Freitag, 17. Mai 2024

31. Oktober 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zum Besuch von Bundeskanzler Scholz in Nigeria und zur Aussage von Bundesverteidigungsminister Pistorius, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden. Außerdem geht es um den Krieg zwischen Israel und der Hamas und um die anti-israelischen Ausschreitungen in Dagestan.

31.10.2023
Demonstranten stehen auf dem Bebelplatz und halten Flugblätter mit Fotos der Hamas-Geiseln. Im Vordergrund brennen hunderte Kerzen.
Der Tod der deutschen Shani Louk, die am 7. Oktober von der Hamas entführt wurde, ist inszwischen bestätigt. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
Die WESTFÄLISCHE ZEITUNG aus Münster kommentiert den Tod der Deutsch-Israelin Shani Louk, die seit dem Angriff der Hamas auf Israel vermisst worden war: "In Zeiten, in denen Bilder von leidenden Geiseln als Waffe eingesetzt werden, um auf abscheuliche Weise Dominanz zu zeigen, Forderungen hochzutreiben und Anliegen weltweit zu inszenieren, klammern sich die Angehörigen weiter an das Prinzip Hoffnung. Die Deutsch-Israelin Shani Louk war durch etliche verzweifelte Interviews von nahen Verwandten hierzulande zum Gesicht der barbarischen Terrorattacken der Hamas geworden. Für sie gibt es offenbar keine Hoffnung mehr. Das ist eine besonders traurige Zäsur in einem riesigen Meer bedrückender Nachrichten", vermerkt die WESTFÄLISCHE ZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER betont: "Betrauert werden dürfen die Opfer auf beiden Seiten des Konflikts - in Israel und in Gaza. Der Tod der Deutschen Shani Louk erinnert daran, dass die Hamas immer noch Hunderte Geiseln in ihrer Gewalt hat. Die Terrororganisation nimmt aber auch die eigene Bevölkerung in Geiselhaft, verschanzt sich und ihre Waffen hinter Krankenhäusern, Schulen und anderen schützenswerten Einrichtungen. Das ist aufs Schärfste zu verurteilen. Es sollte aber Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden nicht davon abhalten, Israels Ministerpräsidenten Netanjahu dazu zu bewegen, die Bodenoffensive seiner Truppen abzublasen. Die Gefahr eines Flächenbrandes in Nahost ist nach wie vor immens", warnt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die anti-israelischen Ausschreitungen in der russischen Kaukasusrepublik Dagestan haben in vielen Ländern Entsetzen hervorgerufen. Die TAGESZEITUNG hält fest: "Angesichts seines Balanceaktes zwischen Israel und der Hamas kann der Kreml derartige Gewaltausbrüche nicht gebrauchen. Hatte Wladimir Putin nicht erst vor Kurzem bei einem Treffen mit Vertretern unterschiedlicher Religionen deren friedliches und gedeihliches Miteinander in Russland beschworen? Gleichzeitig ist ein antisemitischer Diskurs fester Bestandteil des Kreml-Narrativs, wenn es darum geht, den Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj, selbst jüdischer Herkunft, ein Erfüllungsgehilfe des Westens und eine Schande für das jüdische Volk sei, gehört noch zu den harmloseren Äußerungen", beobachtet die TAZ.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, notiert: "Die Erklärung hatte der Kreml schnell parat: Das Ausland war’s. Irgendwelche Kräfte, die Russland destabilisieren wollten. Man hat es unzählige Male gehört. Diesmal wurde diese Erklärung für die Erstürmung des Flughafens von Machatschkala durch etwa tausend Personen bemüht, deren Ziel ein Flugzeug aus Tel Aviv war. Der unmittelbare Anlass für das Pogrom mag die Wut der mehrheitlich muslimischen Männer gegen Israel wegen des Kriegs in Gaza gewesen sein. Die Ursache ist aber eine andere. Hier geht Putins Saat auf. Die Saat eines staatlich legitimierten Antisemitismus, der mit dem Krieg in der Ukraine ungeschminkt zu Tage tritt. Putin und die Seinen machen bewusst die Juden zum Sündenbock", unterstreichen die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN.
