20. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Darin unter anderem Stimmen zu den heutigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen und zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den in diesem Jahr Salman Rushdie erhält. Zu Beginn jedoch einige Kommentare zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, auf das sich die Ampelkoalition nun geeinigt hat.

Zwei vietnamesische Arbeiterbei ihrer Ausbildung zu Mechatronikern in Chemnitz
Vietnamesische Arbeiter bei ihrer Ausbildung zu Mechatronikern in Chemnitz (dpa / picture-alliance / Hendrik Schmidt)
Das STRAUBINGER TAGBLATT zeigt sich skeptisch: "Die Reform allein wird hoch qualifizierte und international vernetzte Leute noch längst nicht in Scharen ins Land locken. Junge Spitzenkräfte aus Asien, Afrika oder Lateinamerika, die sich aussuchen können, wo ihre Zukunft liegt, wägen genau ab. Sie wissen etwa, dass Deutschland seiner arbeitenden Bevölkerung so hohe Steuern und Abgaben abverlangt, wie kaum ein anderes Land. Das hat in der Vergangenheit nicht unbedingt abgeschreckt. Denn der Gegenwert stimmte. Wer nach Deutschland kam, erwartete gute Infrastruktur, verlässliche Behörden, umfassende medizinische Versorgung und hochwertige, kostenlose Bildung für den Nachwuchs. In all diesen Bereichen haben sich die Verhältnisse im Land zuletzt, nun ja, nicht unbedingt erfreulich entwickelt", stellt das STRAUBINGER TAGBLATT fest.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE sieht es ähnlich: "Computerspezialisten, Pflegekräfte, Ingenieurinnen oder bestimmte Handwerker werden heute weltweit umworben. Im Rest der Welt bleibt nicht verborgen, dass Deutschland aktuell einige Baustellen hat. Wenn die erledigt sind, dann klappt es auch mit den Fachkräften besser. Doch das sind dicke Bretter, einfache Lösungen gibt es nicht" befürchtet die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
DIE TAGESZEITUNG aus Berlin begrüßt die Einigung der Regierungsparteien beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz: "Anders als etwa beim Gebäudeenergiegesetz haben die drei Ampelfraktionen mit dem Fachkräftegesetz vergleichsweise geräuschlos und effektiv das erarbeitet, was Deutschland jetzt braucht. Der neue Entwurf, der wohl schon in dieser Woche vom Bundestag beschlossen wird, enthält viele sinnvolle, teils überfällige Verbesserungen: So sollen etwa die bürokratischen Hürden abgesenkt werden, die viele ausländische Fachkräfte bisher von Deutschland fernhalten. Und auch das geplante Punktesystem ist eine gute Idee", urteilt die TAZ.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU legt ihr Augenmerk auf ein anderes Problem: "Unterstellt, ausländische Arbeitskräfte würden deutsche Türen einrennen, und künftig den deutschen Wohlstand mehren, lohnte ein Blick auf die Kehrseite. Natürlich ist eine regulierte Migration besser als eine unregulierte. Vielleicht kommen nun immer weniger Menschen auf den mörderischen Fluchtrouten zu uns. Möglicherweise aber bauen wir uns gerade eine schöne heile Migrationswelt, in der nützliche Ausländer in unser deutsches Töpfchen dürfen, die anderen aber im Kröpfchen vergessen werden, in den Lagern vor den Grenzen unserer Festung Europa", gibt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus zu bedenken.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU geht auf die Bundesinnenministerin ein, die bei einem Besuch in Tunesien für mehr Kooperation in der Migrationspolitik geworben hat: "Nancy Faeser ist mit ihrem französischen Amtskollegen in Tunesien unterwegs, um ein Rücknahmeabkommen zu schließen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die postfaschistische italienische Regierungschefin Giorgia Meloni waren kurz zuvor da. Es besteht die Gefahr, dass auch bei den Rücknahmeabkommen Europa mal wieder mehr Symbole setzt, als real erreicht werden kann. Europa sollte nicht gegenüber den flüchtenden Menschen, sondern gegenüber den Regierungen der Herkunftsländer härter auftreten", appelliert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Zeitung ND.DER TAG macht Faeser im Zusammenhang mit der Tunesien-Reise harte Vorwürfe - das Blatt analysiert: "Rassistische Kommentare des tunesischen Präsidenten Kais Saied haben im Februar Pogrome und Repressalien gegen tausende Geflüchtete aus Subsahara-Staaten ausgelöst. Ein drastischer Anstieg halsbrecherischer Überfahrten in eilig zusammengeschweißten Blechwannen nach Europa war die Folge. Hunderte bezahlten diesen staatlichen Rassismus bereits mit dem Tod. Bei Faesers Reise nach Tunesien hat auch das dortige Verbindungsbüro der Bundespolizei auf diese Zusammenhänge hingewiesen. Trotzdem kündigt die SPD-Politikerin die weitere Ausrüstung und Ausbildung der Fußtruppen des Präsidenten an. Dafür fordert Faeser jetzt einen Preis: Tunesien soll vermehrt abgelehnte Asylsuchende aus Deutschland zurücknehmen. Davon betroffen sind vor allem jene schwarzen Geflüchteten, die jüngst aus dem Land gejagt wurden. Das ist blanker Rassismus einer Innenministerin, die ansonsten gern das Gegenteil zur Schau stellt", kritisiert ND.DER TAG.
