06. Juli 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt der Kommentare stehen der Haushaltsentwurf der Ampelkoalition für das kommende Jahr sowie die geplante Lockerung bei der Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft. Zunächst aber ein Kommentar zur gescheiterten PKW-Maut.

Berlin: Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, wartet auf den Beginn der Sitzung des Bundeskabinett im Kanzleramt. In der Kabinettssitzung soll der Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen werden.
Bundeskabinett beschließt Haushaltsentwurf 2024. (Bild vom 05.07.2023) (Michael Kappeler/dpa)
Nach einem Schiedsverfahren muss der Bund 243 Millionen Euro Schadensersatz zahlen. Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal nimmt den früheren Verkehrsminister in den Blick: "Geradestehen musste Scheuer für dieses teure Debakel nicht. Er blieb bis zur Abwahl 2021 Verkehrsminister und überstand auch einen Untersuchungsausschuss in der Sache. Eine Rolle wird dabei gespielt haben, dass Scheuer von seiner CSU gegenüber Merkel zu jeder Zeit schwer gestützt worden ist. Kein Wunder: Überbordend viele Infrastrukturgelder waren zu dessen Zeit vom Bund in Berlin aus nach Bayern gewandert. Das rundet das katastrophale Gesamtbild nur noch ab“, schreibt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
Das Bundeskabinett hat den Haushaltsentwurf für 2024 beschlossen. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint, dass die Ampelkoalition zu wenig investiere: "So wird das nichts mit dem Klimaschutz, Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, Armutsbekämpfung oder Bildungsgerechtigkeit. Von Digitalisierung oder moderner Infrastruktur ganz zu schweigen. Natürlich konnte das Dreierbündnis nicht mehr so viel ausgeben nach den Kosten für die Corona-Pandemie, den Ausgleich für die Energiekrise oder das Sondervermögen für die Bundeswehr. Doch hätte sie deshalb die Schuldenbremse nicht gleich so sklavisch umsetzen müssen", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG analysiert, dass der Etatentwurf nicht mehr als Stückwerk und Flickschusterei sei: "Die Ampel hat keine Strategie. Die Schuld daran trägt zu allererst der Bundeskanzler. Olaf Scholz ist es nach Jahren des Krisenmanagements und des finanzpolitischen Ausnahmezustands nicht gelungen, sein Kabinett auf neue gemeinsame Ziele und die Rückkehr zur haushaltspolitischen Realität einzuschwören. Das Ergebnis war, dass die Minister zwar unisono über neue Prioritäten sprachen, damit aber alle etwas anderes meinten. Sichtbar wurde das an den Ausgabewünschen, die zeitweise um unglaubliche 70 Milliarden Euro über dem verabredeten Rahmen lagen. Die Verhandlungsatmosphäre war so vonBeginn an vergiftet. Statt aber ein Stoppzeichen zu setzen, ließ der Kanzler dieDinge laufen, weil er nach dem Motto regiert, dass es der Papa am Ende schon richten wird. Dieser Arbeitsstil ist erneut gescheitert – wie schon beim Heizungsgesetz", konstatiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG betont, dass es überall Abstriche gebe außer bei der Bundeswehr: "Die Kindergrundsicherung wird vom geplanten größten sozialpolitischen Projekt zurechtgestutzt auf die Zusammenführung der bereits vorhandenen Familienleistungen. Diese wurden in den letzten Monaten zwar kräftig erhöht. Der versprochene große Schritt gegen Kinderarmut wird von der Kindergrundsicherung nun aber nicht ausgehen. Das ist bitter angesichts der zahlreichen Sozialleistungen für Ältere, die in den letzten Jahren von anderen Regierungen auf den Weg gebracht wurden. Für die Kinder ist jetzt kein Geld mehr da", moniert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf lobt hingegen den Kurs des Finanzministers mit Blick auf die hohe Inflation: "Wer das anerkennt, kann auf der anderen Seite die minimalinvasiven Kürzungen nicht kritisieren – oder sollte mit umsetzbaren Gegenvorschlägen kommen. Davon ist bei den vielen Enttäuschten nichts zu hören. Hätte sich Familienministerin Paus nicht für Einschnitte beim Elterngeld entschieden, hätte sie etwa Demokratieförderprogramme in Ostdeutschland kürzen müssen. Will man das angesichts des AfD-Höhenflugs?", fragt die RHEINISCHE POST.
