09. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden der andauernde Etatstreit in der Ampelkoalition und die weltweiten Waldbrände. Doch zunächst geht es um den Appell des ukrainischen Präsidenten nach den Überschwemmungen durch den zerstörten Kachowka-Staudamm.

Ein Mann und eine Frau sitzen mit ihrem Hund in einem Boot und werden aus ihrem Stadtteil in Sicherheit gebracht.
Anwohner von Cherson werden mit einem Boot aus einem überfluteten Stadtteil evakuiert. (LIBKOS / AP / dpa / LIBKOS)
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG führt aus: "Dass Wolodymyr Selenskyj nun mehr und schnellere Hilfe zur Versorgung der Menschen in den überfluteten Gebieten fordert - nun, man hat sich an dergleichen aus Kiew gewöhnt. Die alliierten Staaten tun, was sie können – und was ihre Bevölkerungen bereit sind mitzutragen. Ob die Wassermassen auch die Lage auf dem Schlachtfeld verändern können, ist offen. Leichter wird die inzwischen angelaufene Gegenoffensive der ukrainischen Armee im Kampf gegen die russischen Eindringlinge sicher nicht. Egal wer für die Zerstörung der Staumauer letztlich verantwortlich ist – tatsächlich sind die Schuldzuweisungen zwischen den Kriegsparteien wechselseitig und die Hintergründe bislang völlig ungeklärt", notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt fest: "Aus der Frühjahrs- ist längst eine Sommeroffensive geworden, der Vorstoß über den Dnipro nun unmöglich, denn die einzige infrage kommende Brücke liegt in Trümmern. Und die Flut bindet auf Monate Menschen, Finanzen, Material. Angesichts der fast biblischen Szenen von verwüsteten Leben, Städten, Feldern aus Cherson bleibt die Frage, ob dem Bilder-Zauberer Selenskyj noch einmal eine ähnliche Solidarisierungswelle in der westlichen Öffentlichkeit gelingt wie im ersten Kriegsjahr. Danach sieht es nicht aus. Nach der Explosion dieses Staudamms denkt man mit Unbehagen an andere Dämme wie jenen des 110 Kilometer langen Stausees nördlich von Kiew. Würde er brechen, wären die Verheerungen um ein Vielfaches größer als in Cherson – und die Hauptstadt wohl unbewohnbar", befürchtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gibt zu bedenken: "Wäre der Dammbruch am Dnipro eine Naturkatastrophe in einem Land im Frieden, wären gleich nach dem Geschehen internationale Hilfsaktionen angelaufen. Retter aus den Nachbarländern wären in die betroffenen Gebiete aufgebrochen, Hilfsgüter wären auf dem Weg, um die Bevölkerung mit Unterkünften, Medikamenten, Lebensmitteln und Trinkwasser zu versorgen. Unter dem Beschuss der russischen Angreifer ist schnelle Hilfe aus dem Ausland für die Menschen im Überschwemmungsgebiet indes nur schwer möglich. In den von der Ukraine vorigen Herbst befreiten Gebieten nördlich des Dnipros gibt es aber immerhin wieder einen Staat, der sich um seine Bürger kümmert. Die Besatzer und ihre Kollaborateure in den von Russland kontrollierten Gebieten südlich des Dnipros dagegen spielen das Ausmaß der Katastrophe herunter - und überlassen die Menschen im Überschwemmungsgebiet ihrem Schicksal", vermerkt die FAZ.
Leider sei kaum noch etwas von den Friedensinitiativen zu hören, moniert die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "China hat lediglich halbherzig ein Papier verfasst und einen Diplomaten nach Kiew und Moskau geschickt. Der brasilianische Präsident Lula da Silva ließ seiner Ankündigung kaum Taten folgen. Dabei hätten China, Brasilien und Indien zusammen mit anderen Staaten durchaus die Mittel, um mit den US-geführten Europäern Putin und Selenskyj dazu zu bringen zu verhandeln. Doch noch gibt es keine derartige Kooperation. Deutschland, die anderen EU-Staaten und die USA werden die Ukraine weiter unterstützen mit Waffen, Geld und eben allem, was nötig ist. Das Bündnis sollte aber auch zugleich nichts unversucht lassen, das Ende des Krieges herbeizuführen", empfiehlt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Themenwechsel. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg äußert sich zum andauernden Etatstreit in der Ampelkoalition: "Olaf Scholz und Christian Lindner führen die Haushaltsgespräche fürs kommende Jahr jetzt gemeinsam mit den Fachministern. Diese haben, indem sie Lindners Vorgaben nicht akzeptieren wollten, dem Finanzminister zu erkennen gegeben: 'Du hast zwar das Amt, aber du hast nicht die Autorität'. Dass die Etatverhandlungen schwierig werden würden, war klar. Das Land steckt in der Rezession, es gibt viele berechtigte Ausgabenwünsche. Dass Lindner auf das Einhalten der Schuldenbremse beharrt, ist richtig. Die Ampel hat sich für die Bewältigung der Energiekrise wie das Sondervermögen für die Bundeswehr zusätzliches Geld am Haushalt vorbei besorgt. Jetzt auch die Schuldenbremse auszusetzen, wäre zu viel. Anders sieht es bei Steuererhöhungen aus. Nur: Die FDP wird sich hier nicht bewegen", erwartet die BADISCHE ZEITUNG.
