Freitag, 10. Mai 2024

17. Oktober 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt steht die Parlamentswahl in Polen, nach der sich ein Regierungswechsel andeutet. Weiteres Thema ist die Entwicklung im Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen.

17.10.2023
Donald Tusk, ehemaliger polnischer Ministerpräsident und Oppositionsführer, spricht zu Anhängern in der Parteizentrale seiner Partei.
Donald Tusk, ehemaliger polnischer Ministerpräsident und Oppositionsführer, spricht zu Anhängern in der Parteizentrale seiner Partei. (Petr David Josek/AP/dpa)
Zur Wahl in Polen heißt es in der Zeitung DIE WELT: "Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Bei der Parlamentswahl ist Jaroslaw Kaczynskis rechtsnationale PiS zwar stärkste Partei geblieben, hat aber deutlich an Stimmen verloren. Noch ist nicht klar, wem der aus der PiS kommende Staatspräsident Duda den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird. Und noch ist nicht abzusehen, welche Tricks der PiS einfallen, um das Wahlergebnis zu drehen. Wie es auch eine Herkulesaufgabe sein wird, die von der PiS angerichteten politischen Schäden wieder zu beheben – im Justizwesen, in der Abtreibungsfrage, in der Medienlandschaft. Deutschland, dem stärksten EU-Mitglied, kommt nun eine besondere Aufgabe zu. Es hat in den Merkel-Jahren und auch unter Scholz nichts getan, um Polen dem ihm gebührenden Platz im Gefüge der EU zu verschaffen. Es wäre daher klug, das so schnell wie möglich zu korrigieren", empfiehlt DIE WELT.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint: "Die beeindruckend hohe Wahlbeteiligung von fast 73 Prozent, so hoch wie noch nie, zeugt davon, dass die Polen die Bedeutung ihrer Wahl verstanden haben. Nach acht Jahren der PiS-Dominanz ist das Land ausgezehrt, polarisiert und isoliert. Diese Wahl bot die womöglich letzte Chance, Polen ins Lager der Demokratien zurückzuholen. Nachdem die Medien, die Gerichte, die öffentliche Verwaltung dem ideologischen Weltbild der PiS unterworfen waren, blieben nur noch die Wählerinnen und Wähler, die mit einem Kreuz auf dem Stimmzettel Polens Absturz in die 'illiberale Demokratie' nach dem Modell Viktor Orbáns verhindern konnten", erläutert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG bemerkt: "Polens neue Mittelschicht sieht sich selbstverständlich als Europäer und wünscht sich ein Ende der alten Spaltungen in der Innenpolitik. Dass nun mit dem 66-jährigen Donald Tusk ein Vertreter dieser alten Politikgeneration zurück an die Macht kommen dürfte, ist für den Übergang vielleicht von Vorteil. Es ist viel zerstört worden an den Fundamenten des Rechtsstaats. Die Beziehungen zu Berlin und Brüssel haben arg gelitten. Hier muss schnellstmöglich Vertrauen wiederhergestellt werden. Polen ist als Frontstaat der EU und NATO zur Ukraine zu wichtig, um sich eine langwierige Regierungsbildung und Instabilität leisten zu können", mahnt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Ganz leicht wird es für Tusk nicht", stellt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG fest. "Seine mögliche liberale Regierung aus drei Koalitionären liegt in Fragen wie Atomkraft und Abtreibung weit auseinander, was Reformen und die Entscheidungsfindung schwer machen wird. Im Parlament stehen sie einer starken Opposition aus PiS und rechtsextremer Konföderation gegenüber. Zudem könnte Staatspräsident Andrzej Duda, ebenfalls PiS-Funktionär, Gesetzesbeschlüsse blockieren", erwartet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU glaubt, die drei Oppositionsparteien hätten einen ... "... steinigen Weg vor sich. Das Dreierbündnis wird dabei mit, oder vielmehr: gegen Präsident Andrzej Duda regieren müssen. In Polens semipräsidentiellem System hat der Staatspräsident erhebliche Machtbefugnisse. Er ist nicht nur mit für die Außenpolitik zuständig und hat den Oberbefehl über die Armee, sondern verfügt vor allem über ein Veto-Recht. Mindestens anderthalb Jahre, bis zu den Präsidentschaftswahlen Mitte 2025, kann Duda auf diese Weise blockieren und mögliche Erfolge der neuen Regierung verhindern", betont die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen beschäftigt sich die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Die israelische Offensive im Gazastreifen wird