Nun zu einem anderen Thema. Die EU-Kommission will die Regeln für den Umgang mit Gentechnik lockern. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert, dass dadurch die Landwirtschaft nachhaltiger werden könnte: "Auch die Abhängigkeit von Agrarimporten soll so verringert werden. Der Entwurf verkörpert Politik, die auf Fakten basiert - das ist ein Grund zur Freude. Auch für die Verbraucher könnte der Vorschlag der EU-Kommission eine gute Nachricht sein. Denn er sieht auch vor, dass die neuen, genom-editierten Pflanzen im Biolandbau nicht verwendet werden dürfen. Wer also keine Lust auf Gentechnik hat, ist auch künftig bei Biolebensmitteln auf der sicheren Seite", hebt die FAZ hervor.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER weist auf einen Kritikpunkt hin: "Die Hinweispflicht soll künftig wegfallen. Es gibt aber Menschen, die aus ethischen Gründen gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnen. Ob diese Bedenken berechtigt sind oder nicht: Man sollte sie ernst nehmen. Deshalb sollte weiterhin auf der Verpackung das draufstehen, was sich in der Verpackung befindet. Es gibt schließlich nichts zu verheimlichen."
Nach Ansicht der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG ist der Gesetzesvorschlag nicht schlüssig: "Es lässt sich nicht nachvollziehen, dass künftig für Gen-Scheren-Pflanzen vor ihrem Anbau keine Risikoprüfung mehr stattfinden soll. Vertrauen ist gut und weniger Bürokratie schön, aber die Kontrolle sollten sich die EU-Staaten nicht aus der Hand nehmen lassen. Und es wäre feige, die Kennzeichnung von Lebensmitteln einfach zu unterlassen. Wenn die neue Gentechnik so unproblematisch ist, dann gilt es, die Verbraucher davon zu überzeugen. Nicht weniger, sondern mehr Information muss das Ziel sein", fordert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Für die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg ist die Kennzeichnungspflicht nicht das eigentliche Problem: "Viel wichtiger sind wirtschaftliche und soziale Fragen, die sich ergeben, wenn Gentechnik zur ganz normalen Lebensmittelproduktion dazu gehört: Wie kann die EU zum Beispiel die Herausbildung von Kartellen verhindern? Denn aller Wahrscheinlichkeit nach werden einige wenige Konzerne besonders resistente, ergiebige, leicht zu verarbeitende Sorten züchten, die dann den Markt dominieren. Vom Saatgut bis zum Verkauf geraten dadurch Bauern in Abhängigkeiten, Verbraucher womöglich in eine Preisspirale nach oben. Und wer haftet, wenn Gentechnikfolgen Einfluss auf die konventionelle oder gar die Biolandwirtschaft haben? Das Thema ist noch lange nicht durchdiskutiert", heißt es in der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Zuletzt zwei Kommentare zur Reform der Bundesjugendspiele. Ab dem kommenden Schuljahr sollen die Leistungen von Grundschülern weniger starr bewerten werden – statt eines Wettkampfs soll es nur noch den Wettbewerb geben. Die Zeitungen der OM MEDIEN aus Vechta halten wenig von der Reform: "Auch im Sportunterricht sollte es um Leistung gehen - wie in allen anderen Schulfächern auch. Misserfolg gehört dazu. In allen Lebenslagen sollten Kinder und Jugendliche nicht nur lernen, Erfolge zu feiern und Schulterklopfer zu ernten, sondern auch, mit Scheitern umzugehen und zu akzeptieren, dass Mitschüler in dem einen oder anderen Fach vielleicht mal besser sind. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn ein Kind wirklich gemobbt wird, sollten Lehrer und Eltern selbstverständlich eingreifen. Aber wo es 'Mobbing' sein soll, wenn ein Kind eine Ehrenurkunde für gute Leistungen erhält, ein anderes aber 'nur' eine Teilnehmerurkunde, vermag man nicht zu erkennen", glauben die OM MEDIEN.
DIE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz notiert: "Gerade nach der bewegungsarmen Corona-Zeit ist jede Förderung von Bewegung dringend nötig. Und: Natürlich dürfen auch die Sport-Asse bei einem solchen Anlass glänzen. Das mag vielleicht nicht ganz gerecht sein. Aber ein anderer quält sich dafür Tag für Tag durch den Mathematik-Unterricht oder bekommt Schweißperlen auf der Stirn, wenn er einen Aufsatz schreiben soll. Jeder hat andere Stärken. Und wenn die Qual für die Sportmuffel durch das Sportfest künftig nicht mehr ganz so groß ist, ist durch das Reförmchen ja auch schon etwas gewonnen." Mit diesem Kommentar aus der ALLGEMEINEN ZEITUNG endet die Presseschau.