07. November 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt der Kommentare steht die aktuelle Lage im Nahost-Krieg und dessen Konsequenzen in Deutschland. Außerdem werden die Migrationspolitik der Bundesregierung sowie der aktuelle Füllstand der Gasspeicher kommentiert.

Ein junger Mann geht an den Trümmern des Al-Shati Flüchtlingscamps in Gaza-Stadt vorbei, ein anderer steht davor.
Die israelische Armee verstärkt die Luftangriffe auf Gaza-Stadt. (IMAGO / APAimages / IMAGO / Photo by Bashar Taleb\ apaimages)
"Mit jedem Tag der Bodenoffensive schafft Israels Armee Fakten auf dem Schlachtfeld Gaza", schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Inzwischen ist der Küstenstreifen in zwei Hälften geteilt. Was daraus folgen soll, das ist weiterhin völlig unklar. Und die Regierung von Netanjahu wirkt planlos wie eh und je. Zur Wahrheit gehört, dass es keine guten Optionen für den Gazastreifen gibt. Israel weiß das: Im Jahr 2005 zog man sich aus dem Küstengebiet vollständig zurück und überließ dort die Palästinenser sich selbst – das Ergebnis ist bekannt. Im Westjordanland wiederum versuchte Israel andere Varianten, von teilweiser Selbstverwaltung bis hin zu absoluter Kontrolle durch die Armee. Keines dieser Modelle hat überzeugt. Der Preis, den Besetzte wie Besatzer dort zahlen, ist außerordentlich hoch und die Perspektive für die Zukunft düster", analysiert die F.A.Z.
"Jedes zerbombte Haus, jedes zivile Opfer gebiert neuen Hass und vermutlich neuen Terror", konstatiert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg: "Welches Ziel verfolgt die Regierung Netanjahu für die Zeit nach dem Krieg? Sie torpediert seit Jahren die Zwei-Staaten-Lösung. Wer soll das zerstörte Gaza verwalten? Wer kann Frieden garantieren? Der Plan, über die Köpfe der Palästinenser hinweg, Pakte mit den arabischen Staaten zu schließen, wurde von der Hamas am 7. Oktober in Stücke gehauen. Militärisch mag Netanjahu den Sieg davontragen, politisch ist er gescheitert. Israel braucht nach diesem Krieg einen Neuanfang. Ansonsten gibt es weder für Juden noch für Palästinenser den Hauch einer Chance auf Frieden", befürchtet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm fragt sich, wie die deutsche Politik mit der Situation umgehen sollte: "Soll sie zum Beispiel riskieren, dass der türkische Präsident Erdogan bei seinem Besuch in der kommenden Woche seine Lobpreisung der Hamas auf deutschem Boden wiederholt? Oder durch eine Ausladung einen Affront riskieren? Es ist mühsam, wenn man wie im aktuellen Konflikt keiner klar vorgegebenen Schneise folgen kann."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz warnt vor einem wachsenden Antisemitismus hierzulande: "Es gibt ihn in der altbekannt-unerträglichen rechtsextremen Variante. Es gibt ihn in links-intellektueller Ausprägung sogar zweifach: in der sozusagen klassischen Spielart, Israel pauschal als Unterdrücker-, gar Apartheidsstaat darzustellen. Und es gibt ihn in skandalöser Weise in der vermeintlich linken akademischen Welt, wo sich der Antisemitismus in den Mantel einer intellektuell havarierenden Kolonialismustheorie kleidet, die Zionismus mindestens in die Nähe von Rassismus rückt. Aber es gibt ihn eben nicht nur an den gesellschaftlichen Rändern. In der Pandemie zeigte sich, wie sehr Kreise, die sich selbst als bürgerlich betrachten, anfällig sind für Verschwörungstheorien, die fast immer antisemitisch unterlegt sind", erinnert die FREIE PRESSE.
Die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide notiert: "Deutschland hat mit dem Clan-Unwesen als sichtbarstes, aber beileibe nicht einziges Beispiel zugelassen, dass sich Strukturen und Milieus bilden, die unseren Staat und unsere Gesellschaftsordnung ablehnen. Und es waren gerade Politiker wie Nancy Faeser, die dann eher jenen mit Misstrauen begegneten, die auf die Missstände hinwiesen. Wer einen islamischen Gottesstaat propagiert, kann sich nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen, sagt die Ministerin. Die richtige Ansage wäre: Für jemanden mit dieser Haltung ist Deutschland nicht der richtige Aufenthaltsort", kritisiert die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG.
