31. Juli 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt stehen der Parteitag und die Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg. Außerdem geht es um die Kanzlerkandidaten-Frage in der Union und um den Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg.

Delegierte geben hinter Wahlkabinen ihre Stimmen für Listenplätze für die Europawahl der AfD ab.
Delegierte geben ihre Stimmen für Listenplätze für die Europawahl der AfD ab. (picture alliance / dpa / Sebastian Willnow)
Zur AfD schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Bei der verhassten Europäischen Union will man keine Kompromisse eingehen. Auf dem AfD-Parteitag war ein Wettbewerb der Kandidaten zu besichtigen, wer am radikalsten reden kann, nicht eine Debatte um die eigentlich entscheidende Frage, wie das Szenario einer Auflösung oder einer Alternative zur bestehenden EU denn überhaupt aussehen soll. Weg damit, dann sehen wir mal. Die AfD-Vorstellung, die EU zu verlassen wäre ein Crashprogramm zur Isolation Deutschlands und zum Niedergang deutscher Unternehmen. Es würde ein Projekt beerdigen, das dem Kontinent Jahrzehnte des Wohlstands und des Friedens beschert hat", unterstreicht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm kommentiert: "Die AfD will für die kommende Bundestagswahl einen Kanzlerkandidaten aufstellen. Nach dem chaotischen Europaparteitag muss die Frage gestattet sein: Ihr wollt Deutschland regieren? Die heftigen Auseinandersetzungen drehen sich nicht um Ideologie. Der Kampf, wie rechts die AfD sein will, wurde im vergangenen Jahr auf dem Parteitag in Riesa entschieden, mit einer vernichtenden Niederlage für das bürgerliche Lager. Es geht um innerparteiliche Macht und gut bezahlte Abgeordnetengehälter, den schnöden Mammon. Da bröckelt sogar das feste Bündnis zwischen den beiden Rechtsaußen-Landesverbänden Sachsen und Thüringen. Landesfürsten, die sich mit der Vergabe von Posten ihre Macht sichern, gibt es freilich auch bei allen anderen Parteien. Aber die behaupten nicht, alles anders und besser zu machen", analysiert die SÜDWEST-PRESSE.
"Die Höckeparteiwerdung der AfD ist abgeschlossen", fasst die FRANKFURTER RUNDSCHAU zusammen. "Die Partei hat keine Flügel mehr. Sie ist ein einziger völkischer Flügel – mit einigen Abweichlern, die im parteiinternen Machtkampf aber kaum noch eine Rolle spielen. Der Rechtsextreme Björn Höcke ist längst keine polarisierende Figur mehr, sondern der hofierte Stargast auf dem Parteitag in Magdeburg. Er ist einer der mächtigsten Politiker der Partei."
Die TAZ führt aus: "Ob antisemitische Verschwörungsideologie, rassistische Abschottungsfantasien oder Liebesgrüße nach Moskau: Auf dem Parteitag von Magdeburg öffneten sich ideologische Abgründe. Es geht in der AfD 2023 nicht mehr um programmatische Grundsatzfragen. Die Entwicklung zur gesamtdeutschen rechtsextremen Partei hat die AfD hinter sich gelassen, radikalisiert von den Ideologen im Osten. Das zeigte nicht nur die Wahl des Spitzenkandidaten Maximilian Krah, der den Begriff konservativ für sich ablehnt und sich gleich 'rechts' nennt. Krah hängt illiberalen Gesellschaftsbildern an, lehnt Minderheiten ab und will die europäische Friedensordnung zugunsten einer verdrehten Großmächteideologie des NS-Vordenkers Carl Schmitt aufgeben. Die Ukraine soll geopfert werden für deutsche Interessen und russisches Gas." Das war die TAZ.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg erklärt: "Dass die AfD einen Mann wie Maximilian Krah auf Platz 1 für ihren Europawahlkampf setzt, zeigt, wie einflussreich die rechtsextreme, völkische Gruppe um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke ist. Mit Krah hat sich die Partei für einen stramm rechten Spitzenkandidaten entschieden. Die Rechtsextremen in der AfD dürften noch mächtiger werden, denn die Partei ist derzeit erfolgreicher denn je. Sie hat keinen Grund, diese Linie zu verlassen. Das sollte allen in der CDU klar sein, die darüber nachdenken, auf gewissen Ebenen mit der AfD zusammenzuarbeiten. Aber auch jedem, der erwägt, dieser Partei seine Stimme zu geben", mahnt die BADISCHE ZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg blickt voraus: "Die Europawahl 2024 wird ohnehin im Zeichen des Rechtsrucks auf dem Kontinent stehen. Die Parteien dieses Spektrums von Schweden über Frankreich bis Österreich und Deutschland verfolgen ein Ziel: Über die Präsenz im EU-Parlament unter dem Dach der gemeinsamen Rechtspartei 'Identität und Demokratie' die EU-Institutionen zu entmachten. Nun befördern die Brüsseler Eliten den Frust der Europäer seit Jahren nach Kräften etwa durch Regulierungswut, Versagen in der Migrationspolitik oder Korruption. Nur würde durch die Auflösung der EU gar nichts besser. Stattdessen: Reformen müssen dringend her", bemerkt die VOLKSSTIMME.
