19. Oktober 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt der Kommentare stehen die diplomatischen Bemühungen, um die jüngste Eskalation im Nahen Osten zu beenden. Außerdem wird der versuchte Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Berlin sowie die Pläne von Arbeitsminister Heil kommentiert, geflüchtete Menschen schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

US-Präsident Biden bei einem Besuch in Israel mit Premierminister Netanjahu
US-Präsident Biden bei einem Besuch in Israel mit Premierminister Netanjahu (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Evan Vucci)
"Gemessen an der Dringlichkeit wirkt es ernüchternd, wenn sich außer Raketen so wenig bewegt", schreibt die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG. "Es wirkt ernüchternd, wenn der ägyptische Präsident al-Sisi beim Besuch des Kanzlers rechtfertigt, die Grenzen zu Israel nicht für Geflüchtete zu öffnen - aus Angst vor dem Import der Gewalt der Hamas, aus Angst, in Folge selbst zur Zielscheibe zu werden für israelische Angriffe. Es ist bedrückend, wenn Wasser, Medizin und Lebensmittel die Bevölkerung in Gaza nicht erreichen, weil Israel Waffenimporte befürchtet. Für sich genommen sind die Begründungen verständlich. Im Ergebnis jedoch erzeugen sie weiteres Leid. Leider ist es so: Diplomatie braucht Zeit", konstatiert die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz findet den Besuch von Bundeskanzler Scholz in Israel und Ägypten richtig. "Die unverbrüchliche Solidarität Deutschlands mit der bedrängten Demokratie im Nahen Osten, derzeit häufig zitiert, braucht mehr als nur tröstende Worte."
Die STUTTGARTER ZEITUNG prognostiziert, dass auf den Kanzler heikle Entscheidungen zukommen könnten: "Militärhilfe für Israel belastet das wegen des Ukraine-Kriegs just an dieser Stelle ohnehin überstrapazierte Budget Deutschlands. Welche und wie viele Waffen könnten wir überhaupt noch liefern? Und wäre Scholz auch bereit, die zur Staatsräson erkorene Sicherheit Israels notfalls mit der Bundeswehr zu verteidigen?", fragt sich die STUTTGARTER ZEITUNG.
"Die USA als Mittlerin zwischen Israel und der arabischen Welt konnten in den vergangenen Jahren große Erfolge verbuchen", notiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE. "Doch mit dem Angriff der Hamas liegt auch die amerikanische Nahostpolitik in Trümmern. Die Region wird in die alten Muster zurückkehren. Ein Friede oder wenigstens ein Waffenstillstand ist derzeit nicht zu erwarten. Womöglich ist das, was wir in den vergangenen Tagen erlebt haben, sogar erst ein Anfang", befürchtet die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder geht auf die Explosion auf dem Gelände eines Krankenhauses in Gaza-Stadt ein. "Die israelische Armee und andere haben zahlreiche und plausible Indizien zusammengetragen, aber es handelt sich eben nur um Indizien. Die Führer arabischer Staaten wissen das natürlich auch, und sie haben trotzdem Israel die Schuld gegeben. Das zeigt zweierlei: Die Wahrheit spielt in diesem Konflikt keine Rolle, sondern nur die vorgefasste Überzeugung. Und gegen den von ihnen seit Jahrzehnten gesäten Israel-Hass ihrer Bürger können auch die arabischen Staatenführer nicht ankommen - selbst wenn sie sich persönlich noch vor Kurzem diplomatische Beziehungen zum jüdischen Staat hätten vorstellen können", meint die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die Zeitung ND DER TAG moniert, dass es durch die Informationsflut einen Gewöhnungseffekt gebe. "Wo das Morden zur täglichen Nachricht wird, stumpfen die Sinne schnell ab. Erst recht, wenn der eine Krieg den anderen aus den Schlagzeilen verdrängt. Dieser Krieg im Nahen Osten sät für mindestens eine weitere Generation von Israelis und Palästinensern Leid und Hass. Die Bestätigung der alten Erkenntnis, dass Gewalt nicht zu Frieden führt, müssen Tausende mit ihrem Leben bezahlen, und die wenigsten von ihnen waren Soldaten oder Terroristen", unterstreicht ND DER TAG.
