30. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen kommentieren die Krankenhausreform, die Kritik des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Günther an der Oppositionspolitik unter dem CDU-Vorsitzenden Merz und die Untersuchung zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland.

Drei junge Musliminnen mit Kopftuch in Berlin.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hält die Ergebnisse für nicht überraschend. "Eine Mehrheit stimmt muslimfeindlichen Aussagen zu, die Menschen werden als rückständig, gewalttätig oder archaisch stigmatisiert – bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Das zeigt der Bericht des 2020 vom Innenministerium berufenen Unabhängigen Expertenkreises. Seit Jahrzehnten fungiert die pauschale Verächtlichmachung von Menschen muslimischer Prägung als Trägerrakete des erstarkenden Rechtsextremismus. Antisemitismus war nie verschwunden, aber der Hass auf Zuwanderinnen und Zuwanderer hat die Ränder mobilisiert, unter Beifall angeblich Bürgerlicher", beklagt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die STUTTGARTER ZEITUNG blickt auf die muslimischen Frauen. "Vor allem sie erleben häufig Ressentiments – insbesondere dann, wenn sie Kopftuch tragen. Für viele Menschen ist es offensichtlich unvorstellbar, dass sich eine Frau selbstbestimmt dafür entscheidet. Das Kopftuch scheint gerade jene Generation zu provozieren, die in Deutschland für Emanzipation und den Minirock gekämpft hat. Wer in Deutschland Kopftuch trägt, muss sich dafür rechtfertigen. Dass das Kopftuch auch als Waffe gegen Frauenrechte eingesetzt wird, steht außer Frage – das zeigen Länder wie der Iran. Doch daraus zu schlussfolgern, dass jede Kopftuchträgerin unterdrückt oder ideologisch verblendet sei, zeugt von westlicher Überheblichkeit. Ziel muss doch sein, in einer Gesellschaft zu leben, in der sich weder Minirock- noch Kopftuchträgerinnen vor verbalen oder gar körperlichen Attacken fürchten müssen", findet die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die PFORZHEIMER ZEITUNG verweist auf die erschwerte Integration. "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es Schüler aus muslimischen Familien schwerer in der Schule haben oder später bei der Suche nach einem Job oder einer Wohnung. Dass sie häufiger von der Polizei kontrolliert werden. Was bei den Betroffenen nicht selten zu dem frustrierenden Gefühl führt, niemals ganz dazuzugehören, egal, wie sehr sie sich anstrengen, und selbst wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben und sich für die Gesellschaft engagieren."
"Im Bericht der Experten werden Wege aufgezeigt, wie es besser laufen könnte", schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Schulungen für Polizisten und Lehrer sind der richtige Weg, um für Muslimfeindlichkeit zu sensibilisieren. Ein Beauftragter zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit ist sinnvoll, da er die Belange von etwa 5,5 Millionen Menschen sichtbarer macht. Seine Ernennung wäre ein Signal der Unterstützung für hier lebende Muslime. In einer Zeit, in der eine Partei mit Rechtsextremisten in Führungspositionen einen Landrat stellt, ist genau das wichtig."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER ist anderer Ansicht. "Was wir definitiv nicht brauchen, ist der jetzt empfohlene Bundesbeauftragte für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. Wir haben bereits eine Antirassismusbeauftragte und eine Antidiskriminierungsbeauftragte, während sich die Ostdeutschen weiter benachteiligt fühlen, obwohl es seit über 30 Jahren einen Ostbeauftragten gibt. Foren des gelungenen Austausches zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen hülfen schon eher."
"Es gibt in dem Bericht auch Befunde, die Hoffnung machen", bemerkt die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg. "Jüngere Menschen äußern sich seltener muslimfeindlich als ältere. Das liegt vermutlich daran, dass sie mit muslimischen Menschen aufwachsen. Ihnen muss wohl niemand mehr erklären, dass der Islam zu Deutschland gehört. Sie wissen das schon."
Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht eine Verständigung mit den Ländern auf Eckpunkte einer Krankenhausreform trotz noch offener Fragen in greifbarer Nähe. "Eigentlich stand für diesen Donnerstag eine Art Einigung auf der Tagesordnung", erinnert die Zeitung ND.DER TAG. "Nichts da. Die Verkündung der Reform-Eckpunkte wird erst in der Sommerpause des Bundestages erfolgen. Für das Konzept zur Berechnung der künftigen Vorhaltepauschalen, die künftig die Wirkmächtigkeit der Fallpauschalen begrenzen sollen, habe es große Zustimmung der Länderminister gegeben. Die Freude über solche Tippelschritte dürfte sich in Grenzen halten. Krankenhäuser, Pflegeverbände und andere weisen auf diverse Probleme des Vorhabens hin. Ins Boot wurden sie nicht geholt. Der Reform-Rumpf ist auch deshalb noch lange nicht seetauglich", bilanziert die Zeitung ND.DER TAG.
