08. August 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen blicken auf die jüngsten Entwicklungen in der Partei Die Linke, analysieren die Debatte über den Umgang mit sogenannter Clan-Kriminalität und bewerten wirtschaftspolitische Vorschläge aus Regierung und Opposition.

Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke, gibt ein Pressestatement zu Beginn der Fraktionssitzung ihrer Partei.
Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
Zum angekündigten Rückzug von Linken-Fraktionschefin Mohamed Ali, die die politische Linie von Sahra Wagenknecht unterstützt, schreibt die DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen: "Es ist müßig zu ergründen, was zuerst da war: die selbstzerstörerischen Grabenkämpfe oder die politischen Alleingänge von Sahra Wagenknecht. Im Ergebnis kommt es auf das Gleiche raus: Die Linke richtet sich gerade zugrunde. Die Wahlniederlagen der jüngsten Zeit sind die Folge der tiefen Spaltung der Partei, die mit dem Namen Wagenknecht verbunden ist", kommentiert DIE RHEINPFALZ.
Aus Sicht der TAZ ist es "kein großer Verlust, dass Mohamed Ali nicht mehr als Chefin der Linksfraktion antritt": "Sie stieg als unbeschriebenes Blatt und Ersatz für Sahra Wagenknecht in die Fraktionsspitze auf. Eine eigene Handschrift und Agenda hat sie dort nie entwickelt. Mohamed Alis Verzicht wäre nicht weiter der Rede wert, käme darin nicht schon wieder das Elend der Linkspartei zum Vorschein. Die Partei hat derzeit etwas von einer gescheiterten Ehe. Man kann nicht hinschauen. Man kann nicht wegschauen", schreibt die TAGESZEITUNG aus Berlin.
"Diejenigen, die wie Mohamed Ali zu Sahra Wagenknecht halten, sind nicht mal die Mehrheit in der Partei", führt die FREIE PRESSE aus Chemnitz an. "Aber sie sind groß genug, um die Linke in den Abgrund zu reißen. Das wäre schade, denn es braucht eine Opposition, die vor allem die Belange der Schwächeren in der Gesellschaft im Blick hat. Man muss befürchten, dass es sie nicht mehr lange gibt", heißt es in der Zeitung FREIE PRESSE.
Nach Einschätzung der LAUSITZER RUNDSCHAU ist ein Kompromiss zwischen den beiden Lagern in der Partei nicht mehr möglich: "Der Konflikt belastet alle Bereiche der politischen Arbeit und lähmt die Kampagnenfähigkeit der Linken insgesamt. Je schlechter die Linken arbeiten, desto erfolgreicher jedoch dürfte die 'Liste Wagenknecht' starten. Falls sie tatsächlich kommt", mutmaßt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER sieht eine Chance für Die Linke nur, wenn sich die Flügel miteinander versöhnen - hegt jedoch Zweifel: "Der desolate Zustand der Partei beruht auf dem Versagen der Parteiführung um Janine Wissler und Martin Schirdewan. Es wäre deren Aufgabe, zwischen den unterschiedlichen Lagern sowie zwischen Basis und Fraktion zu vermitteln und den Richtungsstreit beizulegen. Stattdessen setzen sie voll auf Ausgrenzung und drängen damit Wagenknecht und deren Anhänger aus der Partei", erläutert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Und die FRANKFURTER RUNDSCHAU überschreibt ihren Kommentar mit den Worten: "Linker Machtkampf": "Egal wie er ausgeht – er richtet enormen Schaden an für die Linke. Ungewiss ist, wie lange sie noch den Fraktionsstatus im Bundestag behält: Sollten drei ihrer 39 Abgeordneten austreten, wäre es damit vorbei. Am Ende könnte ein Scherbenhaufen bleiben. Und keine Option mehr für Wählerinnen und Wähler, die linke Politik befürworten", prophezeit die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Der Vorschlag von Bundesinnenministerin Faeser, auch Angehörige von sogenannten Clan-Kriminellen abzuschieben, wird nach wie vor breit diskutiert. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm weist darauf hin, dass es die Sippenhaft zu Recht nicht mehr gebe: "In eine bestimmte Familie geboren zu werden, ist nicht vergleichbar mit einer freiwilligen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wofür die leichtere Abschiebung schon möglich ist. Die rechtliche Ausgestaltung der Ideen aus dem Innenministerium ist auch noch nicht geklärt. Wer prüft beispielsweise die Stichhaltigkeit der Verdachtsmomente, die die Ausländerbehörden angeblich festgestellt haben? Und wie sinnhaft ist dieser Weg, wenn am Ende doch ein Prozess ansteht, wenn gegen die Abschiebung Rechtsmittel eingelegt werden?", fragt die SÜDWEST PRESSE.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG vermisst wesentliche Grundlagen in Faesers Plänen: "Eine Vereinfachung von Abschiebungen setzt belastbare Regelungen mit den Herkunftsländern der betroffenen Personen voraus. Und die scheinen in weiter Ferne zu sein. Weder Kanzler Scholz von der SPD noch Außenministerin Baerbock von den Grünen und auch nicht der Sonderbeauftragte für Migrationsabkommen, Stamp, von der FDP konnten bislang Erfolge vorweisen", hebt die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG hervor.