Der versuchte Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG warnt: "Brandanschläge wie jetzt in Berlin sind nur das sichtbarste, übelste Beispiel für die Selbstermächtigung mancher, die meinen, mit ihrer Wut über die israelische Politik seien sie bei jüdischen Gemeinden an der richtigen Adresse. Der Grund, weshalb jemand die israelische Politik verurteilt, mag gut oder schlecht sein. Er mag auf höchsten menschenrechtlichen Idealen beruhen oder auf niedrigstem Ressentiment. Oder manchmal auf beidem. Der Grund aber, weshalb jemand unbeteiligte Juden an irgendeinem Ort der Erde dafür in Mithaftung nimmt und 'bezahlen lässt', ist immer nur: weil es halt Juden sind. Und daher braucht es einen deutschen Staat, der deutlich macht: Wer Kinder und Betende angreift und derart zum politischen Objekt reduziert, versetzt eine Demokratie insgesamt in Alarm. Wer solche Hassverbrechen verübt, muss auf eine stark aufgestellte Polizei treffen. Sonst wächst das Problem noch", analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Für die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg ist der Antisemitismus ein Gift, dessen Wirkung schleichend und dessen Bekämpfung eine Daueraufgabe darstellt. "Es muss entschieden gegen die Solidaritätsbekundungen für die Hamas vorgegangen werden. Es müssen die Möglichkeiten von Straf- und Ausländerrecht ausgeschöpft werden. Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, darf nicht eingebürgert werden. Und jeder von uns muss sich fragen, was er im Alltag zum Schutz der jüdischen Mitbürger tun kann", fordert die BADISCHE ZEITUNG.
Das Magazin CICERO stellt fest: "Keinem verantwortungsbewussten Deutschen kann es gleichgültig sein, wenn in diesem Land die Wohnungen jüdischer Mitmenschen mit Davidsternen markiert werden. Wer so etwas tut, zeigt entweder eine kaum fassbare Ignoranz gegenüber der Geschichte des Landes, das ihm Aufnahme gewährt, oder verhöhnt die hier lebenden Juden in besonders infamer Weise. In jedem Fall beweisen diejenigen, die nun öffentlich ausgerechnet in Deutschland ihren Hass auf Juden und Israel bekunden, ihre fundamentale Fremdheit, ja Gegnerschaft gegenüber dieser Gesellschaft und diesem Staat. Deutlicher kann das Scheitern von Integration nicht belegt werden." So weit der CICERO. Und so viel zu diesem Thema.
Bundesarbeitsminister Heil will Geflüchtete mit Bleibeperspektive schneller in den Arbeitsmarkt integrieren. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU heißt es, dass der Plan nur ein Anfang sein könne. "Es muss den Menschen aber auch vermittelt werden, dass die Reihenfolge – erst langer Sprachkurs, dann der Job – nicht zwingend ist. Viele verstehen es genau so. Und die Regierung will sich mit dem Maßnahmenplan handlungsfähig zeigen. Auf der Ampel liegt angesichts der scharf geführten Migrationsdebatte großer Druck: Das liegt nicht nur am hohen Flüchtlingszuzug, sondern auch an mangelnder Integration", betont die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG schreibt: "Unterm Strich ist es zentral, dass Flüchtlinge mit Bleibeperspektive schnellstmöglich ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, anstatt von Sozialleistungen zu leben. Das würde ihnen das Ankommen erleichtern und auch die Akzeptanz in der Gesellschaft dafür erhöhen, dass Deutschland Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten helfen muss."
"Ein Land, dem Fach- und Arbeitskräfte fehlen, muss alle Potenziale nutzen", findet die SÜDWEST PRESSE aus Ulm. "Zumal dies auch im Interesse der allermeisten Geflüchteten sein dürfte, die oftmals lieber heute als morgen auf eigenen Füßen stehen würden. Engerer Kontakt mit den Jobcentern, die ihre lokalen und regionalen Strukturen gut kennen, kann sich da sicherlich lohnen. Entscheidend wird aber vor allem die Geld-Frage: Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung sind bei den Jobcentern massive Kürzungen vorgesehen. Wenn der Haushaltsausschuss dem Arbeitsminister, der die Kürzungen aber selber vorgeschlagen hat, keine Schützenhilfe leistet und mehr Geld für die Jobcenter auftreibt, könnte es eng mit der erfolgreichen Umsetzung der Turbo-Pläne werden." Mit dem Kommentar aus der SÜDWEST PRESSE endet die Presseschau.