"Möglicherweise haben Gesundheitspolitiker und Verbandsfunktionäre erkannt, dass 'klein' bei Krankenhäusern auf dem Land nicht gleichbedeutend mit 'verzichtbar' ist", schreiben die Zeitungen der OM-MEDIEN, zu denen die Oldenburgische Volkszeitung gehört. "Ganz im Gegenteil. Nicht nur für ältere Menschen, für junge Familien oder für Alleinerziehende im ländlichen Raum ist 'ihr' Krankenhaus für die Grundversorgung gänzlich unverzichtbar. Gesundheitsversorgung ist Bestandteil der Daseinsvorsorge und damit eine originär staatliche Pflichtaufgabe. Bei der Planung einer Krankenhauslandschaft müssen die Bedürfnisse der Bevölkerung und nicht die der Statistiker im Vordergrund stehen."
"Viele der heute noch existierenden Krankenhäuser wird es bald nicht mehr geben", prophezeit die RHEIN-ZEITUNG. "Das ist nicht die Folge eines Kaputtsparens, wie immer wieder behauptet wird. Wenn ein Drittel der Krankenkassenbudgets mittlerweile in die Kliniken fließt, fällt es schwer zu behaupten, dass die Krankenhäuser zu wenig Geld bekommen. Das Verteilungssystem, vor allem das via Fallpauschalen, ist das Grundübel. Es fördert einen ruinösen Wettbewerb zwischen den Kliniken, in dem kleine Häuser als erste das Nachsehen haben. Vor allem aber schadet es der Gesundheit der Bürger, weil es kleine Krankenhäuser mit unterbesetzten Ärzte- und Pflegeteams zwingt, riskante OPs des Geldes wegen zu wagen. Eine Konzentration planbarer Eingriffe an Zentren ist daher unausweichlich", meint die RHEIN-ZEITUNG, die in Koblenz erscheint.
Dazu schreibt die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Es gibt zu viele kleine Häuser, die alles anbieten, auch komplizierte Eingriffe, für die viel Erfahrung und Expertise notwendig wäre. Der Minister sieht nicht ein, solchen Kliniken mit einem Rettungsgesetz das Siechtum zu verlängern. Das kann man zynisch finden, aber es ist durchaus nachzuvollziehen."
Der MÜNCHNER MERKUR moniert das Verhalten von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther, der Kritik am Oppositionskurs der Union im Bundestag unter Fraktionschef Merz geübt hat. "Günther, CSU-Spitzname 'Genosse Günther', hat eine gute Gelegenheit verpasst, auch mal die Klappe zu halten. Die CDU werde 'derzeit nicht als ausreichend bessere Alternative zur Ampel wahrgenommen', stänkert er vor der gemeinsamen Münchner Präsidiumssitzung von CDU und CSU gegen die Berliner Parteispitze. Das stimmt. Aber indem er aus Kiel kampagnenartig die Richtungs- und Personaldebatte in der Union befeuert, sorgt Günther selbst gewiss nicht dafür, dass die Wähler in Scharen zur Union zurückkehren. Schon zwei Jahre vor der Wahl mit der Demontage des Parteichefs und Oppositionsführers zu beginnen, ist der sicherste Weg, bei der nächsten Wahl erneut erfolglos zu bleiben, egal, ob der Kanzlerkandidat am Ende Hendrik Wüst heißt oder Friedrich Merz", erwartet der MÜNCHNER MERKUR.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, betont hingegen: "Merz hat seine Verdienste um die Partei, aber es sich selbst zuzuschreiben, dass er bisher nicht als starke Alternative zur Ampel wahrgenommen wird, obwohl diese wirklich große Angriffsflächen bietet. Merz muss sich sicher mehr einfallen lassen als immer alles nur in Grund und Boden zu kritisieren, was die Ampel macht. Günther hat das Rennen in der CDU eröffnet. Mit Wüst ist zu rechnen. Und wenn aus den zweien, die sich streiten, nichts wird, steht noch immer Söder parat." Das war die Presseschau.