in Kürze beginnen. Dass dann die grausamen Bilder von zivilen Opfern um die Welt gehen werden, ist von der Hamas kühl einkalkuliert. Schließlich werden sie vor allem in den arabischen Staaten eine Welle der Empörung hervorrufen. Doch nichts ist verlogener als die vorhersehbaren Bekundungen panarabischer Solidarität. Das persönliche Schicksal der Palästinenser ist den meisten Staaten im Nahen Osten nämlich seit Jahrzehnten ziemlich egal. Nichts beweist dies mehr als die Weigerung Ägyptens, die Grenze zu Gaza zu öffnen, um den Menschen wenigstens temporären Schutz zu bieten. Und auch kein Land der arabischen Halbinsel hat bisher Anstalten gemacht, sie per Luftbrücke aufzunehmen. Mit den praktischen Folgen des Konflikts will man lieber nichts zu tun haben", unterstreicht die VOLKSSTIMME.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER erklärt: "Bilder von toten Zivilisten treiben der Hamas nur neue Rekruten in die Arme und bringen den bereits eingefrorenen Entspannungsprozess mit den Saudis endgültig zum Erliegen. Genau das ist das Kalkül der Terroristen. Mit Gewalt und Desinformation versuchen sie die Evakuierung zu behindern, um ihre menschlichen Schutzschilde nicht zu verlieren. Die Bilder toter Frauen und Kinder, die um die Welt gehen, waren schon immer die mächtigste Waffe der Hamas. Und diese Bilder wird es schrecklicherweise wieder geben. Die Verantwortung dafür trägt jedoch die Terrormiliz, die bereitwillig ihre eigenen Leute opfert, und nicht die israelische Armee. Daran sollte Deutschland die Welt erinnern, wenn es seine Staatsräson ernst nimmt", verlangt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus geht auf die für heute geplante Israel-Reise des Bundeskanzlers ein: "Olaf Scholz ist eigentlich kein Politiker, der eine Geste um der Geste willen vollführt. Man erinnert sich noch gut an die Ukraine, als er sich erst sehr spät auf den Weg machte. Es muss also etwas anders sein, wenn der Bundeskanzler schon zehn Tage nach dem Terror-Überfall der Hamas nach Israel fliegt. Natürlich wird es auch um die entführten Deutschen gehen und um Humanität und Völkerrecht beim israelischen Gegenschlag. Und doch ist dieser Besuch eben auch ein Symbol. Scholz sendet damit ein Signal an die Staatengemeinschaft, dass Deutschland an der Seite Israels steht. Aber genauso sehr auch nach innen - an jene, die nach den Gräueln vom 7. Oktober das Existenzrecht Israels immer noch infrage stellen", analysiert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
"Israel will Menschen aus dem Gaza-Streifen hinauslassen, Nachbarländer wie Ägypten wollen sie jedoch nicht aufnehmen", ist im STRAUBINGER TAGBLATT zu lesen. "Sollte Deutschland die Flüchtlinge aufnehmen? Auf diese und andere Fragen muss der Kanzler Antworten parat haben. Es wird von ihm erwartet, es kann dies vom Regierungschef eines Landes, das die Sicherheit Israels zur Staatsräson erklärt hat, sogar verlangt werden. Die Aufgabe jedoch ist schwer und Scholz nicht zu beneiden."
Die TAZ plädiert für einen neuen Ansatz im Nahen Osten: "Der völkermörderische Hamas-Terrorangriff auf Israel und Israels angedrohter Gegenschlag stürzen die Region in eine Krise wie seit 75 Jahren nicht. Juden fühlen sich an die Shoah erinnert, Palästinenser an die Nakba. Es geht um die Existenz. Da muss neu gedacht werden. Wenn in Gaza weder israelische noch palästinensische Verwaltung Sinn ergibt, muss ein dritter Weg gesucht werden. Vielleicht liegt der dritte Weg dort, wo er vor 75 Jahren endete: in der internationalen Treuhandschaft, die in Palästina vor 1948 unter britischer Verwaltung existierte, im Namen erst des Völkerbunds und dann der UNO." Das war die TAZ.
Und die NÜRNBERGER ZEITUNG verlangt Konsequenzen nach Israel-feindlichen Aktionen pro-palästinensischer Gruppen: "Es ist nicht nur die Pflicht der organisierten deutschen Zivilgesellschaft, der abstoßenden Gewaltlegitimation palästinensischer Gruppen entgegenzutreten; vor allem ist es der Rechtsstaat, der angesichts dessen mit allen verfügbaren Mitteln dagegen vorgehen muss. Die Rädelsführer dieser Proteste gehören strafrechtlich verfolgt, deren Umfeld in palästinensischen Organisationen ausgeleuchtet – und wo es möglich ist, müssen ausländerrechtliche Konsequenzen gezogen werden. Sprich: Ausweisungen."