Donnerstag, 16. Mai 2024

11. September 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden der Rauswurf von Fußball-Nationaltrainer Flick und die Ankündigung der Linken-Politikerin Wagenknecht, eine eigene Partei zu gründen. Aber zunächst zum Abschluss des G20-Gipfels in Indien.

11.09.2023
US-Präsident Joe Biden, der indische Premier Narendra Modi und Brasiliens Präsident Lula da Silva beim G20-Gipfel.
US-Präsident Biden (links) und der brasilianische Präsident da Silva (rechts) umrahmen den Gastgeber Modi. (imago-images / ZUMA Wire / Seshadri Sukumar)
Das STRAUBINGER TAGBLATT spart nicht mit Kritik am deutschen Bundeskanzler: "Scholz wertete das Treffen öffentlich als 'sehr erfolgreich'. Für die Menschen in der Ukraine muss sich das wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen. Die Bundesregierung zückt das Scheckbuch und liefert für Milliarden Euro Waffen und Gerät ins Kriegsgebiet. Neben der materiellen ist die ideelle Unterstützung aber wohl mindestens ebenso wichtig, und die fehlte in Neu-Delhi völlig. Die Ukraine war, auch auf Druck Chinas und Russlands, von Indien nicht eingeladen worden. Selbst eine Zuschaltung von Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video kam nicht zustande. Scholz hätte andere Möglichkeiten gehabt, als diesen Zirkus mitzumachen", meint das STRAUBINGER TAGBLATT.
Positiver sieht hingegen die FRANKFURTER RUNDSCHAU die Abschlusserklärung: "Diesmal war es für die Wirtschaftsmächte schwieriger als vor einem Jahr in Indonesien, sich auf eine Abschlusserklärung zu verständigen. Die Einigung ist ein noch erträglicher Kompromiss. Das ist gut. Das ist aber auch schon alles. Gegen Putin hilft allein die Widerstandsfähigkeit von Staaten, die der Ukraine das Recht zusprechen und verteidigen, das sie selbst für sich in Anspruch nehmen: Nicht angegriffen und zerstört zu werden. Diese Formulierung hat Eingang in die G20-Erklärung gefunden mit dem Respekt vor der 'territorialen Integrität'. Russland bleibt am Pranger", bilanziert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg schaut auf die geostrategischen Auswirkungen des Spitzentreffens: "Die offizielle Spaltung der Welt hat der G20-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsnationen noch einmal aufschieben können. Abgewendet ist sie nicht - sollte nicht noch ein politisches Wunder geschehen, ist sie sogar unausweichlich. Aus wirtschaftlicher und politischer Furcht vor den BRICS-Staaten um China, Russland und Indien haben die Spitzen der westlichen Welt einer windelweichen G20-Schlusserklärung zugestimmt, die im Gegensatz zum Vorjahr auf die ausdrückliche Verurteilung des barbarischen russischen Kriegs gegen die Ukraine verzichtet. Dieses Lavieren wird den globalen Bedeutungsverlust des Westens aber nicht stoppen können", prophezeit die VOLKSSTIMME.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält fest: "Der Bestand der G 20 ist damit fürs Erste gesichert, ihre Bedeutung noch nicht. Die Aufnahme der Afrikanischen Union könnte sie attraktiver machen und verhindern, dass der von China dominierte BRICS-Verbund weiter an Gewicht gewinnt. Dass diese und andere Staatengruppen heute eine größere Rolle in der Weltpolitik spielen als vor einigen Jahren, ist auch Ausdruck eines Bedeutungsverlusts der Vereinten Nationen. Das Problem ist nicht nur der Sicherheitsrat, dessen Zusammensetzung und Kompetenzen, Stichwort Veto, nicht mehr in die Zeit passen. Eine multipolare Welt ist vor allem eine der Bündnisse, nicht der globalen Zusammenarbeit", konstatiert die F.A.Z.
Für die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ist die G20-Abschlusserklärung ein "Formelkompromiss": "Wenn sowohl Russland und China als auch die EU und der Bundeskanzler sie als Erfolg verkaufen können, ist sie so wachsweich, dass jeder daraus lesen kann, was er möchte. Es war mühsam, überhaupt festzuhalten, dass es einen 'Krieg in der Ukraine' gibt. Der russische und der chinesische Präsident blieben dem Gipfel fern. Was folgt daraus für Europa? Die Annahme, dass die G 20 den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine als zentralen Konflikt begreift und sein baldiges Ende für sie Priorität hat, ist falsch. Für andere mächtige Staaten und kleinere aufstrebende Länder des Südens ist es ein regionaler Konflikt, für dessen Lösung sie es sich nicht mit großen Ländern wie China und Russland verderben möchten. Europa und die USA stehen in ihrer Solidarität mit der Ukraine weitgehend allein", stellt ernüchtert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG fest.
