
"Das Kabinetts-Chaos in dieser Woche ist Teil eines Musters, aus dem die Koalition nicht herauszufinden scheint", schreibt die BERLINER MORGENPOST: "...und mit dem sie Schaden anrichtet weit über die eigene Agenda hinaus. Der Druck auf das demokratische Fundament der Gesellschaft ist erheblich. Man möchte den Koalitionären zurufen: Reißt euch zusammen! Ihr ruiniert nicht nur den eigenen Parteien die mentale Robustheit und die Wahlergebnisse, sondern den Zusammenhalt des Landes", heißt es in der BERLINER MORGENPOST.
"Eine funktionierende Koalition lebt davon, dass sich die Koalitionspartner gegenseitig einen politischen Erfolg gönnen können", findet die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Politisch klug ist es, sich darüber abzustimmen, wer sich mit welchem Thema profiliert – und am Ende zugleich Profil zu gewinnen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Das stärkt das Vertrauen in der Bevölkerung. Stattdessen verhaken sich die Streithähne und -hennen am Haushalt für 2024. Auffallend ist dabei diesmal, dass es inhaltlich nicht um gegensätzliche Ziele geht, sondern um unterschiedliche Prioritäten. Kein Koalitionspartner bestreitet, dass die Kinderarmut energisch bekämpft und die Wirtschaft in Gang gebracht werden müssen. Beide Ziele könnten sogar positiv in der Bevölkerung ankommen, wenn sie gemeinsam vertreten würden", notiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Durch ihre Egotrips schaden die Koalitionäre der Demokratie", meint auch die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg: "Wenn das Vertrauen in den Staat schwindet, wie erst jüngst Umfragen bestätigen, muss dies zum Umdenken und zu handwerklich sauberer Regierungstätigkeit führen. Versprechen, die im Bündnis getroffen werden, sind einzuhalten. Radikale Parteien wie die AfD freuen sich, dass sie die Demokratie gar nicht selbst zersetzen müssen. Das erledigen die Demokraten selbst. Nun ist Führung gefragt: Kanzler Scholz gilt aber bei drei Vierteln der Deutschen als durchsetzungsschwach. Der SPD-Politiker hat noch zwei Jahre, um die weit überwiegende Mehrheit vom Gegenteil zu überzeugen. Diese Zeit muss er nutzen", fordert die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
"Das bevorzugte Instrument im politischen Wettbewerb ist es heutzutage, permanent die Vorschläge und Ansätze der anderen zu zerreden", konstatiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Oder die Konkurrenz durch Ränkespiele oder Indiskretionen in ein schlechtes Licht zu rücken. Natürlich ist es insbesondere in schnelllebigen Zeiten wie diesen, in denen die Aufmerksamkeitsspanne der Bürger immer kürzer wird, verführerisch, auf das Haar in der Suppe der anderen zu deuten. Eine Schwäche lässt sich deutlich leichter präsentieren, als mühsam die Vorzüge der eigenen Konzepte darzulegen. Das Problem ist, wenn alle nur versuchen, den anderen dumm dastehen zu lassen, stehen am Ende alle dumm da", merkt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER an.
"Wo ist eigentlich der Kanzler?", fragt sich die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen: "Was macht Olaf Scholz? Vorgängerin Angela Merkel konnte wenigstens das Gefühl rüberbringen, zwischen den widerstreitenden Interessen präsidial zu vermitteln und die Dinge zusammenzuführen. Doch der jetzige Inhaber der Richtlinienkompetenz wirkt gelegentlich ebenso seltsam unbeteiligt wie die SPD. In einer Lage, in der immer dunklere Wolken am Wirtschaftshimmel aufziehen, lässt sich der Kanzler vom grünen Koalitionspartner auf der Nase herumtanzen", moniert die RHEINPFALZ.
Die TAZ kommentiert, dass Familienministerin Paus mit ihrem Veto richtig gehandelt habe: "Wer sich wie Lindner bei etwas so Wichtigem wie mehr Geld für den Kampf gegen Kinderarmut querstellt, der sollte seine eigenen Projekte nicht reibungslos durchbringen können. Kompromissbereitschaft ist keine Einbahnstraße. Daran zu erinnern, ist mutig – und angemessen. Und das gilt auch, wenn Lindners Gesetzespläne Ende des Monats bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts verabschiedet werden sollten. Allerdings darf das nicht zum Nulltarif geschehen." Soweit die TAZ.
