08. November 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe und zu den Plänen der Bundesregierung, das Deutschlandticket auch im kommenden Jahr anzubieten. Vor allem aber geht es um die Beschlüsse von Bund und Ländern in der Asylpolitik.

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äuÃert sich zusammen mit Boris Rhein (r, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (l, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz am Rande des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt zum Pakt für Planungsbeschleunigung. Die Hauptthemen des Treffens der Bundesregierung mit der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) waren die stärke
Beim Bund-Länder-Treffen waren die stärkere Steuerung der Migration, die Finanzierung der Betreuung von Flüchtlingen, der Pakt für Planungsbeschleunigung und die Zukunft des Deutschlandtickets Thema. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Das HANDELSBLATT schreibt dazu: "Ein stärkeres Signal für mehr Härte hätte sicherlich der aufgewühlten Stimmung in der Bevölkerung gutgetan. Für die Frage, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind, gibt es nur einen Prüfauftrag. Die Bundesregierung will Gespräche zu Migrationsabkommen mit weiteren Herkunftsländern führen, und die Kontrollen an den Landesgrenzen zu Österreich, zur Schweiz, zur Tschechischen Republik und zu Polen werden aufrechterhalten. Das ewige Gezerre um die Finanzierung der Flüchtlingskosten hat vorerst ein Ende. Wichtige andere Punkte sind aber nach wie vor ungeklärt", moniert das HANDELSBLATT.
Die Beschlüsse reichten nicht aus, um die Einwanderung dauerhaft zu begrenzen, glaubt auch die NÜRNBERGER ZEITUNG. "Echte 'Meilensteine' in der Migrationspolitik können weder die deutschen Bundesländer zusammen mit dem Kanzler und am Ende dann Bundestag und Bundesrat beschließen – sondern wären nur auf europäischer Ebene beziehungsweise in Zusammenarbeit mit den Hauptherkunftsländern zu erreichen. Mit diesen braucht es Abkommen, in denen reguläre Migration nach Europa möglich wird, um im Gegenzug irreguläre zu unterbinden", kommentiert die NÜRNBERGER ZEITUNG.
Für die Mehrheit zähle vor allem, dass die Zahl der sich in Deutschland aufhaltenden Flüchtlinge und Asylbewerber sinke, betonen die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster. "Das wollen auch die Regierungschefs. Auf die Frage aber, wie dieses Ziel erreicht werden kann, haben sie während ihrer Runde im Kanzleramt keine Antworten mit echtem Wirksamkeitspotenzial gefunden. Das ist fatal. Die Stimmung gegenüber Flüchtlingen droht zu kippen. Vielleicht ist sie auch schon gekippt. Der unannehmbare muslimisch geprägte Antisemitismus und die unsäglich aus dem Ruder gelaufenen Palästinenser-Demonstrationen wirken auf die öffentliche Meinung derzeit wie ein Brandbeschleuniger. In Deutschland braut sich etwas Ungutes zusammen. Ins Fäustchen lacht sich die AfD", heißt es in den WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg meint: "Acht Jahre verfehlte Flüchtlingspolitik in Deutschland zeigen Wirkung: Die Politik auf allen Ebenen vollzieht den Schwenk zu einem restriktiveren Umgang mit Migranten. Es ist allenfalls ein Zwischenschritt. Während Bundeskanzler Scholz ihn dennoch historisch nennt, handelt Italiens Regierungschefin Meloni Aufnahmezentren in Albanien aus. Flüchtlinge solcherart auszulagern, steht Deutschland wohl noch bevor", vermutet die VOLKSSTIMME.
"Eigentlich haben CDU und CSU alles versucht, um den Bund-Länder-Gipfel ergebnislos platzen zu lassen", stellt der WESER-KURIER aus Bremen fest. "Mit der Forderung, Asylverfahren außerhalb Europas durchzuführen, haben die unionsregierten Länder die Einigung bei der Migration kurz vor Schluss noch in Gefahr gebracht. Dabei handelt es sich bei diesem Vorschlag um einen Wunschtraum aus dem Wolkenkuckucksheim."
"Nötige, mutige und große Entscheidungen erfordern einen breiten Konsens", notiert der TAGESSPIEGEL. "Eine Koalition des gesunden Menschenverstandes, eine Koalition der Vernunft, die das Machbare schnell erledigt und sich vor Mammutaufgaben nicht drückt – das wäre das Beste, das Deutschland passieren kann. Dafür war die Einigung im Kanzleramt ein erster, kleiner Schritt."
