
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm meint: "Mitleid für Strafgefangene ist in der Bevölkerung in der Regel nur schwach ausgeprägt – ginge es danach, wäre ein Vollzug bei 'Wasser und Brot' gerade recht. Entsprechend wenig Gedanken machen sich Politiker. Mit der Parole 'faire Behandlung für Mörder und Knackis' geht niemand auf Wählerfang. So ist es mal wieder Job der Verfassungsrichter, in deutschen Gefängnissen die Maßstäbe zu setzen – und die lächerliche Vergütung für arbeitende Häftlinge zu rügen", kritisiert die SÜDWEST PRESSE.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE sieht das ähnlich: "Häftlinge arbeiten in manchen Bundesländern unter verfassungswidrigen Umständen, haben teilweise kaum Kontakt zu Personen außerhalb der Gefängnismauern und sind stärker von psychischen Erkrankungen betroffen als die Allgemeinbevölkerung. Als Staat und als Gesellschaft darf man diese Fakten nicht unter den Tisch kehren."
"Es war überfällig, dass Karlsruhe nun festgestellt hat, dass auch diese Form der Arbeit wertgeschätzt werden muss", heißt es in der Zeitung ND. DER TAG aus Berlin. "Dazu gehört ein angemessener Lohn, der sich am Mindestlohn orientieren sollte. Aber nicht nur der Stundenlohn sollte steigen, auch die 'nichtmonetären' Komponenten müssen sich verbessern, wie die Anrechnung der Arbeit für freie Tage oder Urlaub in der Haft oder auch die frühere Haftentlassung. Für die 42.000 Strafgefangenen in Deutschland bedeutet das Karlsruher Urteil nicht das Ende ihrer Zwangsarbeit oder gar des Gefängnissystems. Aber es ist ein erster Schritt zu mehr Anerkennung."
"Gerechtigkeit hat Grenzen", formuliert dagegen die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Die Inhaftierten müssen weder Miete noch Heizung, Strom, Essen oder Betreuung bezahlen. Die Arbeit dient hier nicht in erster Linie dem Broterwerb, sondern der Resozialisierung. Insofern ist das Urteil aus Karlsruhe hilfreich. Es fordert zwar angemessene Anerkennung, zeichnet aber auch vor, dass die Entlohnung nicht nur in Form von Geld erfolgen kann. Bleibt die Warnung davor, dass viele Inhaftierte wenig in die Rentenversicherung einzahlen. Hier ist abzuwägen: Soll wirklich noch mehr Steuergeld in den sowieso schon teuren Betrieb einer JVA fließen, damit Straftäter im Sinne einer gesellschaftlichen Vollkaskomentalität besser abgesichert werden? Oder liegt es am Ende nicht auch in der Verantwortung jedes Einzelnen, Entscheidungen für sein Leben zu treffen und mit den Konsequenzen zu leben?", gibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG zu Bedenken.
Zum nächsten Thema. In Berlin sind die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zu Ende gegangen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bewertet die Abschlusspressekonferenz folgendermaßen: "Es war schon auffällig, welche unterschiedlichen Schwerpunkte der chinesische Ministerpräsident und der deutsche Bundeskanzler bei ihrem öffentlichen Auftritt im Berliner Kanzleramt setzten. Li Qiang ließ erkennen, dass er Deutschland vor allem als wirtschaftlichen Partner betrachtet. Scholz dagegen ging eine typisch deutsche Themenliste durch, vom Klimaschutz über die Ukraine bis zu den Menschenrechten. Da kommen schon recht unterschiedliche Erwartungen an die bilateralen Beziehungen zum Ausdruck, obwohl der Grundton des Treffens ein freundlicher war. Dass Li mit keinem Wort auf Russland und den Krieg einging, obwohl Scholz ihn um Einflussnahme bat, zeigt noch einmal, dass man nicht allzu große Hoffnungen auf eine chinesische Vermittlung setzen sollte", mahnt die FAZ.
