21. September 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zur Rede des Bundeskanzlers vor der UNO-Vollversammlung, der Befragung von Bundesinnenministerin Faeser in der Schönbohm-Affäre im Bundestag und zur Lage in der Konfliktregion Berg-Karabach.

Eine Landkarte des Konfliktgebietes Berg-Karabach im Südkaukasus.
Im Konfliktgebiet Berg-Karabach wurde eine Feuerpause vereinbart. (picture alliance / dpa-Grafik)
Zu der dort vereinbarten Feuerpause meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Die gute Nachricht am schnellen Waffenstillstand in Nagornyj Karabach ist, dass ein weiterer blutiger Krieg vermieden wird. Der mächtige Herrscher aus Baku hat nach Jahrzehnten des Konflikts Fakten geschaffen, die den veränderten Machtverhältnissen in der Region entsprechen. Doch selbst wenn die Karabach-Armenier ihre Waffen niederlegen, ist der Konflikt noch nicht gelöst. Nach Jahrzehnten von Hass und Hetze werden die Menschen sich nicht einfach in Aserbaidschans Staat integrieren lassen. Die Sorgen vor ethnischen Säuberungen sind absolut begründet", konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Mit der vereinbarten Waffenruhe wird das Elend in Berg-Karabach nicht vorbei sein", pflichtet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg bei: "Vielmehr droht es eine neue Stufe zu erreichen: Die Vertreibung der verbliebenen armenischen Bevölkerung aus Berg-Karabach, die mit Abgabe der Waffen den Aserbaidschanern hilflos ausgeliefert wäre. Eine enorme Belastung für die Flüchtlinge und Armenien, das auf die Aufnahme der Landsleute nicht vorbereitet ist. Gescheitert auf ganzer Linie sind auch die Russen. Sie agieren als politischer und militärischer Schiedsrichter in dem seit mehr als 30 Jahren schwelenden Konflikt. Nun muss sich Russland, durch seinen Krieg gegen die Ukraine geschwächt, die Bedingungen Aserbaidschans diktieren lassen", beobachtet die VOLKSSTIMME.
Die JUNGE WELT aus Berlin zeigt sich nicht überrascht, dass Moskau als Verbündeter Armeniens nicht intervenierte: "Russland kann es sich nicht leisten, seine Beziehungen zu Aserbaidschan zu strapazieren. Erstens, weil Aserbaidschan die russisch-iranische Allianz einschließlich von Waffenlieferungen über das Kaspische Meer nach Belieben blockieren kann. Zweitens, weil Aserbaidschan ein vom Westen umworbener Konkurrent Russlands auf dem Öl- und Gasmarkt ist. Und drittens, weil Russland die Türkei, die Schutzmacht Aserbaidschans, braucht, um nicht im Schwarzen Meer eingesperrt zu sein. Das alles wusste der aserbaidschnische Präsident Alijew, und das hat ihn ermutigt, die Bergkarabach-Frage militärisch zu lösen", ist die JUNGE WELT überzeugt.
Die TAZ hofft, dass die Europäer - anders als bei Russlands Annexion der Krim 2014 - im Fall von Aserbaidschan harte Sanktionen gegen das Land verhängen und so signalisieren: "Wir haben aus den Fehlern, die wir mit Russland gemacht haben, gelernt. Tun sie das nicht, könnte ein Szenario in den kommenden Jahren Realität werden: Russland wurde 2014 nicht aufgehalten. Acht Jahre später sollte die ganze Ukraine dran glauben. Aserbaidschan könnte ähnliche Pläne haben: Zu dem Land gehört nämlich die Exklave Nachitschewan, die vom Hauptland durch einen Streifen armenischen Staatsgebiets getrennt ist."
