
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nennt das Losverfahren einen wichtigen Baustein des Bürgerrats. "Doch im Grunde steht eher die Inszenierung im Vordergrund. Vor allem wird der Bürgerrat, der ein 'Bürgergutachten' erstellt, also Empfehlungen aussprechen soll, auf diese Weise mit einer Legitimation aufgeladen, die es den Abgeordneten schwer machen wird, seinen Vorschlägen nicht zu entsprechen. Es handelt sich ja gerade nicht um eine klassische von oben eingesetzte Regierungskommission mit den üblichen Verdächtigen, sondern um einen vermeintlichen Volksrat. Zugleich wird ihm eine Repräsentativität angeheftet, die als Vorschrift für das Parlament verfassungswidrig wäre. Unter der Flagge von Demokratie und Bürgerbeteiligung wird versucht, Themen zu setzen und eine bestimmte Agenda durchzudrücken. Der Politik fehlt offenbar der Mut, sich wirklich auf die Bürger einzulassen und die demokratisch beschlossenen Formen der Demokratie auch zu leben", kritisiert die F.A.Z.
Die Zeitung DIE GLOCKE fragt sich, ".... warum der erste Bürgerrat vom Bundestag ausgerechnet zum Thema gesunde und nachhaltige Ernährung eingesetzt wird. In Zeiten von Ukraine-Krieg, Inflation, Klimawandel und zunehmender Migration dürften diese Themen die Menschen im Land wohl weit mehr bewegen als Ernährungsfragen – so wichtig das Thema auch grundsätzlich ist. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass gerade auf diesem Gebiet bereits viel Wissen und Expertise vorhanden ist. Welchen essenziellen Beitrag da 160 ausgeloste Bürger noch beisteuern können, ist fraglich", notiert DIE GLOCKE aus Oelde.
Die ALLGEMEINE ZEITUNG konstatiert: "Der von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ins Leben gerufene Bürgerrat ist ein recht harmloses Experiment, bei dem durchaus etwas Sinnvolles herauskommen könnte. Deshalb will es nicht einleuchten, dass Abgeordnete der Union in der Versammlung von 160 miteinander diskutierenden, zufällig und einigermaßen repräsentativ ausgewählten Personen eine Schwächung des Parlaments sehen. Der Bürgerrat ist kein Gremium, das irgendetwas entscheidet. Der Bürgerrat ist der Versuch des Parlaments, seinem Wahlvolk etwas näherzukommen. Bei der allseits beklagten Politikverdrossenheit und der sterilen Atmosphäre im 'Raumschiff Berlin' ist das ein guter Ansatz. Probieren wir es doch einfach mal aus." Das war die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz.
Themenwechsel. Aus der SPD kommt ein neuer Vorstoß für eine allgemeine Dienstpflicht. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht es so: "Im Moment hat ein sozialer Pflichtdienst für Jugendliche in Deutschland keine Chance, Realität zu werden. Selbst die SPD fing ihren Vize-Fraktionsvorsitzenden schnell wieder ein. Dabei hatte der angeregt, die Diskussion über das Thema weiterzuführen. Schade!"
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU zeigt wenig Verständnis für den Vorschlag: "Statt wieder einmal einen sozialen Pflichtdienst vorzuschlagen, sollten sich SPD-Bundestagsabgeordnete dafür einsetzen, dass die Mittel für Freiwillige Dienste in den beiden kommenden Jahren nicht um 100 Millionen Euro gekürzt werden, wie es der Haushaltsentwurf der Ampelkoalition vorsieht. Diese Dienste fördern bereits den solidarischen Zusammenhalt. Ein Pflichtdienst ist für das erstrebenswerte Ziel eines gedeihlichen Miteinanders auch nicht das geeignete Instrument. Zu viel spricht dagegen. Der Eingriff in die Freiheit des oder der Einzelnen erfordert ein übergeordnetes Ziel. Mit der Landesverteidigung ließen sich Wehrpflicht und Zivildienst rechtfertigen. Zwang ist zudem kein guter Motivator", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Zeitung FREIES WORT erinnert: "Die Freiwilligendienste sollten eigentlich ausgebaut werden, das hatte die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen. Dort steht nicht nur, dass das Angebot an die Nachfrage angepasst werden soll, sondern auch, dass das Taschengeld von 438 Euro für die Freiwilligen steigen soll. Immer wieder heißt es: In schweren Zeiten müsse man nun mal sparen. Umgekehrt kann man aber sagen: Gerade in schweren Zeiten kommt es auf Engagement und gesellschaftlichen Zusammenhalt an. Es ist die falsche Stelle, um zu knausern", betont das FREIE WORT aus Suhl.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm argumentiert ähnlich: "Eine Reform der Freiwilligendienste wäre sinnvoll, etwa, indem mehr Taschengeld gezahlt wird, um die Tätigkeiten attraktiver zu machen. Möglicherweise nimmt sich der Bundestag das Thema ja nochmal vor – und lässt die Pflicht-Idee samt Paus' Kürzungsplänen hoffentlich in der Schublade verschwinden."