Themenwechsel. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht vor den heutigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen Handlungsbedarf - denn: "Die China-Politik unter Kanzlerin Angela Merkel war von beachtlicher Konzilianz geprägt - manche sagen auch 'Naivität'. So ist man in eine bemerkenswerte Abhängigkeit geschlittert, bei wichtigen mineralischen Rohstoffen, Medikamenten und zahlreichen Vorprodukten. Das muss die Ampel korrigieren. Das Konzept 'Harmonie durch Handel' hat sich als nicht tragfähig erwiesen, das zeigt das Beispiel Russland. Deutschland muss das als Warnung verstehen, es mit China in Zukunft vorsichtiger anzugehen", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG verweist dagegen auf die Abhängigkeiten zwischen beiden Ländern: "Die deutsche Autoindustrie braucht China als Absatzmarkt. Deutschland ist auf chinesische Rohstoffe angewiesen. Jede und jeder kann mal schauen, was in der eigenen Wohnung alles fehlt, wenn Produkte 'Made in China' aussortiert werden. Zu all diesen wirtschaftlichen Problemen kommt noch die große Menschheitsfrage hinzu: Der Kampf gegen den Klimawandel ist ohne die Kooperation Chinas nicht zu gewinnen."
In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) heißt es: "Zunächst gilt das alte deutsche Motto weiter: Es kann nicht schaden, im Gespräch zu bleiben. Gerade, wenn es um das Thema Klimarettung geht, das diesmal im Zentrum der Gespräche steht. Darüber hinaus bemüht Kanzler Olaf Scholz immer wieder das Schlagwort vom 'De-Risking', der Risikoverminderung in der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Deutschlands größtem Handelspartner; so viel hat man aus der Erfahrung mit Russland gelernt", ist die MÄRKISCHE ODERZEITUNG überzeugt.
Abschließend noch zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG lobt die Vergabe an den britisch-indischen Schriftsteller Salman Rushdie und zitiert aus der Begründung des Stiftungsrats: "Dass Rushdie jetzt als 'einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache' mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, kann gar nicht wichtig genug genommen werden. Weil er, dessen mannigfaltiges OEuvre bis zum jüngst erschienenen Roman 'Victory City' staunen lässt, sein Lebensthema – den Kampf für Meinungsfreiheit und gegen Fanatismus – bis heute ebenso furchtlos wie entschlossen verfolgt. Die Friedenspreisjury hat eine brillante Wahl getroffen. Und Mut bewiesen. Dass sich die Schwedische Akademie bislang nicht getraut hat, Salman Rushdie den Nobelpreis zu verleihen, ist skandalös", meint die F.A.Z.
"Eigentlich hätte er den Literaturnobelpreis verdient. Schon lange", findet auch die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg. "Aber da der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels die höchste Auszeichnung ist, die hierzulande an einen ausländischen Literaten vergeben werden kann, ist die Vergabe an Salman Rushdie selbstverständlich die beste Entscheidung, die getroffen werden konnte. Und das Nobelpreiskomitee kann ja unabhängig davon überlegen, ob es in Bezug auf den britischen Autor, Weltbürger, Humanisten und hervorragenden Schreiber nicht doch etwas nachzuholen hat." Mit diesem Zitat aus der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG endet die Presseschau.