10. Oktober 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Auch heute kommentieren zahlreiche Zeitungen die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen. Zunächst aber geht es um den Krieg im Nahen Osten.

Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff aus einem Gebäude der Stadt Rafah im Gazastreifen auf.
Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff aus einem Gebäude der Stadt Rafah im Gazastreifen auf. (Fatima Shbair / AP / dpa / Fatima Shbair)
"Die Verlierer stehen bereits jetzt fest", notiert die NORDWEST-ZEITUNG: "Es sind die Palästinenser. Nach den Bildern vom Wochenende wird niemand mehr die arabische Opfer-Mär glauben. Nach den Bildern vom Wochenende ist jede Art von Zweistaatenlösung auf viele Jahre undenkbar. Jeder, der sehen will, kann sehen, was passiert, wenn Territorium in unmittelbarer Nähe des israelischen Kernlandes von Menschen kontrolliert wird, die von Vernichtungswillen besessen sind", vermerkt die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg.
"Israels Regierung steht unter massivem Druck, Antworten auf fast unlösbare Fragen zu finden", betont die TAGESZEITUNG. "Der Konflikt mit den Palästinensern, der in der israelischen Politik zuletzt immer weniger eine Rolle gespielt hat, ist mit aller Grausamkeit zurück. Der düstere Erfolg der Hamas lässt die Meldungen der vergangenen Wochen, etwa über Annäherungen an Saudi-Arabien, wie aus einer anderen Zeit erscheinen. Es ist fraglich, wie ein anderer Umgang mit der Hamas hätte aussehen können, die offensichtlich nie an einer konstruktiven Lösung interessiert war. Doch eines lässt sich sagen: Der Ansatz israelischer Regierungen in den vergangenen Jahren, den Konflikt zu managen statt zu lösen, hat einen schweren Schlag erhalten", unterstreicht die TAZ.
Die Zeitung RHEINPFALZ warnt: "Das Pulverfass Naher Osten droht in die Luft zu gehen. Und 'der Westen' muss sich einmal mehr entscheiden, ob er seinen solidarischen Worten auch spürbare Taten folgen lässt. Wenn Entscheidungsträger in den USA, in Deutschland, in Frankreich das ernst nehmen, was sie derzeit in die Mikrofone sprechen, müssen sie entschieden gegen jene vorgehen, die den Terror der Hamas mit Waffen und mit Geld erst ermöglichen. Der Umgang etwa mit dem Iran muss kompromisslos werden, der Dialog zwischen Saudi-Arabien und Israel schleunigst befördert werden", fordert die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen.
Dass sich die Bundesregierung an Israels Seite gestellt habe, sei nicht nur aus historischen Gründen richtig, vermerkt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Im gezielten Niedermetzeln und Entführen von Zivilisten zeigt sich das wahre Gesicht der Hamas. Sie ist eine Terrororganisation, die den Staat Israel zerstören will. Deshalb ist es berechtigt, dass in Berlin und Brüssel eine Debatte über Finanzhilfen für die Palästinenser begonnen hat. Man muss humanitäre Ziele jetzt nicht komplett über Bord werfen, aber hier zeigt sich ein Grundproblem der westlichen Entwicklungshilfe: Selbst wenn sie nicht direkt bei Gruppen wie der Hamas landet, leistet sie doch einen Beitrag zur Stabilität ihrer Herrschaft", gibt die F.A.Z. zu bedenken.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hält fest: "So lange niemand garantieren kann, dass das Geld nicht auch bei der Hamas landet, verbietet sich jede weitere Überweisung eigentlich von selbst. Schon jetzt ist es nur schwer erträglich, dass die palästinensischen Behörden den Familien von Selbstmordattentätern Renten bezahlen – mit Geld, das aus anderen Ländern kommt, und zwar nicht nur aus arabischen Bruderstaaten. Zu einer gründlichen Inventur der bisherigen Politik gehört überdies die Frage, ob die Palästinenser tatsächlich ein eigenes UNO-Hilfswerk brauchen. So privilegiert ist kein anderes Volk", bemerkt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Nun zu den Wahlergebnissen in Bayern und Hessen. Der WIESBADENER KURIER stellt fest: "Viele dachten, dass die AfD alleine im Osten massiv an Zustimmung gewinnt. Nun triumphiert sie auch im Westen. Somit ist diese fahrlässig unscharfe Beschreibung der Situation durch die Wahlergebnisse korrigiert. Es gibt hier nichts zu entzaubern, es gibt hier nichts zu demaskieren! Dass die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall behandelt wird, spielt für ihre Wähler so gut wie keine Rolle. Populismus nährt sich von Angst. Und Angst hat, wer das Vertrauen in die Zukunft verliert. Politik muss deshalb überzeugend eine positive Idee für das Morgen entwickeln. Heißt: Vertrauen gewinnen, um Ängste zu nehmen", heißt es im WIESBADENER KURIER.