Und die NÜRNBERGER NACHRICHTEN verlangen: "Die proeuropäischen Kräfte müssen endlich verstehen, dass die ewige Wiederholung vom friedensstiftenden Projekt Europa heute nicht mehr genügt, um Begeisterung zu wecken. Sie müssen stattdessen glaubwürdig erklären, warum die EU in einer globalisierten Welt die einzig vernünftige Antwort ist. Und sie müssen aufhören, Europa selbst zu demontieren."
In Umfragen unter Unionswählern haben sich nur 20 Prozent für eine Kanzlerkandidatur von CDU-Chef Merz ausgesprochen. Die Zeitung DIE WELT kommentiert: "Vor Jahrzehnten schienen Umfragen regelmäßig zu beweisen, dass die Deutschen keinen Kanzler Kohl mehr wollen. Doch dieser wurde gleichwohl ein ums andere Mal Bundeskanzler. Dass Merz mitunter besserwisserisch, erratisch und barsch ist, muss ihm also nicht schaden. Der bisher letzte Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, hat ja bewiesen, dass es mit Freundlichkeit allein nicht getan ist. Bei Helmut Kohl musste erst die Abenddämmerung seiner Regentschaft anbrechen, bis man ihm den Hof streitig machte. Bei Friedrich Merz ist dieser Moment jetzt schon da", stellt DIE WELT fest.
Die PFORZHEIMER ZEITUNG spricht von einer ... "... schallenden Ohrfeige für CDU-Chef Friedrich Merz: Fast doppelt so viele Unions-Wähler geben dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder in der K-Frage den Vorzug. Der Hoffnungsträger der Konservativen ist zum Problembären der CDU geworden, auf den die Merkelaner allzu gern anlegen. Merz ist verbrannt, das wird nichts mehr. Die Frage ist, ob er selbst einsieht, dass er nicht der Richtige ist, Olaf Scholz bei der nächsten Bundestagswahl herauszufordern. Dass er Platz machen muss. Er schafft es nicht, aus der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Ampel politisches Kapital zu schlagen. Er wollte die AfD halbieren und ist krachend gescheitert", resümiert die PFORZHEIMER ZEITUNG.
Thema in den BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN ist die Ankündigung von Getreidespenden für Afrika durch Russlands Präsidenten Putin: "Ein Kriegstreiber setzt sich als Wohltäter in Szene: Wladimir Putin verspricht afrikanischen Ländern kostenloses Getreide als Kompensation für das Ausbleiben von ukrainischen Exporten, die er selbst verhindert hat. Das Angebot ist jedoch blanker Schwindel, ein zynischer Zug im geopolitischen Spiel mit dem Welthunger. Russland hat zuletzt eine Rekordernte eingefahren und mit dem Kornexport in einem Jahr etwa 41 Milliarden Dollar verdient. Der Rückgang der ukrainischen Lieferungen verknappt das lebenswichtige Getreide für Afrika und wird zu einem Preisanstieg auf dem Weltmarkt führen, der Moskau gelegen kommt. Es ist naiv zu glauben, dass sich Putin seine Wohltätigkeit teuer kosten lässt – das Gegenteil ist der Fall", betonen die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG heißt es: "Die russische Blockade der Getreideexporte schadet vor allem den ärmeren Ländern des globalen Südens und zwingt sie dazu, Farbe zu bekennen. Cyril Ramaphosas Botschaft an Putin in Sankt Petersburg ist dafür ein starkes Zeichen: Man sei nicht gekommen, um ihn um Spenden zu bitten, sagte Südafrikas Präsident da an seinen Gastgeber gerichtet. 'Wir möchten, dass das Schwarze Meer für den Weltmarkt geöffnet wird.' Für Putin bedeutet das noch nicht, dass sich Ramaphosa auf die Seite des Westens schlägt. Gerade in Afrika haben viele Staaten die diplomatische Krise rund um Russlands Angriffskrieg dazu genutzt, eine eigene, selbstbewusste Position aufzubauen. Putins Eskalation hat Ramaphosa dazu gebracht, seine Unabhängigkeit auch in die andere Richtung zu demonstrieren."