Die Abberufung des Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Schönbohm, hat im vergangenen Jahr hohe Wellen geschlagen. Nun musste Innenministerin Faeser dazu vor dem Bundestags-Innenausschuss Rede und Antwort stehen. Für die FRANKFURTER RUNDSCHAU ... "...ging die Sitzung aus wie das Hornberger Schießen. Auch im Ausschuss war das Getöse beim Auftritt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser beachtlich. Doch die SPD-Politikerin ging ohne größere Blessuren daraus hervor. Gewiss war die Absetzung des Präsidenten der Cybersicherheitsbehörde kein Glanzstück. Doch der Verdacht, die Ministerin habe den Verfassungsschutz eingespannt, um Schönbohm am Zeug zu flicken, lässt sich nicht halten. Dafür zeigt der Vorgang etwas anderes: dass Faesers Doppelrolle als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl mehr schadet als nutzt", findet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Dass die Opposition mit Nancy Faesers Auftritt nicht zufrieden war, überrascht sicher niemanden", hält die MÄRKISCHE ODERZEITUNG fest: "Wenn nicht alles täuscht, hat die Opposition aber nicht mehr sonderlich viel in der Hand. Die Ablösung des BSI-Chefs Schönbohm sei 'voreilig' gewesen, heißt es aus Unionskreisen. Das klingt nicht so, also ob sie auch an sich falsch war. Und trotzdem fällt Faeser die Causa Schönbohm auf die Füße. Daran ist sie selbst schuld. Wenn alles sich so zugetragen hat, wie sie es schildert, gab es keinen Grund, den Innenausschuss zu düpieren. Sie hat sich zu spät auf einen würdevollen Umgang mit den Parlamentariern besonnen. Wer wichtige Fragen verdrängt, wird irgendwann unter viel schlechteren Rahmenbedingungen Antworten geben müssen und riskiert, für unglaubwürdig gehalten zu werden," fügt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder an.
Für die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ist Faeser nur noch eine Ministerin auf Abruf: "Skeptiker hatten es geahnt, Wohlmeinende hatten sie gewarnt, nun scheint es zu kommen, wie von vielen Sozialdemokraten befürchtet: Für ihre Spitzenkandidatin Nancy Faeser sieht es kurz vor der anstehenden Landtagswahl in Hessen nicht so aus, als könne sie die CDU-Regierung aus dem Amt fegen. Und damit nicht genug, muss sich die Innenministerin in Berlin auch noch für den von ihr geschassten Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik verantworten. Haben beim Rauswurf von Arne Schönbohm politische Willkür und Interessen die Feder geführt anstelle des Beamtenrechts? Den Verdacht hat Faeser im Innenausschuss nach Ansicht der Opposition nicht nachhaltig entkräften können; es bleibt ein Geschmäckle."
Auch die PASSAUER NEUE PRESSE sieht Faeser geschwächt: "Wie so oft stellte sich nicht die Krise selbst als Problem heraus, sondern der Umgang mit ihr. Faeser hat die Affäre um den von ihr versetzten Behördenchef unterschätzt. Faeser agierte unsouverän, und ihr Verhalten wurde auch für Kanzler Scholz und die Ampel zunehmend zum Problem. Der Ausschuss-Auftritt ließ sich nicht mehr aufschieben. Ob das allerdings reicht, um die geringen Chancen auf das Hessen-Amt zu wahren oder wenigstens das Bundesministeramt zu retten, wird sich noch zeigen. Zugutehalten kann man Faeser, dass sie sich wenigstens nicht auf Erinnerungslücken berufen hat", merkt die PASSAUER NEUE PRESSE an.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz thematisiert die Rede von Bundeskanzler Scholz vor der UNO-Vollversammlung, in der er im Hinblick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine vor "Scheinlösungen" gewarnt hat: "Der Kanzler hat in New York eine Durchhalterede gehalten. Und er hat recht damit. Die Welt darf der russischen Aggression nicht nachgeben – auch wenn es aus der Sicht vieler Staaten ab einem bestimmten Punkt vielleicht für einen Moment lang einfacher erscheint. Sonst werden diejenigen ermuntert, die auch Kriegsgedanken haben."
Der WESER-KURIER aus Bremen geht auf einen anderen Aspekt in der Rede des Kanzlers ein: "In dieser Welt-Lage sind gute Multilateralisten wichtig. Das hat Scholz nicht direkt gesagt; aber sein Werben für mehr Gewicht im Sicherheitsrat für Afrika, Asien und Lateinamerika belegt: Er will einer sein – in bestehenden Bündnissen ebenso wie in neuen Allianzen. Das ist lobenswert und klug. Anstrengend natürlich auch. Aber für Deutschland in dieser Phase von globaler Instabilität unabdingbar."
Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG findet lobende Worte für Scholz' Engagement für den globalen Süden: "Der Kanzler hat einen neuen Ausgleich zwischen Nord und Süd zu seinem großen Thema gemacht und sich in New York wie schon bei seinen Reisen nach Afrika, Asien und Lateinamerika als Ansprechpartner angeboten, dem es um 'Augenhöhe' geht. Scholz hält das für eine weltpolitische Marktlücke und sieht Deutschland wegen seiner 1918 früh beendeten Kolonialgeschichte in einer besonders günstigen Position, sie zu besetzen."