Zweifel an der Rechtstaatlichkeit äußert auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Eine reine Verwandtschaftsbeziehung kann verfassungsrechtlich keine Grundlage dafür sein, da Abschiebungen dann auch unbescholtene Menschen treffen könnten. Ein Verdacht ist kein Beweis und mag falsch sein. Man tut aber weder dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung noch der Kriminalitätsbekämpfung einen Gefallen mit Vorschlägen, die das Bundesverfassungsgericht im Zweifel bald wieder kippen würde", findet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Nach Auffassung der Zeitung DIE WELT gehen die Vorschläge der Bundesinnenministerin auch mit Blick auf die Asylpolitik in die richtige Richtung - reichen aber nicht aus: "In Deutschland müssen die Leistungen für Asylbewerber reduziert und die Abschiebungspraxis verschärft werden. Es ist bedauerlich, dass die Grünen dabei bremsen wollen. Sie müssen aufpassen, dass sie nicht zu einer Partei von meist urbanen Wohlstandsegoisten werden, die sich in ihrer Behaglichkeit eingerichtet haben und humane Asylpolitik und strenge Klimaauflagen mit Inbrunst verteidigen – solange sie davon selbst nicht spürbar betroffen sind", schreibt die Zeitung DIE WELT.
Und die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG sieht in den Äußerungen Faesers, die in Hessen Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl ist, einen - Zitat: "Wahlkampf übelster Manier": "Es handelt sich zugleich um einen Siegeszug des Rechtspopulismus, wenn eine Regierungspartei abstruse und rechtsstaatsferne Regelungen erlassen will. Aber auch verfassungsrechtlich ist die Faeser-Idee ein echter Rohrkrepierer", schreibt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG greift Zahlen des Ifo-Instituts auf, wonach die Mittelschicht in Deutschland schrumpft. Sie interpretiert die Studie folgendermaßen: "Wer beruflich ohnehin gut etabliert ist, spürt finanzielle Anreize, sich nach oben hin aus der Mitte zu verabschieden. Wer aber wegen eines geringen Verdienstes Ansprüche auf Sozialleistungen hat, für den lohnt es sich finanziell umso weniger, den Aufstieg in die Mittelschicht zu versuchen. Der übliche Reflex deutscher Sozialpolitik auf Alarmglocken aller Art ist das Ausweiten steuer- und abgabenfinanzierter Sozialleistungen. Irgendwann wird sie lernen müssen: Diesen Reflex abzuschalten wäre der beste Beitrag zur Stärkung der Mittelschicht", meint die F.A.Z.
Von einer "sehr bedenklichen Entwicklung" in Deutschland ist im Meiungsbeitrag der FRANKENPOST aus Hof die Rede: "Die Mittelschicht hierzulande trägt dem Ifo-Institut zufolge europaweit mit die höchste Steuer- und Abgabenlast. Es besteht großer Konsens darüber, dass den Schwachen geholfen werden soll. Aber es darf bei denjenigen, die den Karren ziehen, nicht der Eindruck entstehen, dass ihre Leistungen zu wenig geschätzt werden", warnt die FRANKENPOST.
Abschließend ein Blick in die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG, die im Zusammenhang mit der Ifo-Studie Steuervorschläge des Deutschen Gewerkschafts-Bundes aufgreift: "Den Grundfreibetrag, ab dem überhaupt Steuern gezahlt werden müssen, auf 14.500 Euro zu erhöhen, ist sicher richtig. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von derzeit 62.810 Euro wäre es nicht. Das nämlich träfe die gesellschaftliche Mittelschicht über Gebühr – und die schrumpft laut jüngster Analyse des Ifo-Instituts ohnehin immer weiter, was keine gute Nachricht ist; schließlich ist die Mittelschicht der tragende Pfeiler der Gesellschaft." Mit diesem Zitat aus der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG endet die Presseschau.