"Durch Deutschland geht ein gefährlicher Rechtsruck", schreibt der KÖLNER STADT-ANZEIGER. "Die Radikalen haben ihren Schrecken verloren. Die Hemmungen einiger Wählerinnen und Wähler, einer demokratiefeindlichen Partei ihre Stimmen zu geben, sind gesunken. Die AfD ist in Westdeutschland angekommen – das war bisher undenkbar."
ZEIT ONLINE kommentiert: "Spätestens jetzt ist es an der Zeit, mit einigen Lebenslügen der deutschen Politik aufzuräumen. Die AfD, die in beiden Ländern triumphierte, kann nicht länger einem ostdeutschen Sonderbewusstsein zugeschrieben oder als Partei der Abgehängten primär sozialpathologisch gedeutet werden. Die Grünen müssen anerkennen, dass sie weder eine Volkspartei sind noch die beanspruchte ideologische Hegemonie besitzen. Die Union mag sich vorerst bestätigt fühlen; doch ist es eben nicht nur kein Erfolg, wenn sich die AfD als eigentliche Siegerin der Wahlen feiern darf. Die Union steht vielmehr, ganz anders als die Grünen oder die SPD, vor existenziellen Herausforderungen. Die Zweifrontenstrategie des Friedrich Merz – die AfD als 'Feind', die Grünen als 'Hauptgegner' – wird auf Dauer nicht funktionieren", argumentiert ZEIT ONLINE.
Bundeskanzler Scholz will nach dem schlechten Abschneiden der SPD in Hessen an Bundesinnenministerin Faeser festhalten. Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg erklärt: "Nancy Faeser wollte Ministerpräsidentin in Hessen werden. Stattdessen hat sie dort bei der Landtagswahl ein katastrophales Ergebnis eingefahren. Die Wähler haben ihr schlimmstmöglich das Vertrauen entzogen. Doch Bundesinnenministerin will die in ihrem Heimatland krachend gescheiterte Faeser bleiben. Für Berlin also ist die Wahlverliererin noch gut genug. Jedenfalls nach Auffassung der Sozialdemokraten. Kanzler Olaf Scholz stärkt der schwer angeschlagenen Faeser den Rücken. Die Devise scheint zu lauten: Augen zu und durch. Im Amt hat Faeser auch vor der Wahl in Hessen nicht überzeugen können. Jetzt sind noch größere Zweifel angebracht, ob sie die vielfachen Herausforderungen, vor allem in der Migrationspolitik, meistern kann. Es ist aber zu erwarten, dass der Kanzler weiter an seiner Ministerin festhält. Eine angezählte Faeser dürfte angesichts des enormen Verdrusses mit der Ampel-Regierung insgesamt noch eines seiner geringeren Probleme sein", überlegt die VOLKSSTIMME.
"Kabinettsumbildungen sind hierzulande leider sehr selten", wirft die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder ein. "Ein Minister ohne persönlichen Skandal an der Backe bleibt in der Regel auch vier Jahre im Amt. Egal, wie schlecht seine Arbeit auch sein mag. Man sollte nicht unterschätzen, was diese Beamten-Denkweise für Zeichen an die Bevölkerung sendet."
"Eine konservative bis rechte Mehrheit im Land hat kein Vertrauen mehr in diese Regierung", konstatiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Und darum muss diese endlich in Wallung kommen – bei allerlei Themen, aber vor allem bei der Migration. Die gute Nachricht: Noch wäre Zeit genug. Die schlechte: Es ist nicht klar, ob diese Botschaft der beiden Landtagswahlen auch tatsächlich angekommen ist auf Bundesebene. Das Festhalten des Bundeskanzlers an Innenministerin Nancy Faeser, die auf Landes- und Bundesebene gleichermaßen versagt hat, lässt da wenig Gutes erwarten", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die Zeitung ND.DER TAG stellt dagegen fest: "Gemeinhin wird die Migrationspolitik für das Erstarken der Rechten verantwortlich gemacht. Es bräuchte mehr Vergrämung, so die Annahme bis weit in die politische Mitte hinein. Als Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, gab es diese Diskussion nicht. Zudem werden bei Geflüchteten aus Syrien oder Somalia die Fluchtgründe ausgeblendet. Damit etabliert sich eine Politik, die zunehmend unmenschliche Züge annimmt und mit dem antifaschistischen Erbe der Republik immer weniger vereinbar ist", kritisiert ND.DER TAG.