In der NÜRNBERGER ZEITUNG ist zu lesen: "Kanzler Scholz zählte, bevor er sich mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang traf, vor der Industrie öffentlich auf, worum es bei den Beziehungen geht: Er warnte China vor gewaltsamem Agieren gegen Taiwan. Er zeigte sich stolz auf eine, allerdings für den Steuerzahler sehr teure, Großinvestition des amerikanischen Chipherstellers Intel in Deutschland, und er forderte die Industrie auf, das Ihre zu tun, um ihre Abhängigkeiten zu diversifizieren. Wie zum Ausgleich bestellt, kam aber gleichzeitig endgültig der Fuß des chinesischen Konzerns Cosco in das Tor zur Welt, den Hamburger Hafen. Klingt erst einmal gut, aber einige Seitenaspekte lassen aufhorchen. Scholz hat es versäumt, die Regierungskoalitionen von Anfang an zu europäisieren, obwohl der Wille offenbar im Kabinett vorhanden war." Soweit die NÜRNBERGER ZEITUNG.
"Noch gibt es sie nicht, die China-Strategie der Bundesregierung. Aber wenn man die Regierungskonsultationen zum Maßstab nimmt, dann wird sie plüschig ausfallen, mit kleinen Kanten" beobachtet der KÖLNER STADT-ANZEIGER. "Gewiss, der Kanzler flocht Kritik in sein Statement beim Auftritt mit Li Qiang. Aber Scholz blieb dabei vorsichtig, tastend. Scholz drängte zwar auf Pressefreiheit in China, Journalistenfragen waren nach den Statements allerdings nicht zugelassen – eine Ironie sondergleichen. Konfliktvermeidung ist allerdings kein Wert an sich. Deutschland muss seine Maßstäbe klar benennen. Wenn es darum geht, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu vermindern, braucht es Ansagen, um Unternehmen von neuen Wegen zu überzeugen. Die China-Strategie muss all dem Rechnung tragen. Und den Plüsch am besten weglassen", fordert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Auch das STRAUBINGER TAGBLATT kritisiert den Umstand, dass Journalisten bei der Abschlusspressekonferenz keine Fragen stellen durften: "Natürlich: China ist ein bedeutender Wirtschaftspartner, auf den Deutschland nicht verzichten kann, und wird zur Lösung globaler Probleme wie dem Klimaschutz gebraucht. Doch in Peking regiert ein Unrechtsregime, das immer aggressiver auftritt. Es ist bedauerlich, dass nun auch noch der Eindruck erweckt wurde, der Bundeskanzler lasse sich von China die Regeln für den Umgang mit den Medien diktieren."
Der SÜDKURIER aus Konstanz fragt: "Kann das Zufall sein? Bundeskanzler Scholz empfängt den chinesischen Regierungschef in Berlin, um eine engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsmacht China zu vereinbaren. Zugleich warnt der Verfassungsschutz vor den Risiken und Nebenwirkungen des Zusammenrückens. Die Dienste hätten dem Kanzler auch gleich ins Stammbuch schreiben können: Bitte bloß keine Naivität."
Damit sind wir beim letzten Thema der heutigen Presseschau, dem neuesten Bericht des Bundesverfassungsschutzes, in dem es nicht nur um den Einfluss Chinas ging. Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen konstatiert: "Hört man Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang zu, kann einem angst und bange werden. Da sind die Rechtsextremisten, die immer mehr werden. Da sind die Linksextremisten, die viel gewaltbereiter auftreten. Hinzu kommen die sogenannten Reichsbürger, aus deren Szene heraus wohl sogar Umsturzpläne geschmiedet wurden. Dennoch: Der befürchtete 'Winter der Wut' ist ausgeblieben. Die simplen Parolen der Rattenfänger verfangen bei der großen Mehrheit der Bevölkerung offensichtlich nicht so leicht. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung erweist sich trotz aller Anfeindungen von innen als widerstandsfähig", zeigt sich die RHEINPFALZ vorsichtig optimistisch.
Die TAZ befasst sich vor allem mit der Gefahr von Cyberangriffen und verlangt: "Bei Warnungen und einer Risikoanalyse darf es nicht bleiben. Vollmundig hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser etwa das sogenannte Kritis-Dachgesetz angekündigt. Eine Vorlage, die Unternehmen, Länder und Kommunen dazu bringen soll, ihre kritische Infrastruktur stärker vor Cyberangriffen zu schützen. Bisher lässt ein Gesetzesentwurf allerdings auf sich warten. Dabei ist die Lage brenzlig genug, um endlich mehr Tempo zu machen." Und mit dieser Stimme aus der TAZ endet die Presseschau.