Auch die Enthaltung Deutschlands bei der UNO-Resolution zum Krieg im Nahen Osten ist weiterhin Thema in den Kommentaren. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER betont: "Das Massaker der Hamas an Tausenden israelischen Zivilisten ist keine vier Wochen her; die Bekenntnisse, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson bleibe, sind noch nicht verklungen, da kommen schon wieder Zweifel daran auf, dass Deutschland es ernst meint mit diesem Versprechen: Trotz scharfer Kritik aus Israel und vom deutschen Zentralrat der Juden verteidigen Bundeskanzler Scholz sowie Spitzenpolitiker von SPD und Grünen, dass sich Deutschland bei der jüngsten Abstimmung über die erste UN-Resolution zur aktuellen Lage in Gaza eben nicht eindeutig auf Israels Seite gestellt hat. Doch so wenig man die Argumente abtun darf, die dabei zu einer deutschen Enthaltung geführt haben: Im Ergebnis ist das deutsche Votum ein Fehler", urteilt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
"Mit dem Jein zu Israel sendet Deutschland ein fatales Signal, nach außen und nicht zuletzt auch nach innen", liest man in der SCHWÄBISCHEN ZEITUNG. "In einer Zeit, in der bei uns Judenhass und die Vernichtung Israels auf Plätzen und Straßen proklamiert wird. In der sich unsere jüdischen Mitbürger ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. In der manche unsere höchsten Güter der Toleranz und der freien Religionsausübung infrage stellen. In einer solchen Zeit braucht es gerade von der Bundesregierung eine kompromisslose Haltung", findet die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Bundesverteidigungsminister Pistorius hat im ZDF betont, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden. Der MÜNCHNER MERKUR schreibt dazu: "Solche Worte aus dem Mund eines Bundesverteidigungsministers haben die Deutschen lange nicht mehr gehört. Entsprechend aufgeschreckt, ja verängstigt regieren nun viele Bürger. Dabei hat Boris Pistorius nur an ein Jahrtausende altes lateinisches Sprichwort erinnert, das nach dem Ende der Blockkonfrontation in Europa vorübergehend in Vergessenheit geriet: Si vis pacem, para bellum – wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor", vermerkt der MÜNCHNER MERKUR.
Der Verteidigungsminister ziele nicht darauf ab, "dass künftig jede Einwohnerin und jeder Einwohner Reservist wird", glaubt die SÜDWEST PRESSE aus Ulm. "Vielmehr ist es ein nochmaliges Aufrütteln, dass die Welt eine andere ist – mit politischen und wirtschaftlichen Folgen, die gesamtgesellschaftliche Anstrengungen braucht, um ihnen begegnen zu können. Jahrelang vermied man es in Deutschland, über Militärisches in der Öffentlichkeit zu sprechen und vermied es damit, der deutschen Gesellschaft die Auseinandersetzung mit Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zuzumuten. Umso wichtiger, dass das jetzt zu Ende ist und Boris Pistorius – und andere – nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern etwas mehr Realitätsbewusstsein einfordern", argumentiert die SÜDWEST PRESSE.
Zum Abschluss noch zwei Kommentare zum Besuch von Bundeskanzler Scholz in Nigeria. Die NEUE PRESSE aus Coburg fordert: "Deutschland und auch die Europäische Union müssen afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Ländern Gespräche auf Augenhöhe anbieten, wenn sie in einer multipolaren Welt dauerhaft ihren Einfluss wahren wollen. Nigeria hat 230 Millionen Einwohner, im Jahr 2050 dürften es 450 Millionen sein. Das wäre Platz drei nach Indien und China. Das Land sollte deshalb, wie hoffentlich auch viele andere afrikanische Staaten, ein guter und verlässlicher Partner Deutschlands und Europas sein - politisch und wirtschaftlich", verlangt die NEUE PRESSE.
"Der neue Fokus der deutschen Außenpolitik auf Afrika bleibt trotz der Rückschläge in Mali richtig", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Es war strategische Blindheit, den Kontinent vor der Toren Europas weitgehend außer Acht zu lassen und stattdessen das Hauptaugenmerk auf Asien zu legen. Vor allem sollte Afrika stärker wie ein Partner behandelt werden, nicht wie ein Hilfeempfänger. Deutschland hat im europäischen Vergleich eine kurze Kolonialgeschichte in Afrika. Das kann manches erleichtern, vor allem im Unterschied zu Frankreich. Trotzdem gilt auch für Berlin, dass Afrika, so wie der globale Süden insgesamt, selbstbewusster geworden ist. Mit der deutschen Neigung, anderen Nationen Moralpredigten zu halten, wird man nicht weit kommen", soweit die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.