25. Oktober 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Habeck für eine stärkere staatliche Unterstützung der Industrie sind ein Thema. Daneben wird die Ankündigung des türkischen Präsidenten Erdogan kommentiert, dem Parlament das Protokoll zum NATO-Beitritt Schwedens vorzulegen. Zunächst aber geht es um den Nahostkonflikt.

Ein mit einem schweren Gewehr bewaffneter israelischer Soldat. Sein Gesicht ist nicht zu sehen.
Die Zeitungskommentare befassen sich weiterhin mit der Situation im Nahostkonflikt (Symbolbild). (IMAGO / Funke Foto Services / IMAGO / )
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Viele Israelis mögen es bedauern, dass sich die angekündigte Bodenoffensive im Gazastreifen verzögert. Doch ist dies durchaus in ihrem Sinne. Die israelische Armee kann den erwarteten Häuserkampf noch besser vorbereiten. Auch wird versucht, die Frage zu beantworten, wie palästinensische Zivilpersonen in Gaza während des Waffengangs versorgt werden können, ohne dass dramatische Bilder entstehen, die den Druck auf Israel erhöhen könnten. Außerdem können durch weitere Verhandlungen womöglich weitere Geiseln aus den Händen der Dschihadisten befreit werden. Genauso wichtig ist es aber, dass die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu auf Druck von US-Präsident Joe Biden nicht nur über das Ziel des Feldzugs, also die Vernichtung der Hamas, spricht, sondern auch diskutiert, wie sie wieder aus dem Konflikt herauskommen will", findet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt zum Israel-Besuch des französischen Präsidenten: "Macron hatte als Nachzügler der westlichen Unterstützer- und Mahnerfront nicht nur die übliche Sprachregelung im Gepäck - Terroristen bekämpfen, aber humanitäre Belange beachten. Er forderte auch gleich wieder die politische Lösung des Nahostkonflikts. Darüber wird man sich in Israel derzeit am wenigsten Gedanken machen und vermutlich auch nicht auf seinen Vorschlag vertrauen, eine Anti-Hamas-Koalition nach dem Vorbild der Anti-IS-Koalition einzurichten. Letzterer gehören arabische Staaten an, die sich kaum militärisch in Gaza engagieren dürften. Für Israel ist letztlich die Position der Vereinigten Staaten entscheidend", vermerkt die F.A.Z.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER beobachtet: "Nicht nur Außenministerin Annalena Baerbock plädiert inzwischen für einen humanitären Korridor, um Hilfe für die Not leidenden Palästinenser in den Gazastreifen zu lassen. Auch die USA übt dahin gehend kräftig Druck auf Israel aus. Das Zeitfenster für eine Bodenoffensive scheint sich zu schließen, falls es nicht schon längst geschlossen ist. Es ist klar, Zivilisten wären bei einer Bodenoffensive der Israelis im Gazastreifen garantiert unter den Opfern. Wieder gingen Bilder von leidenden Kindern und Frauen um die Welt – genau das, was die Hamas bezweckt. Deren Vorgehen war schon immer, die eigene Zivilbevölkerung mit in Geiselhaft zu nehmen. Warum sonst hat sie Raketen und Geschütze in der Nähe oder sogar unter oder auf Krankenhäusern, Schulen oder Kindergärten platziert?", fragt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Der BERLINER TAGESSPIEGEL bewertet das Ringen der EU-Staaten um eine gemeinsame Linie im Nahostkonflikt: "Die Europäische Union möchte ein internationaler Machtfaktor sein. Sie ist jedoch mal wieder gespalten und spricht mit vielerlei Stimmen. So wird das nichts mit ihrer Weltpolitikfähigkeit. Die Kampfpause wird nicht kommen, teils aus guten, teils aus tragischen Gründen. So verständlich der Herzenswunsch nach Waffenruhe ist – er hat mehrere Haken. Kriege im Nahen Osten folgen einer anderen Logik als die eingeübten Denkmodelle europäischer Krisendiplomatie. Die EU täte gut daran, sich in Israels Lage zu versetzen und Einigkeit herzustellen, ehe sie Vorschläge macht", empfiehlt der TAGESSPIEGEL.
