03. Juli 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zum Mindestlohn und zu den neuen Regelungen beim Kurznachrichtendienst Twitter. Zunächst geht es aber um die Krawalle in Frankreich nach dem Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle.

Zwei Feuerwehrleute stehen mit ihrem Einsatzwagen vor einem Brand.
Seit Tagen kommt es in verschiedenen französischen Städten zu Krawallen. (IMAGO / ABACAPRESS / IMAGO / Urman Lionel / ABACA)
Dazu schreibt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Für die Probleme, die seit Jahrzehnten schwelen, ist nicht nur die aktuelle Regierung verantwortlich. Aber sie muss Antworten finden, über eine rein repressive Reaktion hinaus. Auch wenn es zunächst darauf ankommt, wieder Ruhe und Sicherheit herzustellen, muss Präsident Macron Ankündigungen machen, die nicht nur reine Kommunikation und damit Augenwischerei sind, sondern die echte Veränderungen erreichen. Etwa bei der Führung der Polizei, die selbst unter Druck ist. Das 'Wir gegen sie'-Gefühl der Aufständischen richtet sich gegen die Vertreter eines Staates, von dem sich viele missachtet fühlen", beobachtet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER führt aus: "Der französische Präsident Macron ist in großen Schwierigkeiten. Schon seit Wochen wird in seinem Land protestiert. Mal geht es um die Bauern, mal um die äußerst umstrittenen Rentenreformpläne der Regierung. Nun eskalieren die Unruhen nach dem Tod eines 17-Jährigen in Nanterre. Die Banlieues brennen wieder. Jetzt entlädt sich die Wut vor allem Jugendlicher. Erneut zeigt sich, dass die Integration in Frankreich gescheitert ist. In den Problemvierteln der Vorstädte grassiert Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit mit den Lebensumständen. Es ist unklar, wie Macron die Lage wieder in den Griff bekommen will. Tatsache ist, dass hier das Wählerpotenzial der radikalen Parteien auf den Straßen steht. Le Pen braucht nur die Arme zu öffnen, um die Unzufriedenen einzusammeln", befürchtet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Auch DER TAGESSPIEGEL aus Berlin sorgt sich um die Stabilität Frankreichs, denn... "...die französische Rechte hat in Marine Le Pen schon lange eine mehrheitsfähige Kandidatin. Und die weiß die Lage geschickt zu nutzen. Sie ließ sich angesichts der aktuellen Ausschreitungen nicht etwa zu Aussagen à la Nicolas Sarkozy hinreißen, der bei ähnlichen Krawallen 2005 angekündigt hatte, in den Vororten einfach mal durchzukärchern. Sie gibt die große Staatsfrau. Le Pen braucht gar keine rechten Parolen mehr, um den Frust der Menschen einzusammeln. Die Bilder sprechen für sich. Sie profitiert seit Jahren davon, dass die französische Politik ihr elitäres Image einfach nicht ablegen kann, weil es so tief verankert ist, im Bildungssystem, in den Institutionen. Und beim nächsten Mal reicht es vielleicht für die Präsidentschaft", bemerkt DER TAGESSPIEGEL.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE notiert: "Die neue Krise in Frankreich erscheint noch beängstigender als die bisherigen. Die Gründe für die Eskalation sind komplex und vielfältig. Sie reichen von der französischen Kolonialgeschichte über die Arbeitsmigration ab den 1960er Jahren, für die funktionale Schlafstädte an den Rändern der Städte geschaffen wurden, die mit der Zeit verfielen und zu Orten der Ausgrenzung wurden, bis hin zum Mangel an Erziehung und an Perspektiven."
In der TAZ ist zu lesen: "Unter dem prächtigen Mantel der 'République', die in ihrem Kern unbestreitbar für Menschenrechte und Demokratie steht, grassiert seit Jahrzehnten ein eklatantes Behördenversagen. Ein arrogantes Abbügeln und ein Negieren solcher Menschen in den Vorstädten, die in keinen familiären Honigtopf gefallen sind, die mit Gewalt und Armut leben. Die aufgeflammte Gewalt in den 'quartiers sensibles', die Zerstörung wichtiger Infrastruktur, die Plünderungen sind nicht zu rechtfertigen, auch nicht mit der illegalen und unentschuldbaren Tötung von Nahel M. durch die Polizei. Doch dieser brutale Nihilismus der Bevölkerung kommt nicht von ungefähr. Diese Menschen sehen sich nicht mehr als Teil des Staats, diese Menschen schießen buchstäblich das Versprechen von Liberté, Égalité, Fraternité in den Wind. Und sie werden es wieder tun, solange sich jenseits wohlfeiler Appelle der Staatsmacht an ihre Eltern nichts Substanzielles ändert", ist sich die TAZ sicher.
