02. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zum Beschluss des EU-Parlaments über ein strengeres Lieferkettengesetz und zur Krankenhausreform in Deutschland. Zunächst geht es aber um den Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft EPG in Moldau, bei dem unter anderem über die Zukunft der Ukraine nach dem russischen Angriff gesprochen wurde.

Moldau, Bulboaca: Aleksandar Vucic (l), Präsident der Republik Serbien, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommen beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Moldau zu einem Gespräch zusammen.
Das Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Moldau ist eines der Themen in der Presseschau. (Kay Nietfeld/dpa)
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG wertet das Treffen als starkes Signal an Russlands Regierung: "Auf der Weltbühne ist Moskau nicht so isoliert, wie man es in Berlin und Brüssel gern hätte. Dutzende europäische Staaten aber lassen keinen Zweifel daran, dass Moskau mit seiner Gewaltpolitik, die sich nicht um bestehende Grenzen schert, auf dem Holzweg ist. Wie sonst sollte Moskau das Treffen von fast 50 Staats- und Regierungschefs in der Republik Moldau verstehen? Tatsächlich ist man sich auf dem europäischen Kontinent nicht immer einig. Und doch sendet der Gipfel als Forum, miteinander im Gespräch zu sein und zu bleiben, ein starkes Zeichen der Solidarität sowohl nach innen wie nach außen", vermerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Auch die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, ist von dem Format überzeugt: "Es gibt keine langen Vorgespräche auf Diplomatenebene, keine Abschlussdokumente oder Beschlüsse. Man redet halt. Genau das ist gut. Das zeigte auch der Kalender des Kanzlers. Olaf Scholz traf über den Tag verteilt zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – auch das eine Botschaft – über ein halbes Dutzend Spitzenpolitiker anderer Länder. Das geht sonst nicht. Beide konzentrierten sich auf die Staaten des Balkans, auf Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro. Dort brodelt es, droht Europa ein heißer Konflikt. Kein diplomatischer Kontakt, kein Telefonat kann das direkte Gespräch und die direkte Warnung an die Konfliktparteien ersetzen", konstatiert die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle ergänzt: "Selbst die oft so unterschiedlichen Staaten im Bündnis wirken im kleinen Moldau schon deshalb geschlossen, weil sie alle angereist sind. Das wirkt nahe der Kriegsfront als eine Front der Solidarität mit der Ukraine. Die große Frage bleibt aber, wann die Ukraine Mitglied der EU und der Nato werden kann. Für den Beitritt zur EU muss Kiew die Korruption bekämpfen, für einen Beitritt zur Nato muss Russland aus der Ukraine abgezogen sein", stellt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG klar.
Mit dem NATO-Beitritt der Ukraine, den der ukrainische Präsident Selenskyj in Moldau erneut gefordert hat, befasst sich auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "In der Tat könnte man eine Ukraine, die von Russland besetzt oder beherrscht wird, nicht in die NATO aufnehmen, auch nicht in die EU. Selenskyj wird das alles wissen. Aber er hat in den vergangenen Monaten auch die Erfahrung gemacht, dass er weit kommt, wenn er von seinen Verbündeten viel verlangt. Die Sicherheitsgarantien auf dem Weg zur Mitgliedschaft, die er vom NATO-Gipfel im Juli haben möchte, wird er trotzdem nicht bekommen. Anders als bei Waffenlieferungen verläuft hier wirklich eine rote Linie: Derzeit würde jede Form von formaler Beistandserklärung den Westen selbst in den Krieg ziehen oder, falls sie nicht erfüllt wird, die Abschreckung der NATO unglaubwürdig machen. Weder das eine noch das andere würde der Sicherheit Europas nützen, so bitter das für die Ukraine auch ist." Das war die F.A.Z..
