19. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

In der Schweiz hat sich eine Mehrheit des Volks in einem Referendum für ein neues Klimaschutzgesetz ausgesprochen - das ist ein Thema. Zunächst aber nach Deutschland. Sowohl die Grünen als auch die CDU haben kleine Parteitage abgehalten. Bei den Grünen ging es vor allem um den Asylkompromiss der EU.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock spricht auf dem Länderrat der Grünen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock spricht auf dem Länderrat der Grünen. (Boris Roessler / dpa )
"Die Grünen und Menschenrechtsgruppen stehen in der Asyl- und Flüchtlingsdebatte auf verlorenem Posten", schreibt die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz und meint: "Es zeugt von Reife, dass die Partei sich dieser Realität bei ihrem kleinen Parteitag in Bad Vilbel gestellt hat. Ja, man will im weiteren Verfahren in der EU um Verbesserungen im eigenen Sinne ringen. Aber nein, man kreuzigt das eigene Spitzenpersonal nicht, wenn es in Brüssel um diese Verbesserungen vergeblich kämpft."
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG findet: "Der Asyl-Streit war nicht verwunderlich. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem hat mit den Grundwerten der Partei nichts zu tun. Die Grünen willigen in eine Politik ein, die auf weniger Flüchtlinge zielt. Eine andere Politik ist in Europa nicht mehrheitsfähig. Das ist für die Grünen die harte Wahrheit, der sie sich beugen müssen. Überhaupt gilt: Die Realität der Regierungsbeteiligung verändert die Partei stärker, als die Grünen die Realität verändern", beobachtet die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle (Saale).
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN vermerken: "Eine Mehrheit der Grünen setzt - nun erst - unter Schmerzen auf Kompromisse. Denn es geht der Partei ungefähr wie Deutschland in der EU: Die schönsten Ideale nützen ohne Mehrheit nichts. Daher gerät unter Druck, wer seine Ziele zu forsch als die einzig richtigen erklärt und sie mit der Brechstange umsetzt."
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER sieht es so: "Alles noch mal gut gegangen beim Asylstreit der Grünen, werden viele sagen. Doch so einfach ist es nicht. Denn das Ringen um die Verschärfung der Zuwanderungsregeln für Flüchtlinge zeigt wieder einmal, dass sich die Grünen eben nicht als Volkspartei aufstellten. Sie nehmen nur ihre bisherige Wahlklientel und deren Interessen in den Blick. Beim Parteitag ist immer nur von der Not der Flüchtlinge die Rede und der Notwendigkeit, ihnen zu helfen. Von der Not der Kommunalpolitiker kein Wort. Sie schlagen schon seit langem Alarm und warnen vor einer Überforderung. Die Grünen verkennen, dass es eine humanitäre Flüchtlingspolitik nur geben kann, wenn das die breite Bevölkerung mitträgt", analysiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die WELT verweist auf ein anderes Thema: "Beim Heizungsgesetz – und nicht beim Asyl – liegt das derzeit gravierendste Problem der grünen Partei. Sie steht vor der Aufgabe, ihre Klimapolitik bürgerkompatibel neu zu bestimmen. Es ist kein gutes Zeichen, dass auf der geschäftigen Veranstaltung in Bad Vilbel niemand diesen Elefanten im Raum wahrgenommen hat."