"Der Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel verlangt nach Aufklärung. Doch darüber hat kein Mob zu urteilen, sondern Richter", heißt es in der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Was sich jetzt in Frankreich abspielt, ist beschämend. Vor allem junge Männer aus Migrantenvierteln fackeln Geschäfte, Banken und Autos ab, als hätten sie nur einen Anlass für Verwüstungen und Straßenschlachten gesucht. Sind das noch Proteste oder schon bürgerkriegsähnliche Zustände? Diese Gewaltwelle erinnert an die Ausschreitungen 2005. Damals sorgte der Tod zweier Jugendlicher aus Immigrantenfamilien nach einem Polizeieinsatz für Gewaltexzesse. In der Folge gab es viele Sozialprogramme, um in den Banlieues gegen Arbeits- und Perspektivlosigkeit vorzugehen. Jetzt ist klar: Auch in der nächsten Generation von Jugendlichen ist der Hass auf den Staat in einigen Migrantenmilieus weiterhin groß." So weit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Nun zur Debatte über den Mindestlohn. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält fest: "Die SPD sucht Wege aus der Mindestlohnklemme, in der sie durch das Votum der Mindestlohnkommission steckt. Mit 82 Cent in zwei Anhebungen ist deren Empfehlung niedriger ausgefallen, als Sozialdemokraten gehofft hatten. Wie die Gewerkschaften hatten sie fast das Doppelte als möglich und zwingend erachtet. Zwar hat Arbeitsminister Heil klargestellt, der Kommission zu folgen. Die Parteispitze will sich damit aber nicht abfinden und eine außerordentliche Erhöhung durchsetzen. Als juristischen Hebel sieht Ko-Chef Klingbeil eine EU-Richtlinie. Als politischen Hebel nutzt Klingbeil den Verweis auf das Erstarken der AfD. Das bringt die Union in die Klemme. Vor den Wahlen in den neuen Ländern 2024 dürften in ihren Reihen jene leiser werden, die Respekt vor dem ökonomisch gut begründeten Entscheid der Lohnkommission fordern. Und die FDP? Sie sollte ihre Hand in der Ampel kein zweites Mal für die Umgehung der Kommission heben, selbst wenn es um sie herum einsam wird", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die PFORZHEIMER ZEITUNG ist folgender Meinung: "Deutschland steckt in der Rezession. Der Vorstoß von SPD-Ko-Chef Klingbeil ist da das völlig falsche Signal. Er sollte sich lieber andere Maßnahmen überlegen, wie man Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen stärken kann. Bei Steuern und Abgaben etwa."
"Jedem niedrig entlohnten Arbeitnehmer sei sein Geld gegönnt", merkt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg an: "Es geht aber darum, dass sich der Staat immer mehr in die Bereiche der Wirtschaft einmischt. Die Tarifhoheit ist in Deutschland ein hohes Gut, aus der sich die Politik heraushalten sollte. Auf keinen Fall darf der Staat Löhne willkürlich festsetzen, sofern es nicht um die eigenen Bediensteten geht. Dieser Eingriff widerspricht unserem System der sozialen Marktwirtschaft."
Nun noch Stimmen zu den neuen Twitter-Regeln. Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle erläutert: "Mit der Lesebeschränkung für Twitter hat Elon Musk mal eine geniale Idee gehabt. Nach 600 Tweets ist Schluss für alle, die nicht zahlen. Für die zahlenden Kunden liegt die Grenze etwas höher. Einmal mehr verdeutlicht der Milliardär, was Twitter ist. Das Netzwerk ist eben nicht nur ein Tummelplatz für Gerüchte, Hass, üble Nachrede und Kampagnen. Twitter ist auch keine öffentliche Infrastruktur, kein Instrument der öffentlichen Daseinsvorsorge, auch wenn es bisweilen dafür gehalten wird. Vor allem ist Twitter ein Unternehmen, eine Geldmaschine, ein durch und durch kommerzielles Projekt", stellt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG klar.
Die Zeitung ND.DER TAG wirft ein: "Nach der Ankündigung von Twitter-Chef Elon Musk, die Anzahl täglich lesbarer Beiträge zu beschränken, wünschten tausende Nutzer der Plattform ihren Frieden. Von der ursprünglichen Idee von Twitter als einem kostenfreien sozialen Netzwerk, über das sich Menschen weltweit unbeschränkt austauschen können, ist damit tatsächlich nicht mehr viel übrig." Das war zum Ende der Presseschau ND.DER TAG.