Die TAGESZEITUNG kritisiert: "Die fortgesetzten Kontrollen an den deutschen Grenzen werden niemanden davon abhalten, sich auf den Weg zu machen, genauso wenig wie der Beschluss, Flüchtlingen erst nach drei Jahren reguläre Sozialhilfesätze zu gewähren oder eine 'Bezahlkarte' einzuführen. Das sind bloß Schikanen. Menschen, die aus Not fliehen, wird das kaum abschrecken, auch wenn Politiker von Union und FDP ganz fest an vermeintliche 'Pull-Faktoren' glauben – magisches Denken, das einer vulgärliberalen Fantasiewelt entspringt", unterstreicht die TAZ.
Das Deutschlandticket soll es auch im nächsten Jahr geben. Die HEILBRONNER STIMME erklärt: "Der Bund-Länder-Gipfel hat das Deutschlandticket ins nächste Jahr gerettet. Vorerst, denn beide Seiten wollen noch klären, wie sie das Ticket beibehalten können. Es ist nicht auszuschließen, dass der Flatrate-Fahrschein bald teurer wird. Beschämend ist, dass Verkehrsminister Volker Wissing das als Erfolg verkauft. Monatelang hat sich der FDP-Politiker geweigert, höhere Zuschüsse vom Bund zu versprechen. Stattdessen fordert er einzig, dass sich Verkehrsverbünde zusammenschließen müssten, damit die fehlenden Millionen eingespart werden – ohne etwas zu tun, um solche Zusammenschlüsse zu fördern", bemängelt die HEILBRONNER STIMME.
ZEIT ONLINE kommentiert: "Der volle Effekt einer Mobilitätswende kann nicht in wenigen Wochen zum Tragen kommen. Zumal wenn man gleich zu Beginn die Grundvoraussetzung dafür wieder infrage stellt, nämlich den neuen Preis. Das 49-Euro-Ticket braucht Zeit, um ein voller Erfolg zu werden. Die ersten Anzeichen dafür sind vielversprechend. Aber es fehlt weiterhin das klare Bekenntnis der Politik, die finanzielle Basis langfristig zu sichern und Preiserhöhungen bis auf Weiteres auszuschließen."
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass schwerkranke Menschen nicht das Recht haben, vom Staat Zugang zum Selbsttötungsmittel Natrium-Pentobarbital zu erhalten. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER erklärt: "Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben es bestätigt: Das Betäubungsmittelgesetz, das keine Erlaubnis zum Erwerb des Mittels Natrium-Pentobarbital vorsieht, verstößt nicht gegen das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben. Es gebe dafür andere Mittel und Wege. Das Leipziger Urteil ist keine Entscheidung gegen Sterbewillige. Es ist vielmehr ein Urteil, das vor den Gefahren schützen will, die von solch tödlichen Substanzen ausgehen. Solange Patienten entsprechende Mittel selbst einnehmen, handelt es sich um einen assistierten Suizid, der in Deutschland nicht mehr verboten ist – aber eben aufgrund ausbleibender Neuregelungen des Bundestags auch nicht ausdrücklich erlaubt. Man kann das Urteil von Leipzig inhaltlich als juristische Spitzfindigkeit abtun. Verantwortlich für das Dilemma ist jedoch die Unschlüssigkeit des Bundestags bei diesem schwierigen Thema. Wo jedoch keine Regeln gelten, blühen illegale Geschäfte weiter auf", warnt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt auf die rechtlichen Bedingungen der Sterbehilfe in Deutschland: "Seit mehr als drei Jahren ist offen, was aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit des Verbots geschäftsmäßiger Sterbehilfe folgen muss oder kann. Da die Karlsruher Richter den Status quo ante wiederherstellten, sind die Sterbehilfevereine wieder unbehelligt aktiv - und das trotz erster Hinweise darauf, dass sie es mit der Freiverantwortlichkeit einer Suizidentscheidung nicht sonderlich ernst nehmen. Das müsste den Gesetzgeber auf den Plan rufen. Doch ist kaum damit zu rechnen, dass der Bundestag in der verbleibenden Zeit bis Sommer 2025 die Kraft für eine Regelung des assistierten Suizids aufbrächte, die ihm bislang gefehlt hat", konstatiert die F.A.Z.
"So locker, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben, darin sind sich auch so gut wie alle Abgeordneten des Bundestags einig", führt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG an. "Im Sommer wollten sie schonmal ein Gesetz schaffen, das gewisse Hürden und Kontrollen vorschreibt, um vor allem arme und gesellschaftlich schwache Menschen davor zu schützen, dass jemand ihnen ein Suizidmittel vorsetzt, ohne sie zuvor unabhängig über medizinische, auch palliativmedizinische Alternativen beraten zu haben. Woran ist das gescheitert? An Details." Das war zum Ende der Presseschau die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.