Nun zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Nach dem Aus des Getreideabkommens betrachtet Moskau alle Frachtschiffe im Schwarzen Meer mit Ziel Ukraine als potenzielle Träger von Militärgütern. Kiew reagierte entsprechend. Dazu schreibt die Zeitung DIE WELT: "Offenbar ist Kiew es leid, die von Russlands Gesetzlosigkeit ausgelöste Asymmetrie in diesem Krieg weiter tatenlos zu akzeptieren. Die Frage ist: Wie ernst muss diese Drohung genommen werden? Kiew hat weit geringere Fähigkeiten als Russland, um den Schiffsverkehr zu gefährden. Doch die jüngsten Angriffe auf die Kertsch-Brücke haben gezeigt, dass die Ukraine auf dem Wasser nicht gänzlich machtlos ist. Kiew hofft vor allem, dass die Drohung ähnliche Wirkung entfaltet wie die russische, mit der es gelungen ist, zivile Schiffe vom Einzugsbereich der ukrainischen Gewässer fernzuhalten. Das liegt vor allem daran, dass internationale Reedereien kein Risiko eingehen wollen – und dass Schiffsversicherer keine Policen mehr abschließen für den Handelsverkehr mit der Ukraine. 43 Prozent des Öls, das Russland per Schiff exportiert, kommt aus Schwarzmeerhäfen. Und das aus den besetzten ukrainischen Gebieten gestohlene Getreide wird ebenfalls von dort exportiert. Wenn Handelsschiffe nun ihrerseits keine Versicherungen mehr für Russland abschließen können, dürfte das die russische Wirtschaft schwer treffen. Und das ist das eigentliche Ziel der ukrainischen Drohung", analysiert DIE WELT
Die LAUSITZER RUNDSCHAU überlegt: "Wie wäre es denn, wenn das Getreide aus den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen künftig unter UNO-Flagge ausgeschifft würde? Oder wenn die Vereinten Nationen zumindest Begleitschiffe zur Verfügung stellten? Ja, das ist angesichts der russischen Vernichtungsdrohungen nicht ganz ohne Risiko. Andererseits: Wird Russlands Präsident Wladimir Putin es wirklich wagen, buchstäblich die Völkergemeinschaft als Ganzes anzugreifen? Die Bundesregierung wiederum steht ebenfalls in der Pflicht, hat sie sich doch gerade erst in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie vorgenommen, sich für die Freiheit internationaler Seewege einzusetzen. Bislang war von den Vereinten Nationen, mit Ausnahme ebenjenes Getreideabkommens, im Ukraine-Konflikt nicht viel zu sehen. Es wird höchste Zeit, dass sich das ändert", mahnt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Kommende Woche findet der zweite Afrika-Gipfel im russischen Sankt Petersburg statt. Damit befasst sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Wäre Putin ein Freund Afrikas, würde er das Getreideabkommen mit der Ukraine verlängern. Stattdessen lässt er es auslaufen, bombardiert die ukrainischen Häfen und spielt die Folgen für Afrika herunter. Doch diese Folgen sind beträchtlich, auch wenn nur ein Bruchteil der ukrainischen Lieferungen direkt nach Afrika geht. Das Getreideabkommen hat die Preise auf dem Weltmarkt deutlich gesenkt. Steigen sie wieder, trifft das die ärmsten Staaten am härtesten - und noch mehr Menschen hungern als ohnehin schon. Putin nimmt das in Kauf. In Wahrheit hat Moskau Afrika außer Waffen und der Söldnertruppe Wagner wenig zu bieten. Russland schlägt in Afrika Profit aus Kriegen und Konflikten. Überall da, wo es knallt, ist das Land mit Rüstungsgütern und Söldnern zur Stelle - und lässt sich seine Dienste in Gold und anderen Rohstoffen aufwiegen. Putin geriert sich in Afrika so, wie er es den USA und Europa vorhält: neokolonialistisch." Wir zitierten die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.