24. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zum neuen Gesetz gegen Lieferengpässe bei Medikamenten und zum Klimafinanzgipfel in Paris. Zunächst geht es aber um das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, das der Bundestag gestern mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen hat.

Mitarbeiter einer Fabrik bei der Mittagspause (Symbolfoto)
Das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz ist Thema in vielen Kommentarspalten deutscher Zeitungen. (picture alliance / Westend61 / Zeljko Dangubic)
Dazu schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Mit den Regeln, die der Bundestag beschlossen hat, kann Deutschland mithalten mit glänzenden Wettbewerbern um IT-Fachleute oder Ärzte wie Kanada und Australien. Die Ampel lässt die Menschen ohne langwierige Berufsanerkennungsverfahren ins Land, ein Punktesystem öffnet die Türen für Leute, die Fähigkeiten mitbringen, aber vielleicht noch keinen Arbeitsvertrag oder gute Deutschkenntnisse. Allein das wird viele Interessenten hellhörig machen. Dennoch ist das Projekt Fachkräfteanwerbung unvollendet. Es fehlen wesentliche Elemente, um es zum Laufen zu bringen. Allen voran digitale, schnelle Visaverfahren. Wer bisher, mit Pass und Masterabschluss in der Hand, an deutschen Konsulaten vorsprechen will, bekommt anhand zahlreicher Anträge schon mal einen Vorgeschmack auf bundesrepublikanische Gründlichkeit. Und leider auch einen Eindruck davon, wie weit Deutschland hinterherhinkt in der Digitalisierung", notiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz wundert sich über den Gegenwind aus der Opposition: "Denn: Ohne Zuwanderung lässt sich der Fachkräftemangel in Deutschland nicht lösen. Die Zahlen dazu sind eindeutig. Laut der Bundesagentur für Arbeit müssten jährlich netto 400.000 Fachkräfte einwandern, damit Deutschland auch künftig genug Beschäftigte hat. In der Debatte kritisierte die Union immer wieder, dass durch die neuen Regelungen nicht nur Fachkräfte nach Deutschland geholt werden, sondern auch Menschen ohne Berufsabschluss. Doch auch die braucht es. Die Zeiten, in denen nur Ärzte und Informatikerinnen rar waren, sind lange vorbei. Es fehlen auch Leute, die in Supermärkten die Regale einräumen. Die in der Restaurantküche das Gemüse klein schneiden. Oder an Flughäfen das Handgepäck kontrollieren", stellt die FREIE PRESSE klar.
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg ergänzt: "Deutschland ist allein aufgrund seiner Altersstruktur nicht mehr in der Lage, Arbeitswillige aus dem Ausland wie ein notwendiges, aber lästiges – und vor allem vorübergehendes Übel zu behandeln. Viele Branchen hierzulande müssen froh sein, wenn sich Menschen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union dafür entscheiden, hierzulande tätig sein zu wollen. Die Bundesregierung tut also gut daran, die Hürden für Fachkräfte zu senken."
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz greift eine Regelung auf, nach der Asylbewerber mit entsprechender Qualifikation und Jobangebot eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen können sollen: "Es ist nicht nur aus integrationspolitischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen eine gute Idee, den Fachkräftebedarf endlich auch aus der großen Zahl der Asylbewerber zu decken, die bereits hier sind. Der künftig mögliche Spurwechsel aus dem Asylverfahren in den Arbeitsmarkt hat also viel Sinn. Dass er nur für die gelten soll, die vor dem 29. März eingereist sind, ist nachvollziehbar: Es darf nicht der Eindruck entstehen, Deutschland legalisiere plötzlich jede Einwanderung", betont die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg bezweifelt, dass das neue Gesetz zum Wendepunkt in der Migrationspolitik wird: "Begrüßenswert sind zwar die Abkehr von zu starren Regeln bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen und die Förderung der Bildungsmigration. Ob trotzdem Fachkräfte in hoher Zahl nach Deutschland gelockt werden, bleibt fraglich. Hochqualifizierte, vor allem aus dem indo-pazifischen Raum, zieht es angesichts der hohen Abgabelast in Deutschland seit jeher eher nach Kanada oder die USA. Für diese Zielgruppe ist die Bundesrepublik schlicht nicht attraktiv", meint die VOLKSSTIMME.