Das FREIE WORT aus Suhl wendet ein: "Die Minister könnten dem Haushalt auch ohne den Kanzler zustimmen. Dass sie es nicht tun, zeigt: Sie wollen Lindner vorführen und, zumindest ein bisschen, quälen. Dieses Bedürfnis dürfte damit zu tun haben, dass auch die FDP jeden Streit in der Koalition ohne Rücksicht auf Verluste der anderen ausreizt, wenn sie sich nur minimal etwas davon verspricht. Die Legislaturperiode ist noch nicht mal zur Hälfte vorbei. Doch spielen in der Ampel alle auf eigene Rechnung, als wäre es schon das Wahljahr. Das ist jämmerlich", urteilt das FREIE WORT.
Eigentlich müssten die jüngsten Konjunkturzahlen eine Warnung für Finanzminister Lindner sein, schreibt die Zeitung ND.DER TAG: "Die deutsche Wirtschaft rutschte in die Rezession, weil auch der Staat – neben den privaten Haushalten – weniger Geld ausgab. Doch statt zu einer vernünftigen, wachstumsorientierten Finanzpolitik umzuschwenken, hält der Bundesfinanzminister und FDP-Chef an seinem Spardiktat fest. Dass Christian Lindner als Finanzminister zum Bremser werden würde, war schon bei den Ampel-Koalitionsverhandlungen absehbar. Auf der einen Seite hat er nicht genügend Macht, eine große Steuerreform nach seinen Vorstellungen durchzusetzen; auf der anderen Seite kann er alle möglichen Projekte der Koalitionspartner mit dem Verweis auf den Finanzierungsvorbehalt blockieren. Doch bringt Lindner das nichts", argumentiert ND.DER TAG.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG sieht eine Ursache für den andauernden Zwist beim Wirtschaftsminister: "Dass Scholz eingreifen muss, hat auch viel mit Habecks fehlender Durchsetzungskraft bei den Grünen zu tun. Allerdings geht es ohne die Grünen eben auch nicht, sie sind immerhin der zweitgrößte Koalitionspartner. Lindner muss den Grünen entgegenkommen. In der Sache sollte sich die Koalition nun endlich und sehr rasch bis zur parlamentarischen Sommerpause auf einen ausgeglichenen Haushalt einigen. Das Machtspiel der Parteien muss beendet werden. Fünf Milliarden Euro in einem Gesamtbudget von über 400 Milliarden Euro zu streichen, sollte auch in schwierigen Zeiten möglich sein", findet die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Nun noch Stimmen zu den weltweiten Waldbränden. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG beobachtet: "Allein in diesem Jahr brachen – auch im globalen Maßstab betrachtet – verheerende Feuer in Wäldern Kanadas, Chiles, Colorados oder Südfrankreichs aus. Nicht zu vergessen die 665 Hektar, die derzeit in Jüterbog, südlich von Berlin, in Flammen stehen. Selbst wenn die vielen Krisen, die uns derzeit bewegen – vom Ukraine-Krieg bis zum Ampelstreit in Berlin –, einmal gelöst sind: Dem Klimawandel werden wir darüber hinaus etwas entgegensetzen müssen. Nämlich kontinuierliche Friedensangebote an die Natur", mahnt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
DER TAGESSPIEGEL beobachtet: "Seit Jahren schon sind die Waldbrände zum stetigen Begleiter im Sommer geworden. Dass der Klimawandel dabei eine entscheidende Rolle spielt, muss längst jedem klar sein. Doch die bedrohlichen Bilder sollten nicht in Katastrophenszenarien münden. Vielmehr geht es um die Frage, was getan werden kann und muss. Zuerst einmal geht es um Anpassung. Eine ganze Reihe von Maßnahmen sind hier möglich, angefangen vom Waldumbau über den Brandschutz bis hin zum Ausbau der nötigen Infrastruktur zur Brandbekämpfung. Anpassung allein reicht aber nicht. Die wichtigste Maßnahme ist natürlich konsequenter Klimaschutz, so schwer uns das auch fällt." Das war zum Ende der Presseschau ein Auszug aus dem TAGESSPIEGEL.