Nun zum kleinen Parteitag der CDU. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU findet: "Die CDU sucht zu Recht Inhalte. Während der Merkel-Ära sind ihr viele abhandengekommen. Die Akw sind abgeschaltet, die Wehrpflicht de facto abgeschafft. Deshalb wissen viele in und außerhalb der Partei nicht mehr, wofür die steht. Doch im Unterschied zu anderen ist für die C-Partei ein Grundsatzprogramm mit Sachthemen nicht so entscheidend. Wichtiger ist eine Führungsperson mit Machtoption. Davon sind die Schwarzen weit entfernt", konstatiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Das STRAUBINGER TAGBLATT vermerkt zum Parteivorsitzenden: "Für viele ist Friedrich Merz ein Mann der 1990er-Jahre, sie können und wollen ihn sich schlichtweg nicht als Kanzler vorstellen. Das darf die Partei nicht ignorieren. Anderen Führungsfiguren, Ministerpräsident Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen etwa, vertrauen die Leute mehr. Er ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und hätte als Kanzlerkandidat gewiss die besseren Chancen. Und er käme eher mit den Grünen aus, ohne die eine künftige Regierung, abgesehen von der ungeliebten großen Koalition, schwer vorstellbar ist", glaubt das STRAUBINGER TAGBLATT.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG sieht es so: "Die CDU hat ein Händchen dafür, sich selbst die Show zu stehlen. Die Standortbestimmung von Wüst in Form eines Gastbeitrags in der F.A.Z. hat den Eindruck verstärkt, dass der CDU-Politiker jetzt offensiv ein Gegenangebot zu Parteichef Merz aufbaut. Wüst nutzt dabei eine Schwäche des CDU-Chefs: Merz' undeutliche Haltung. Will er schrillere Töne oder nicht? Muss die Partei Maximalopposition sein oder kann sie der Ampel auch die Hand reichen? Möchte er einen Mittekurs oder einen konservativen Weg einschlagen? Friedrich Merz hat sich wohl selbst noch nicht entschieden", stellt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG fest:
Das HANDELSBLATT beobachtet: "In den Umfragen stagniert die CDU, während sich im Angesicht von Krisen, Krieg und Chaos in der Bundesregierung Protest über die AfD Luft verschafft. Ab und an als Oppositionsführer in Berlin wie die Rechtspopulisten mit dem Holzhammer und nicht nur mit dem Florett zu argumentieren, ist durchaus in Ordnung. Doch gehört dazu, im nächsten Atemzug ein Angebot für eine Lösung zu unterbreiten. Das unterscheidet den Gestaltungspolitiker vom gemeinen Populisten. Danach sucht die Partei noch", unterstreicht das HANDELSBLATT.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN beschäftigen sich mit der Positionierung der CDU zur AfD: "Die Frage geht mächtig um in der Partei: Soll man mehr Populismus wagen, das Vokabular der Rechtsaußen etwa im Kulturkampf gegen das Gendern und einer inklusiven Gesellschaft lustvoll übernehmen? Oder soll man im Gegenteil stocknüchtern und sachlich Probleme lösen? Merz hat hier keine Position bezogen: Vermutlich, weil er kein Lager in der Partei verärgern will. Vielleicht auch, weil er tatsächlich keine Antwort hat. Keine der Alternativen spricht für ihn." So weit die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
Nun zur Schweiz, wo per Referendum das Ziel festgelegt wurde, als Land bis 2050 klimaneutral zu werden. Die RHEINPFALZ meint: "Die Schweizer haben einmal mehr ihren Pragmatismus unter Beweis gestellt. Sie stimmten mit großer Mehrheit für ein neues Gesetz, das wichtige Bausteine für eine klimafreundliche Zukunft beinhaltet. Die Schweizer Regierung, die sich für das 'Klima- und Innovationsgesetz' eingesetzt hatte, geht gestärkt aus der Abstimmung hervor. Sie überzeugte die stimmberechtigten Eidgenossen von der Notwendigkeit, sich schrittweise von fossilen Energieträgern zu verabschieden. Dabei verzichtete Bern ausdrücklich darauf, den Verbrauch von Öl, Gas, Diesel und Benzin zu verbieten. Der Ausstieg soll sich über lange Zeiträume erstrecken und wird somit auch für Haushalte mit kleinen Geldbeuteln erschwinglich. Damit setzen sich die Eidgenossen wohltuend vom Gezerre über das sogenannte Heizungsgesetz in Deutschland ab", betont die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt etwas allgemeiner auf das Thema und erklärt: "Populisten verunglimpfen Klimapolitik als grünes Elitenprojekt. Die Schweizer haben den Mythos widerlegt und mit deutlicher Mehrheit dafür gestimmt, dass ihr Land bis 2050 klimaneutral wird. In der Schweiz gibt es, wie in Deutschland, im Grundsatz eine Mehrheit für die Klimawende. Das darf aber nicht mit einem Freibrief für radikalen Klimaschutz verwechselt werden. Denn sobald es für die Bürger konkret und teuer wird, ist die Zustimmung akut gefährdet. In Deutschland wurde der Widerstand gegen Robert Habecks Heizungsgesetz so groß, dass er es deutlich umschreiben musste. Klar ist: Klimapolitik wird niemals ein Wohlfühlprojekt für die Bevölkerung werden. Der fundamentale Konflikt zwischen individuellem kurzfristigen Nutzen und kollektiver Wohlfahrt ist in ihr angelegt. Allen muss klar werden, dass Klimapolitik auf Dauer nicht gegen den Willen der Mehrheit gelingen kann. Sie muss deshalb besonders gut gemacht und kommuniziert werden. Die Populisten warten nur auf Fehler, die die Mehrheit kippen lassen."