Themenwechsel. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg beschäftigt sich mit den Unterstützungsplänen von Bundeswirtschaftsminister Habeck für die deutsche Industrie: "Vieles, was in dem 60-seitigen Papier steht, stimmt. Ja, Deutschland muss aktive Industriepolitik betreiben. Förderungen für Zukunftsinvestitionen sind richtig. Auch muss mehr für die vielfach marode oder fehlende Infrastruktur getan werden. Besonders die vorherigen Bundesregierungen aus Union und SPD haben es versäumt, Stromtrassen, Bahnstrecken, Brücken und digitale Verwaltung auf ein zeitgemäßes Niveau zu bringen. Und ja, einige Industriezweige brauchen für ihre Transformation auch staatliche Hilfe. Doch vieles, was Habeck vorschlägt, dürfte schon an den Koalitionspartnern scheitern. Wenn Habeck erneut für einen Industriestrompreis wirbt, hat er die FDP gegen sich", vermutet die BADISCHE ZEITUNG.
Dem Wirtschaftsminister schwebe ein Dreiklang aus Maßnahmen vor, unterstreicht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Habeck will erstens die Produktionsbedingungen daheim verbessern, indem der Staat grüne Investitionen belohnt, Bürokratie abbaut und den Fachkräftemangel behebt. Zweitens sollen kritische Produkte wie Mikrochips verstärkt wieder in Europa hergestellt und die Auslandsmärkte deutscher Firmen diversifiziert werden. Und drittens bekennt er sich zu einer aktiven staatlichen Förderpolitik, um die umfassende wirtschaftliche Transformation für Betriebe wie Kunden bezahlbar zu halten. All diese Ansätze sind sinnvoll. Frei von Schwächen ist aber auch Habecks Konzept nicht. Die inhärente Forderung etwa, besonders energieintensive Betriebe auf ewig zu subventionieren, um ihr Abwandern zu verhindern, zeugt von altem industriepolitischem Denken", urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST verweist auf die finanziellen Herausforderungen: "Nicht nur der durch Subventionen gesenkte Strompreis, auch andere Maßnahmen kosten Geld. Kein zwingender Grund, sie abzulehnen. Aber die Frage stellt sich: Wer soll das bezahlen? Der Wirtschaftsminister setzt auf eine Aussetzung der Schuldenbremse - wohl wissend, dass das in dieser Legislatur und mit diesem Finanzminister nicht zu machen ist. Was nach der nächsten Bundestagswahl ist, kann aber niemand sagen. Ausgerechnet in diesem wichtigen Punkt liegt der Weg weiter im Dunkeln", bilanziert die BERLINER MORGENPOST.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUER PRESSE gehört, äußert sich zur Haltung der Türkei beim geplanten NATO-Beitritt Schwedens: "Der Weg scheint frei zu sein, nachdem der türkische Despot Recep Tayyip Erdogan seinen Widerstand vordergründig aufgegeben und den schwedischen Antrag dem Parlament in Ankara zur Ratifizierung vorgelegt hat. Dass die Skandinavier eine Verstärkung für die NATO wären, darüber ist sich die westliche Welt schon lange einig – mit Ausnahme von Ungarn und eben der Türkei, zwei autokratisch regierten Staaten. Und da liegt das Problem: Sowohl Viktor Orban in Budapest als auch Erdogan lieben es bekanntlich, die Rolle des Quertreibers zu spielen, wenn internationale Einigkeit gefragt ist. Mit Schweden, das er als Schutzmacht von 'Terroristen' anprangert, treibt der Türke seit Monaten ein zynisches Spiel. Sein Parlament kontrolliert er nach Belieben. Wenn Erdogan will, kann er ein Ja zum NATO-Beitritt noch lange hinauszögern", befürchtet die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle ist sich sicher: "Die Aufnahme Schwedens in die NATO wäre ein Zeichen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass er auf ein Zurückweichen der NATO nicht zu spekulieren braucht und seine aggressive Politik nicht zum Erfolg führt. Wahr ist aber leider ebenso, dass auch Erdogan seinen Einfluss rücksichtslos ausweitet. Das gilt für Syrien gleichermaßen wie zuletzt für Armenien, dem Aserbaidschan mit Ankaras Unterstützung zu Leibe rückt. Daher und wegen ihres autoritären Kurses nach innen hat die Türkei eigentlich in der NATO nichts zu suchen", argumentiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Der Westen sei eine schwankende Gestalt geworden, analysiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Zwar steht die NATO bislang in beeindruckender Geschlossenheit an der Seite der Ukraine, was viel mit der Führung von US-Präsident Joe Biden zu tun hat. Und auch die EU hält sich wacker. Doch ob die Demokratien demokratisch bleiben und ob sie dauerhaft zusammenstehen, das ist ungewisser denn je. Der Westen muss jetzt genau dafür kämpfen." Das war zum Ende der Presseschau die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.