Themenwechsel: Die frühere Linken-Fraktionschefin Wagenknecht hat sich einem Zeitungsbericht zufolge inzwischen zur Gründung einer neuen Partei entschlossen. Dieser Schritt ist für die TAGESZEITUNG aus Berlin überfällig: "Seit Monaten kündigt sie den Schritt an, und viele ihrer Noch-Parteikolleg:innen warten sehnsüchtig darauf, dass sie endlich von Bord geht. Zu lange hat sie sich auf Kosten der Linkspartei profiliert und mit Alleingängen gequält. Fraglich ist nur, ob Wagenknechts Rechnung aufgeht. Warum sollte ihr jetzt gelingen, was ihr mit ihrer 'Aufstehen'-Bewegung vor fünf Jahren nicht geglückt ist? Wagenknecht möchte insbesondere AfD-Wählern eine neue politische Heimat bieten, erklärt sie immer wieder. Denn viele wählten die rechtsextreme Partei nur 'aus Verzweiflung'. Wagenknecht will ihnen mit einem linksnationalistischen Kurs entgegenkommen. Viel spricht dafür, dass die meisten die AfD genau für das wählen, was sie ist: rechtsextrem", gibt die TAZ zu bedenken.
Die linke Zeitung ND DER TAG vermutet hinter der Ankündigung von Wagenknecht eine Marketing-Strategie: "Eigentlich müsste man diesen Kommentar nicht schreiben. Denn es ist nichts passiert. Die 'Bild'-Zeitung behauptet nach einem Gespräch mit Sahra Wagenknecht, die Gründung ihrer Partei sei beschlossen. Gleichzeitig heißt es, die Entscheidung falle bis Jahresende. Wagenknecht schiebt ein halbes Dementi nach – noch stehe nichts fest. Nichts Neues also. Die Methode verdient aber doch einen Blick. Es ist ein Spiel mit verteilten Rollen. Wagenknecht streut Andeutungen, ihr Umfeld platziert Informationen und Spekulationen, die Medien machen daraus Pseudonews. Nie wurde über eine nicht existierende Partei so viel berichtet. Das ist gigantische Gratiswerbung, gezielt auf Kosten der Linken, der Wagenknecht immer noch angehört", kritisiert ND DER TAG.
Der Deutsche Fußball-Bund trennt sich von Bundestrainer Flick. Die AUGSBURGER ALLGEMEINE stellt dazu fest: "Die Trennung ist folgerichtig. Der 58-Jährige schaffte es während seiner Amtszeit nicht, dem Team eine Struktur, eine funktionierende Hierarchie zu geben, und scheiterte immer wieder an denselben Problemen. Sein Team wirkte mit jedem Spiel orientierungsloser, ideenloser, fahriger. Der DFB hat sich das Treiben zu lange angesehen, hielt nach dem peinlichen WM-Aus an ihm fest. Nun muss, neun Monate vor dem Start der Europameisterschaft im eigenen Land, ein Neustart im Eiltempo gelingen", mahnt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Für die BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN kam das Aus für den Bundestrainer neun Monate zu spät: "Flicks Mängelliste war lang. Unzählige Abwehrformationen hat er auflaufen lassen, Ergebnis: Sogar Hünen wie Antonio Rüdiger wackeln im DFB-Dress. Flick lud Spieler ein und wieder aus, nach welchen Kriterien, das war oftmals schwer nachzuvollziehen. Selbst die Mini-Vorbereitungszeit vor der WM nutzte Flick lieber dazu, dies und das auszuprobieren, anstatt eine Kernmannschaft einspielen zu lassen. So ging es munter weiter, mit dem Resultat, dass auch am Samstag gegen Japan ein Team hoch veranlagter Profis rat- und ideenlos auf dem Rasen stand", ist in den BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN zu lesen.
Zur Nachfolge macht der TAGESSPIEGEL aus Berlin diesen Vorschlag: "Allerdings wäre es auch mal an der Zeit, mit der Konvention zu brechen, nur auf deutsche Trainer zu setzen. In anderen Ballsportarten haben ausländische Trainer in Deutschland Großes bewirkt: Der Isländer Dagur Sigurdsson machte die Handballer 2016 zu Europameistern, der Finne Toni Söderholm leistete hervorragende Arbeit mit dem Eishockeyteam, die Harold Kreis mit WM-Silber im Mai veredelte. Über die Basketballer und ihren kanadischen Coach Gordon Herbert ist in den letzten Tagen ohnehin alles gesagt worden", erinnert der TAGESSPIEGEL an den Erfolg der Basketball-Nationalmannschaft, die erstmals den Weltmeistertitel gewann.