03. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden der Vorschlag der Wehrbeauftragten des Bundestages, Högl, die Musterung wieder einzuführen und das umstrittene Gesetz in Polen zu russischer Einflussnahme. Doch zunächst geht es um die AfD, die im neuen ARD-Deutschlandtrend als zweitstärkste politische Kraft abschneidet.

Das Logo der Partei AfD.
Kommentiert wird unter anderem das Abschneiden der AfD im neuen ARD-Deutschlandtrend. (dpa / picture alliance / Drofitsch / Eibner )
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erläutert: "Den Umfrage-Aufschwung der AfD muss sich die Regierungskoalition schon selbst zuschreiben. Die Verantwortung für die 18 Prozent der Rechtsaußenpartei lässt sich nicht CDU und CSU zuschieben, wie dies nun manche Ampelpolitiker versuchen. In den vergangenen Wochen haben die Ampelpartner ein miserables Bild abgegeben, das vom Krawall um Heizungstausch und Haushalt, aber auch von Affären im Hause Robert Habeck geprägt war. Die Regierung erscheint im Streit erstarrt, während die Aufgaben von Klimaschutz über Preissteigerungen bis hin zur Flüchtlingsunterbringung weiter wachsen. Und viele Bürger glauben offenbar, sie müssten es den Regierenden jetzt mal zeigen, indem sie AfD wählen wollen. Der Charakter der Rechtspartei spielt dabei offenbar keine Rolle", vermutet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf spricht von einem Alarmsignal und rät, nun sollten sich... "... alle an die eigene Nase fassen und das machen, was demokratische Parteien tun sollten: Regieren und opponieren, mit guten Ideen, klaren Worten und ohne Schaum vor dem Mund. Es geht nicht darum, den Wählern nach dem Mund zu reden, sondern Politik und Veränderungen zu erklären. Politik blindlings gegen die Mehrheit zu machen, etwas 'durchzudrücken', das bringt Frust und Enttäuschung - und am Ende der AfD Stimmen", urteilt die RHEINISCHE POST.
Die DITMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide fragt: "Was bedeutet das im Kern, wenn sich eine von Rechtsextremen gelenkte Partei zur potenziell bundesweit zweitstärksten politischen Kraft auswächst? Es bedeutet, dass immer mehr Bürger in Zeiten parallel ablaufender und sich gegenseitig verstärkender Krisen, die zudem noch ihren eigenen Geldbeutel leeren, empfänglich sind für das Versprechen einfacher Lösungen für komplexe Probleme. Alle, die ihr Kreuz nicht aus Überzeugung bei der AfD machen, tragen damit dazu bei, dass das Fundament der Demokratie in Deutschland noch schneller und stärker bröckelt", gibt die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG zu bedenken.
Dass die AfD demnächst in ostdeutschen Bundesländern regieren könnte, sei nicht mehr unwahrscheinlich, betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Möglicherweise fällt erst dann auf, dass sie keine Antworten hat, geschweige denn Lust, um die besten Lösungen für komplizierte Probleme zu ringen. Das wäre aber reichlich spät. Die anderen Parteien dürfen es so weit nicht kommen lassen. Es sind ihre Fehler, die die AfD immer größer werden lassen. Wählerbeschimpfung und Warnungen vor Rechtsextremismus helfen nicht weiter. Die anderen, in erster Linie die Parteien der Ampel-Koalition, aber auch die Union, müssen zeigen, dass sie handeln und Probleme lösen können", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) bewertet das Umfrageergebnis wie folgt: "So erschreckend die Erkenntnis ist, dass so viele Menschen kein Problem mit den immer extremeren Positionen der AfD haben: Als Zeichen für einen Rechtsruck im Land dienen die 18 Prozent nicht zwangsläufig. Eine Stimme aus Überzeugung würden der AfD nur ein Drittel ihrer eigenen Anhänger geben - der Rest ist 'nur' unzufrieden mit den anderen Parteien. Hier schlummert eine Menge Potenzial an Wählern, die vom rechten Rand in die politische Mitte zurückgeholt werden können", stellt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG heraus.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt zu den Sozialdemokraten: "Migration, Klima, Energie, Wirtschaft, Bau, Sicherheit - in keinem dieser zentralen Politikfelder konnte die SPD bislang Erfolge oder auch nur Akzente vorweisen, die aufhorchen lassen. Ausnahme ist die Verteidigung, aber auch nur deshalb, weil durch Boris Pistorius Schlimmeres verhütet wurde. Auch der CDU, erst recht Grünen und Liberalen, fehlt das Gespür dafür, wie die Themen anzusprechen sind, die der Protestpartei derzeit in die Karten spielen", befindet die FAZ.
