
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle meint, dass sich der demokratische Westen 2021 in Afghanistan getäuscht habe. "Und er täuscht sich immer noch. Der Glaube, die Taliban würden wegen finanzieller Abhängigkeiten zu Zugeständnissen bereit sein, ging fehl. Es geht dort weiterhin steinzeitlich zu. In Afrika hat der besagte Westen mittlerweile ähnliche Irrtümer zu beklagen. Äthiopiens Ministerpräsident Ahmed bekam den Friedensnobelpreis. Anschließend brach er einen Bürgerkrieg vom Zaun. Den Bürgerkrieg im Sudan sah ebenfalls niemand voraus. In Mali sollten UN-Truppen für Stabilität sorgen – nun herrscht dort ein Militärregime. Schließlich Niger. Hier gab es nach Burkina Faso, Guinea und Mali den vierten Putsch binnen weniger Jahre. Bis zuletzt hoffte nicht allein die Bundesregierung, er werde wegen ökonomischer Nöte und mangelnder Unterstützung aus der Bevölkerung in sich zusammenfallen – eine Illusion", schreibt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER NEUE PRESSE unterstreicht, dass von den demokratischen Errungenschaften in Afghanistan kaum etwas übriggeblieben sei. "Bislang gibt es kein Konzept für den Umgang mit den Taliban. Da deren Herrschaft in absehbarer Zeit jedoch kaum enden wird, die Menschen vor Ort aber dringend Hilfe brauchen, wird auch Deutschland nichts anderes übrigbleiben, als zumindest gegenüber gemäßigten Vertretern Zugeständnisse zu machen."
Die Zeitung ND DER TAG macht den Westen mitverantwortlich für die Existenznot Vieler in Afghanistan. "Für die Lage der Bevölkerung interessierten sich die USA, die Nato und die EU-Staaten schon während der Besatzung kaum. Geflüchtete wurden dorthin abgeschoben, obwohl Afghanistan neben Syrien als gefährlichstes Land der Welt galt. Man erinnere sich an den deutschen CSU-Innenminister Seehofer, der sich 2018 an seinem 69. Geburtstag über 69 abgeschobene Afghanen freute. Nach dem übereilten Abzug aus dem Land froren die USA afghanische Staatsgelder ein, was die herrschende Wirtschaftskrise befeuerte. Wenn Hilfsorganisationen jetzt fordern, pragmatisch mit den Taliban zu kooperieren, um die Grundversorgung von Menschen mit Nahrung und Medizin sichern zu können, ist das bitter. Aber letztlich gibt es keinen anderen Weg“, erläutert ND DER TAG.
"Die vollständige Isolierung der Taliban muss beendet werden", fordert auch der TAGESSPIEGEL. "Es gilt, informelle Formate zu finden, um zu konkreten Themen miteinander zu sprechen. Und zwar ohne den Taliban dabei eine Bühne zu bieten. Ohne durch Mitgliedschaften ihre Anerkennung zu suggerieren. Und ohne eine schleichende Normalisierung ihrer menschenverachtenden Politik zuzulassen. Vorrangig ist der Kampf gegen die humanitäre Katastrophe. Denn die afghanische Bevölkerung leidet enorm. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Afghanistan hat in der Region eine Schlüsselposition. Ob es um die Abstimmung von Wassernutzung mit Iran oder die Bekämpfung von Terrorismus mit Pakistan geht: Wenn das Taliban-Regime in diesen Fragen weiterhin nur sehr eingeschränkt handlungsfähig bleibt, kann das schwerwiegende Folgen haben", notiert der TAGESSPIEGEL. Nun zu einem anderen Thema.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG betont, dass die Konjunkturaussichten in den kommenden Monaten weder für einen schlimmen Absturz noch für eine kräftige Erhöhung sprächen. "Die Regierung darf zwar darauf hoffen, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten deutlich zurückgehen wird, aber daraus folgt keineswegs, dass sich dieser Rückgang im kommenden Jahr geradewegs bis zur Zielgröße der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent fortsetzen wird. Die Nachrichten aus anderen Weltgegenden, nicht zuletzt aus China, sprechen auch nicht für eine sprunghafte Zunahme der Nachfrage nach Exporten aus Deutschland. Der Bundesregierung wird nichts anderes übrigbleiben, als rasch ihre wirtschaftspolitischen Hausaufgaben zu machen, um den Standort zu stärken. Diese Aufgaben können nicht darin bestehen, einfach Geld auszugeben", konstatiert die F.A.Z.