auf den Kreml vor vier Wochen, nach dem kürzlichen Überfall proukrainischer Gruppierungen in Belgorod und nun auch nach der Attacke auf Moskauer Wohnhäuser. Mit aller Vehemenz hält der Kreml an der 'Notwendigkeit der Spezialoperation' fest. Weichen, geschweige denn nachgeben ist für Moskau keine Option", ist sich die TAZ sicher.
Die BERLINER MORGENPOST vertritt diese Ansicht: "Der Ukraine-Krieg gewinnt eine neue Dynamik. An den Frontlinien gibt es kaum Bewegung. Neu sind die massiven Drohnenangriffe auf Kiew, die seit Mitte Mai zugenommen haben. Am Dienstag gab es auch Drohnenattacken auf Moskau. Die Ukrainer haben ein Interesse daran, in der Bevölkerung und in der Elite Russlands Zweifel am System Putin zu säen. Russland will die Ukrainer zermürben, ihren Widerstandswillen brechen, bevor die eigentliche Frühjahrsoffensive startet. Die Drohnenattacken sind auch Teil der Vernichtungsstrategie, die Putin verfolgt. Irgendwann – so sein Kalkül – werden die Gesellschaften zwischen Washington und Berlin kriegsmüde. Der Ruf nach Verhandlungen um jeden Preis dürfte dann immer lauter werden. Der Drohnenkrieg ist auch ein Psychokrieg", analysiert die BERLINER MORGENPOST.
Nun noch Stimmen zum früheren Steueranwalt Berger, der in einem weiteren Prozess um Steuerhinterziehung zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt wurde. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Mit den Cum-Ex-Tricks hat ein Netzwerk aus Superreichen und Steuerfachleuten hohe Millionensummen vom Staat erbeutet, und Berger war ein Konstrukteur dieser Deals. Berger fühlte sich zu Unrecht verfolgt. Auch wenn er in diesem Punkt irrt: Es wäre falsch, den ehemaligen Finanzbeamten als alleinigen Schurken abzustempeln. Das würde den Blick verstellen auf eine ganze Branche der Gier, auf die strukturellen Defizite bei der Kontrolle und damit auf ein politisch nicht vollständig aufgearbeitetes Staatsversagen. Die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals ist für die Justiz mühevoll. Das Wiesbadener Landgericht hat hier mit seiner nüchternen Verhandlungsführung ein gutes Bild abgegeben – und deutlich auch das Versagen der Politik beim Kampf gegen die illegalen Aktiengeschäfte angeprangert", bilanziert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Der WIESBADENER KURIER zieht dieses Fazit: "Hanno Berger, der ehemalige hessische Steuerbeamte, der später die Seiten gewechselt hat, ist nicht der Erfinder der Cum-Ex-Geschäfte, aber er hat sie mit der Beratung für Banken, Fonds und Investoren zu einem Multimillionengeschäft skaliert. Die juristische und politische Aufarbeitung des Steuerbetrugs ist mit dem Wiesbadener Urteil aber noch längst nicht abgeschlossen. Viele Nutznießer, Beteiligte und politische Zuschauer dieses betrügerischen Geschäftsmodells sind bisher noch unbehelligt geblieben. Es gibt noch viel zu tun." Mit diesem Auszug aus dem WIESBADENER KURIER endet die Presseschau.