Die USA haben dem Verkauf des gemeinsam mit Israel entwickelten Raketenabwehrsystems Arrow-3 an Deutschland zugestimmt. Für die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg ist das aus mehreren Gründen erfreulich: "Zum einen schließt die Bundeswehr eine Lücke in ihrer Verteidigung, die schon lange besteht. Zum anderen hat Deutschland eine europäische Verantwortung, nicht nur sich selbst, sondern auch seine Verbündeten zu schützen – insbesondere in Osteuropa. Mit dem Kauf von Arrow 3 wird das besser möglich sein", prognostiziert die BADISCHE ZEITUNG.
Die FRANKENPOST aus Hof mahnt: "Wie immer gilt bei Rüstungsprojekten jedoch, dass man ein besonderes Auge auf die Ausgaben haben sollte. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass solche Anschaffungen häufig teurer werden als geplant."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG betont, dass das zusätzliche Geld für die Bundeswehr gerade ein Anfang sei: "Das mühsame Ringen um das Zwei-Prozent-Ziel, das ja kein Fetisch ist, sondern eine NATO-Vereinbarung, die aus guten Gründen schon lange vor dem Ukrainekrieg getroffen wurde, spricht leider für sich. Am Ende muss eine gewisse Autarkie Deutschlands und Europas stehen, in der Energie- und Versorgungssicherheit wie in der Wehrhaftigkeit. Der Preis dafür ist nicht hoch, wenn man bedenkt, dass unser Leben in Freiheit, Frieden und Wohlstand auf dem Spiel steht", unterstreicht die F.A.Z.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus sieht den Einkauf der Raketenabwehr kritisch: "Denn statt wie gewöhnlich auf ein eigenes, in europäischer Kooperation entwickeltes Projekt zu setzen, entschied sich die Regierung, ein vorhandenes System zu kaufen. Von der Stange sozusagen, dafür aber schnell verfügbar. Dass Deutschland mit Arrow 3 vor allem gegen russische Angriffe geschützt werden soll, mag manch einem nicht in den Kram passen, die von Kalter-Krieg-Logik sprechen, die es zu vermeiden gelte. Das sind wichtige Argumente, die jedoch angesichts der aggressiven russischen Außenpolitik schnell von der Wirklichkeit widerlegt werden könnten", warnt die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bewertet den Kauf von Arrow 3 als Anfang einer wirksamen Luftabwehr für den Ernstfall: "Auch in ihren Auswirkungen schätzen Experten die Aufrüstung in Sachen Flugabwehr zwiespältig ein. Sie könnte ein Wettrüsten in Gang setzen, das die Welt am Ende nicht sicherer macht. Bessere Abwehr ermuntert zum Bau besserer Raketen, die sie umgehen können", befürchtet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Nach dem Rücktritt von Bartsch als Fraktionsvorsitzender der Linken braucht die Partei einen Nachfolger. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG erklärt: "Wenn mit dem Abgang von Bartsch der jahrelange Konfrontationskurs zwischen Parteispitze und Fraktionsführung zu Ende gehen soll, dann muss jetzt Parteichefin Wissler nach der Macht greifen. Nur eine Personalunion von Partei- und Fraktionsführung kann in dieser Krise den Laden vielleicht noch zusammenhalten", empfiehlt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Das STRAUBINGER TAGBLATT geht auf die Schnittmenge von AfD- und Wagenknecht-Unterstützern ein: "Es gibt ein Lager von Unzufriedenen, die sich von den Parteien der Mitte nicht vertreten fühlen. Und in dem reichen Deutschland gibt es viele, die vom Wohlstand nichts oder zu wenig haben. Wo ist deren politische Heimat? Wo nimmt man sie ernst, wo spricht man ihre Sprache und wo werden deren Interessen eigentlich vertreten? Die Linke wäre durch Wagenknechts Neugründung wohl am Ende, aber linke Politik hätte trotzdem noch eine Chance und ein Gesicht, ob man das nun mag oder nicht." Mit dem Kommentar aus dem STRAUBINGER TAGBLATT endet diese Presseschau.