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beobachtet ein Dilemma bei den Bedingungen für einen NATO-Beitritt der Ukraine: "Einigkeit besteht unter den Verbündeten, dass dieser Schritt nicht gangbar ist, solange Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortführt. Allerdings ist umstritten, was dafür erforderlich ist: dass es nicht nur eine politische Lösung für den Krieg gibt, sondern auch alle Grenzfragen abschließend beigelegt sind? So postuliert es die Bundesregierung. Das aber würde de facto Putin ein Veto an die Hand geben. Ein solches Veto aber kann es nicht geben, wie die NATO, aber auch die Bundesregierung nicht müde werden zu betonen", notiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Das EU-Parlament hat gestern den Weg für eine schärfere Fassung des geplanten europäischen Lieferkettengesetzes frei gemacht. "Das Europäische Parlament hat sich die Souveränität nicht nehmen lassen und mächtigem Lobbydruck standgehalten", freut sich die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Bis zuletzt hatten Wirtschaftsverbände versucht, ihren Einfluss geltend zu machen, um den ausgehandelten Kompromiss für ein EU-Lieferkettengesetz zu verwässern. Das Parlament positioniert sich für eine ambitionierte gesetzliche Verpflichtung von Firmen zum Schutz von Menschenrechten, der Umwelt und des Klimas entlang der gesamten Wertschöpfungsketten – und geht in einigen Punkten über den Vorschlag der EU-Kommission hinaus. Das ist gut so! Denn es geht um nichts weniger als die Antwort Europas auf die Schattenseiten der Globalisierung, darum, gerechter zu wirtschaften und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Ländern des globalen Südens zu schaffen", hält die FRANKFURTER RUNDSCHAU fest.
Die TAGESZEITUNGTAZ ist überzeugt: "Auch wirtschaftspolitisch setzt die EU mit dem neuen Gesetz einen Standard, dem sich Firmen weltweit anschließen werden. Schließlich wollen viele global tätige Konzerne nicht darauf verzichten, mit der EU Geschäfte zu betreiben. Unternehmen aus Europa werden also wohl weniger Kostennachteile gegenüber der Konkurrenz erleiden, als mancher Wirtschaftsverband jetzt befürchtet. Eher haben sie Vorteile, weil sie einen neuen Standard als erste beherrschen lernen. Wer will, kann all das nun als Wirtschaftsimperialismus in ethischem Gewand denunzieren. Die Arbeiter*innen an den Nähmaschinen jedoch werden die Fortschritte zu schätzen wissen", heißt es in der TAZ.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz zweifelt dagegen an der positiven Wirkung der Neuregelung: "1970 hatte die EU noch mehr als ein Drittel der Weltwirtschaftskraft, aktuell weniger als ein Viertel. Zudem steigt die Zahl der autoritär regierten Staaten. So wächst schon in der Theorie die Wahrscheinlichkeit, dass problematisch produzierte Produkte eben andere Abnehmer finden, sich also an den Verhältnissen in der Welt nichts ändert. Und praktisch trägt die EU so dazu bei, dass ihre Betriebe gegen die Wettbewerber in der Welt häufiger den Kürzeren ziehen. Was Kommission und Parlament hier auf den Weg gebracht haben, ist ein Beispiel dafür, was die EU im eigenen Interesse gerade nicht tun sollte. In den nun folgenden Verhandlungen muss der Rat der Mitgliedsregierungen das Lieferkettenprojekt also vom Kopf auf die Füße stellen", verlangt die RHEIN-ZEITUNG.
Bei den Beratungen über eine Krankenhausreform haben Bund und Länder laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach einen Durchbruch erzielt. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg findet, das sei auch dringend nötig. "Traurig, aber wahr: In Deutschland werden viele Krebs- oder Herz-Patienten in Kliniken behandelt, die darauf nicht spezialisiert sind und somit nicht die beste Expertise haben. Weil es neben diesem Qualitätsmangel auch ein Finanzproblem gibt (viele Krankenhäuser schreiben rote Zahlen), ist es höchste Zeit, dass Bund und Länder eine Klinikreform angehen. Andernfalls droht ein Wandel, den niemand wollen kann. Dann müssten mangels einer gesicherten Finanzierung auch Häuser dichtmachen, die vor Ort nötig sind und die ihre Patienten gut versorgen. Zum Glück raufen sich beide Seiten nun zusammen", bemerkt die BADISCHE ZEITUNG.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint: "Für Lauterbach ist es nun die größte Herausforderung, die Länder für seine Pläne an Bord zu holen und bis zur Sommerpause geeinte Eckpunkte seiner Reform vorzulegen. Die Länder werden über ihren Schatten springen müssen. Dass die Kliniken flächendeckend in eine solche finanzielle Schieflage geraten konnten, haben die Länder mitzuverantworten. Sie reklamieren für sich die Hoheit über die Krankenhausplanung, kommen aber seit Jahren ihrer Verpflichtung nicht nach, auch ausreichend Investitionsmittel für die Kliniken zur Verfügung zu stellen", moniert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, und damit endet die Presseschau.