Im Kanzleramt haben in der Nacht Bundeskanzler Scholz und die Länderchefs über Streitpunkte der Migrationspolitik beraten. Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz unterstreicht, dass es bei der Debatte um viel mehr gehe als um Finanzzusagen oder Bezahlkarten: "Es geht um die Frage: Lässt sich der Rechtsstaat auf der Nase herumtanzen? Und diese Frage muss ein deutscher Kanzler allen voran ganz klar mit 'Nein' beantworten – auch wenn diese Antwort unbequem ist. Scholz ist also gut beraten, wenn er Ampel und Union, wenn er Bund und Länder, eint. Eine kaum lösbare Aufgabe auf den ersten Blick. Aber das ist nun einmal Führung", findet die RHEIN-ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) kommentiert, dass die Bedeutung von Lösungen angesichts der hohen Migrationszahlen, überforderten Kommunen und Problemen bei der Integration unbestritten sei: "Doch darf man nicht dem Fehler aufsitzen, dass eine Verschärfung der Migrationspolitik die Zahl der Flüchtlinge schnell reduzieren wird. Es braucht Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern und eine gerechtere Verteilung von Migranten in Europa – das dauert. Dennoch geht vom Migrationsgipfel ein wichtiges Signal aus. Die Bundespolitik hat Dinge einfach nur laufen lassen. Das hat zu einem gestörten Gerechtigkeitsempfinden bei den Bürgern geführt. Dass die Herausforderungen der Migration nun ernst genommen und gelöst werden sollen, ist deshalb die wohl wichtigste Botschaft des Gipfels", vermutet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Das Politikmagazin CICERO sieht das anders: "Angesichts der beängstigenden Lage, die nicht nur den Sozialstaat, sondern auch den inneren Frieden höchst zerbrechlich erscheinen lässt, wirken die Ministerpräsidenten und der Kanzler nun wie viel zu spät aufgewachte Traumtänzer, die erst im wirklich allerletzten Moment zur Räson kommen. Und selbst jetzt noch wirken viele Politiker in erster Linie damit beschäftigt, ihr migrationspolitisches Irren bloß nicht als solches benennen zu müssen. Bei näherer Betrachtung ist auch die jüngste Aussage von Bundeskanzler Scholz zum Schutz von Juden in Deutschland geradezu zynisch. Er ruft nämlich uns alle zur Zivilcourage auf. Erwartet er also, dass sich deutsche Bürger nun auf Gegendemonstrationen den Palästina-Fahnen-Schwingern in den Weg stellen? Sollen wir alle nun etwa Bürgermilizen gründen, um jüdische Wohnungen zu bewachen oder muslimischen Judenhassern das Handwerk zu legen?", ist im CICERO zu lesen.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE meint, dass Scholz wie Merz den falschen Weg eingeschlagen hätten: "Wenn die Opposition Einfluss nehmen will, dann gibt es dafür nur einen Ort: Das Parlament. Dort muss Merz seine Reihen ordnen - ebenso wie Scholz die seinen. Gelingt das nicht, gibt es nur einen Ausweg: Neuwahlen. Ohne den Umweg über eine temporäre Große Koalition, denn die wäre ein noch größeres Theater als das, was die Wähler gerade erleben."
Die Gasspeicher in Deutschland sind vollständig gefüllt. Die BERLINER MORGENPOST mahnt trotzdem vor Leichtsinnigkeit:. "Immerhin reichen die vollen Speicher nur für zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate. Wir sollten weiterhin wohlüberlegt mit unserer Energie umgehen. Zudem werden europäische Länder wie etwa Österreich nach wie vor von Russland mit Gas versorgt. Würden hier die Lieferungen wegfallen, müsste Deutschland aus europäischer Solidarität dem Nachbarn aushelfen", merkt die BERLINER MORGEN POST an.
"Nur weil Risiken vorerst halbwegs unter Kontrolle scheinen, sind die grundsätzlichen Probleme nicht gelöst", stellt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG fest: "Statt aus Russland kommt das meiste Gas nun aus Norwegen. Ein Klumpenrisiko ist das weiterhin. Auch norwegisches Gas muss Tausende Kilometer Pipeline passieren. Dazu kommen hohe Kosten. Und selbst wenn es gelingt, weitere zuverlässige Quellen zu erschließen, verträgt sich das nicht mit einer nachhaltigen Politik, siehe Frackinggas aus den USA. An den Verwüstungen durch Hurricane Otis zeigen sich zudem ganz aktuell Folgen des Klimawandels und damit einmal mehr die Dringlichkeit des Themas." Mit dem Kommentar aus der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG endet diese Presseschau.