Das HANDELSBLATT äußert sich zu der bisherigen Arbeit des Kanzlers: "Nach gut eineinhalb Jahren im Amt lässt sich festhalten: Scholz hat doppelt überrascht, im Positiven wie im Negativen. In der Außenpolitik hat Scholz nach anfänglichem Zurechtruckeln zu einer stringenten Strategie gefunden und zuletzt einige beachtliche Erfolge erzielt. In der Innenpolitik agiert der Kanzler dagegen oft kopflos, präsentiert handwerklich schlechte Gesetze, was inzwischen zu einer großen Verunsicherung führt. Eine Verunsicherung, die sich zu einer Krise des Parteiensystems auszuwachsen droht", befürchtet das HANDELSBLATT.
Themenwechsel. Die WIRTSCHAFTSWOCHE geht ein auf den Vorschlag der Wehrbeauftragten des Bundestages, Högl, die Musterung wieder einzuführen. Dies sei ein verzweifelter Versuch, "sich politisch einer allgemeinen Dienstpflicht zu nähern – durch die Hintertür der Kasernen-Praxis sozusagen. Und damit irgendwie doch noch wenigstens die ein oder andere Rekrutin für die schmerzhaft unterbesetzte Bundeswehr zu gewinnen. Bringen wird das kaum etwas. Högl hat in ihrem aktuellen Wehrbericht doch selbst die wahren Hindernisse angesprochen, die junge Erwachsene fernhalten: schimmelige Duschen, marode Kasernen, zu viel Alkohol, sexuelle Übergriffe, rechter Korpsgeist an der Basis. Natürlich: Das alles ist nicht die Bundeswehr, aber es existiert eben in der Bundeswehr – und das schreckt bislang offenkundig ab", meint die WIRTSCHAFTWOCHE.
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg ist sich sicher: "Es wird keine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht geben. Dazu fehlt es an Infrastruktur, Ausbildern und Bedarf. Die Musterung käme einer gigantischen Werbekampagne gleich - inklusive ausufernder Bürokratie. Und das auf Kosten der Steuerzahler."
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem der DONAUKURIER gehört, fragt: "Hat Frau Högl mal eine Musterung gemacht? Eine Werbeveranstaltung für die Bundeswehr war das nicht. Nicht mal der Bezug wurde dabei klar. Und wenn man darauf hingewiesen wurde, dass Plattfüße sich ungünstig auf Märsche in voller Montur auswirken, war das auch keine Empfehlung für den Dienst. Högl will, dass man danach gefragt wird, ob man sich freiwillig in der Bundeswehr engagieren wolle. Man kann sich vorstellen, wie die Antwort nach dieser Gängelung meist ausfällt: Nichts wie weg", schätzt der DONAUKURIER.
Nun noch Stimmen zum umstrittenen Gesetz in Polen zu russischer Einflussnahme. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Es ist kein Wunder, dass die Menschen in Polen gegen das 'Lex Tusk' der nationalkonservativen PiS-Regierung auf die Straße gehen wollen. Schließlich will die polnische Regierung mit russischen Methoden die politische Opposition ausschalten, indem sie angeblich untersuchen lassen will, wer zwischen 2007 und 2022 unter dem Einfluss russischer Einflussnahme stand. Tatsächlich ermöglicht das Regelwerk Politiker wie den ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk als aussichtsreichen Kandidaten für die Wahl im Herbst zu diskreditieren und ihn jahrelang für politische Ämter zu sperren. Brüssel und Washington sollten dies undemokratische Vorgehen und den weiteren Abbau von Rechtsstaatlichkeit nicht nur öffentlich kritisieren, sondern auch hinter den Kulissen den Druck mächtig erhöhen", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Auch die TAGESZEITUNG thematisiert die Proteste in Polen: "An diesem Wochenende findet in Warschau ein großer Marsch der Opposition statt. Er wird von Donald Tusk organisiert, und die Wahl des Datums ist kein Zufall. Die neue Gesetzgebung dürfte der Veranstaltung und der Opposition, die seit Jahren gespalten und nicht sehr ideologisch ist, Rückenwind verschaffen. Vielleicht werden die Menschen wieder den Enthusiasmus entdecken und die Hoffnung, die einst zum Fall des Kommunismus führten", spekuliert die TAZ zum Ende der Presseschau.