Auch der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER meint, es dürfte aus verschiedenen Gründen schwierig bleiben, ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu locken: "Deutschland hat leider – im Gegensatz zu Vorbild Kanada – keine Sprache, die vielerorts gesprochen wird. Hinzu kommt, dass gerade Berufe im sozialen Bereich, wie etwa als Krankenpfleger oder Erzieher zwar hierzulande oft besser bezahlt werden als im Heimatland. Wegen höherer Lebenshaltungskosten verspricht der Verdienst aber dennoch kein sorgenfreies Leben in Deutschland. Will die Bundesregierung die Fachkräfteeinwanderung nachhaltig stärken, müssen die Arbeitsbedingungen in den Berufen mit besonders großem Mangel besser werden. Außerdem muss Deutschland an seiner Willkommenskultur arbeiten. Einen fremdländisch klingenden Namen zu tragen darf kein Hindernis mehr sein, um etwa eine Wohnung zu bekommen. Die schwere deutsche Sprache wird bleiben. An der Willkommenskultur können wir arbeiten." Das war der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Ein weiteres Thema im Bundestag waren gestern Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei Medikamenten. Darauf geht die MEDIENGRUPPE BAYERN ein, zu der unter anderen die PASSAUER NEUE PRESSE gehört: "Verzweifelte Eltern, die keinen Hustensaft mehr für ihre Kinder bekommen, Krebspatienten, deren Medikamente nicht lieferbar sind. Diese Szenen aus dem vergangenen Winter haben sich eingeprägt – und keiner will, dass sie sich wiederholen. Ein erster Schritt zur Linderung der Symptome ist der Aufbau von Lagerkapazitäten, zu denen Karl Lauterbach jetzt die Hersteller verdonnert. Im 'Tausch' dafür wird allerdings auch die Preisgarantie bei Kindermedikamenten gelockert, deren Herstellung für die Produzenten kaum mehr lukrativ war. Lauterbach beginnt, an den finanziellen Anreizen für die Industrie zu schrauben. Das ist bitter nötig: Denn der Medikamentenmarkt ist ein Milliardengeschäft. Besserung erreicht man nur, indem den Herstellern ein höherer Gewinn in Aussicht gestellt wird", konstatiert die PASSAUER NEUE PRESSE.
Der ALLGEMEINEN ZEITUNG aus Mainz geht das neue Medikamenten-Gesetz nicht weit genug: "Denn mit anderen patentfreien Präparaten gibt es für die Hersteller weiterhin kaum Geld zu verdienen. Hier kommen die Krankenkassen ins Spiel, die mit eigenen Rabattverträgen einen unwirtschaftlichen Wettbewerb ausgelöst haben. Dieses Problem wird bleiben. Die Lösung wäre gewesen, ähnlich wie bei Kinderarzneimitteln, auch die Preisregeln für Krebspräparate oder Blutdruckmittel zu lockern", glaubt die ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befasst sich mit dem Pariser Gipfel für einen internationalen Klima-Finanzpakt, zu dem Frankreichs Präsident Macron eingeladen hatte: "Macron hat recht, wenn er sagt, dass kein Land gezwungen sein sollte, zwischen Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu wählen. Dass Klimaschutz Geld kostet, spüren gerade auch die Bürger reicher Staaten wie Deutschland. In unterentwickelten Gesellschaften wird es ungleich schwieriger werden, den Abschied von fossilen Brennstoffen zu finanzieren. Deshalb können die 100 Milliarden Dollar, die eine von Macron einberufene Konferenz in Paris den ärmeren Ländern noch einmal in Aussicht stellte, gut investiertes Geld sein", vermutet die F.A.Z.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU erinnert, dass der globale Norden aktuell vor gleich zwei elementaren Herausforderungen steht: "Der von Russland begonnene schlimmste Krieg in Europa seit 1945 wirft die Frage auf, ob der Westen nicht seine Prioritäten vorläufig neu sortieren muss. Was nützen alle noch so gut gemeinten Pläne für langfristigen Klimaschutz und mehr globale Kooperation, wenn uns die Welt kurzfristig um die Ohren fliegt? Klima und Kreml bedeuten für den Westen eine doppelte Prüfung. Wenn die Europäische Union und die USA sich nicht intelligent sortieren, droht ihnen im schlimmsten Fall ein Versagen auf beiden Feldern. Langfristig ist und bleibt der Klimaschutz eine zentrale Überlebensfrage. Vorrangig ist aber, einfach wegen der dramatischen Dringlichkeit, die Zurückweisung der unerhörten Aggression Russlands. Ein Sieg Wladimir Putins in Europa würde alles zunichte machen: Frieden, Freiheit – aber auch jede Aussicht auf Umweltschutz", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU, und damit endet die Presseschau.