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg moniert eine "überbordende Bürokratie" und fordert mehr als nur politische Ansagen: "Aber der Kanzler findet, alles entwickle sich gut. Wenn diese Koalition sich nicht zu einer umfassenden Agenda durchringt, wird das die nächste, dann vermutlich CDU-geführte Regierung übernehmen. Denn die selbst ernannte 'Koalition des Fortschritts' unter Scholz zeigt sich bisher nur in Sachen Energie fortschrittlich - und da auch nur aufgrund des Ukrainekrieges. Wo bleibt das versprochene Klimageld? Wo der Bürokratieabbau? Eine Reform der Aktiensteuer? Die Ampel? Steht gefühlt auf Rot", kritisiert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Die STRAUBINGER ZEITUNG geht auf die Forderung von Bundeswirtschaftsminister Habeck ein, mehr für den Bürokratieabbau zu tun. "Es klingt gut, wenn der Grüne erklärt, 'wir denken von den Bürgern und Unternehmen aus, nicht von Paragrafen'. Seine Partei schien das bisher anders zu sehen, war sie doch besonders erfindungsreich, wenn es um neue Vorschriften und Standards ging. Deshalb bleibt abzuwarten, wie ernst Habeck es wirklich meint. Gut, wenn es künftig bei der Installation eines Balkonkraftwerks schneller und einfacher gehen soll. Doch darf sich Bürokratieabbau nicht nur auf Bereiche beschränken, die – wie Ökostrom – grünen Interessen entsprechen. Die neue Deutschland-Geschwindigkeit wird auf breiter Front gebraucht", heißt es in der STRAUBINGER ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus findet, dass zunächst die Verwaltung digitalisiert werden sollte. "Der Staat würde bürgerfreundlicher – was in Zeiten von zunehmendem Frust über 'die da oben' schon mal ein großer Pluspunkt wäre. Zudem würden unkomplizierter verlaufende Antrags- und Genehmigungsverfahren der gebeutelten Wirtschaft wieder auf die Sprünge helfen. Nötig für einen Zwischenspurt wäre, dass die Verwaltungsdigitalisierung auf der Prioritätenliste der Bundesregierung umgehend ganz nach oben rückt. Dann wird aus 'Analogistan' am Ende vielleicht doch noch eine Digitalrepublik", hofft die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Zuletzt zwei Kommentare zu den technischen Problemen bei der Luftwaffe. Bundesaußenministerin Baerbock musste wegen eines Defekts an ihrer Regierungsmaschine ihre Reise nach Australien unterbrechen. Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg analysiert: "Gemessen an der Zahl der Einwohner verfügt Deutschland mit Abstand über die größte Regierungsflotte der Welt. Dieser an sich schon kritikwürdige Umgang mit Steuergeldern führt aber offenbar nicht dazu, dass zu jedem Zeitpunkt ein technisch einwandfreies Flugzeug verfügbar ist. Fakt ist: Die Bundeswehr hat auch im nichtmilitärischen Bereich ein massives Problem mit Wartung und Instandhaltung. Man sollte Außenministerin Baerbock aber auch an ihre - vielfach gebrochene - Zusage vor Amtsantritt erinnern, dass sie für Dienstreisen überwiegend Linienflüge oder den Zug nutzen wolle. Mit einem Linienflug hätte sie CO2-Emissionen vermindern können. Aber dann wäre ihre große Entourage aus Außenamt und deutschen Medien nicht mit an Bord gewesen. Baerbocks Mission in Australien und Ozeanien hätte dies vermutlich aber nicht geschadet", mutmaßt die VOLKSSTIMME.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg merkt an: "Keine Airline der Welt hat eine Zuverlässigkeit von 100 Prozent, auch die Flugbereitschaft nicht. Die Bundesregierung hat auch längst Schlüsse aus vergangenen Pannen gezogen. Die älteren Langstrecken-Jets der Flugbereitschaft werden ersetzt. Jener nun defekte Flieger, mit dem Baerbock reiste, soll Ende September ausgemustert werden. Es besteht also Grund zur Hoffnung, dass es solche Meldungen in Zukunft seltener gibt." Mit diesem Kommentar aus der BADISCHEN ZEITUNG endet die Presseschau.