
Die BERLINER MORGENPOST bewertet den Vorschlag der EU-Kommission so: "Die Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft müssen nun Mitte Dezember definitiv beschließen, ob der Zug Richtung EU-Mitgliedschaft ins Rollen kommt oder nicht. Klar ist auch: Die Zugehörigkeit der Ukraine zur EU erfolgt nicht per Knopfdruck. Der Prozess zieht sich über viele Jahre hin und kann auch wieder auf Eis gelegt werden wie im Falle der Türkei, wenn zum Beispiel Standards für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht eingehalten werden. Auch wenn der EU-Gipfel Mitte Dezember endgültig grünes Licht gibt: Es ist ein langer Prozess, der bis weit in die Zeit nach dem Krieg reicht. Aber die symbolische Geste ist wichtig", unterstreicht die BERLINER MORGENPOST.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommt zu folgender Einschätzung: "Es ist folgerichtig, wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Beitrittsgespräche mit der Ukraine empfiehlt. Schließlich wollen die EU-Staaten dem von Russland überfallenen Land eine Perspektive bieten. Es mag auch dynamisch klingen, wenn auch die Aufnahmeprozesse von Moldau, Bosnien und Herzegowina sowie Georgien beschleunigt werden sollen. Ehrlicher wäre es allerdings, wenn sie auch etwas zum Zeitplan gesagt hätte. Zudem wird es nur mit Fakten und nicht mit leeren Versprechungen gelingen, erweiterungsskeptische Regierungen für eine wachsende EU zu gewinnen", so die Einschätzung der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Die Empfehlung der EU-Kommission zu Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine ist zunächst nicht mehr als ein politisches Signal an Kiew und Moskau", stellt die in Magdeburg erscheinende VOLKSSTIMME klar. "Die Botschaft: Europa lässt das von Russland angegriffene Land nicht fallen - im Gegenteil. Moskau seinerseits sollte nicht damit rechnen, dass der Westen in seiner Unterstützung nachlässt. Gleichzeitig zieht Brüssel die Hürden so hoch, dass ein wirklicher Beitritt auf absehbare Zeit unrealistisch ist. Zunächst müssen die Mitgliedsländer der Verhandlungsaufnahme zustimmen. Ukraine-kritische Länder wie Ungarn könnten schon hier ihr Nein einlegen. Die Umsetzung erteilter Auflagen wie der Korruptionsbekämpfung kann zudem Jahre in Anspruch nehmen. Brüssel dürfte genau das bei seiner Zusage einkalkuliert haben. Der Schritt soll vor allem der Moral der Ukrainer dienen. Die Wahrheit ist: In ihrem jetzigen Zustand kann die EU insgesamt kaum neue Mitglieder gebrauchen - schon gar keine im Krieg", befindet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Für die STUTTGARTER ZEITUNG liegt der EU-Beitritt der Ukraine in weiter Ferne: "Die Ukraine kann, so wie sie ist, vorerst kein EU-Mitglied werden – und die EU in ihrer bürokratischen Schwerfälligkeit keine weiteren Mitglieder mehr verkraften. Es wäre fatal, wenn die EU aus symbolpolitischen Gründen den zweiten Schritt vor dem ersten setzen wollte. Selbstüberschätzung führt zur Handlungsunfähigkeit. Pragmatischer wäre es, eine Inklusion der Ukraine in Etappen anzustreben – ihr etwa eine Stimme im Kreis der Staats- und Regierungschefs ohne tatsächliches Stimmrecht einzuräumen. Die EU wird sich nicht weiter ausdehnen können, ohne im Kern auch völlig anders zu werden. Deshalb wird es noch sehr lange dauern bis zu einem Beitritt der Ukraine", ist sich die STUTTGARTER ZEITUNG sicher.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG geht ein auf die Vorschläge der Wirtschaftsweisen zur Rente in Deutschland: "Leider bietet der Sachverständigenrat im neuen Gutachten nicht nur weisen Rat. Klug ist seine Empfehlung, den Rentenbeginn bei steigender durchschnittlicher Lebenserwartung anzuheben über 67 Jahre hinaus. Politisch kaum weniger brisant, aber diskutabel ist auch der schnell wirksame Vorschlag, die Rentner vom Wohlstandszuwachs abzukoppeln und ihnen nur einen Inflationsausgleich zu gewähren. Das wäre eine deutliche Abkehr vom großen sozialpolitischen Versprechen, dass die Rente Teilhabe am Wohlstand sichere. Dennoch könnte diese Reform nötig sein, um in den finanziell besonders angespannten Jahren bis 2040 die finanzielle Balance zwischen Arbeitnehmern und Ruheständlern zu wahren. In die Irre geht die Mehrheit des Rats mit dem Vorschlag, Geld zwischen Rentnern umzuverteilen. Wer mehr eingezahlt hat, soll Ansprüche zugunsten derer verlieren, die weniger geleistet haben. Einen solchen Bruch mit dem Äquivalenzprinzip, nach dem jeder Euro-Beitrag im Alter gleich viel Rente bringt, weist das Ratsmitglied Grimm zu Recht zurück."
Die Debatte um die Altersvorsorge in Deutschland bewertet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER folgendermaßen: "Die größte Gefahr besteht darin, dass die Bundesregierung die Hände in den Schoß legt und auf die stabilen Beiträge und Rentensteigerungen verweist. Denn wirksame Gegenmittel wie eine längere Lebensarbeitszeit, noch höhere Steuerzuschüsse oder gar Streichung von Sozialleistungen sind unpopulär. So etwas überlässt man gern der Nachfolgeregierung und verweist lieber auf die eigenen Erfolge", so die Meinung des REUTLINGER GENERAL-ANZEIGERS.
Für den NORDBAYERISCHEN KURIER aus Bayreuth ist die Lage klar: "Deutschland ist ein rentenpolitischer Nachzügler: Die Schweiz hat verpflichtende Betriebsrenten, Schweden kennt eine gut funktionierende Eigenvorsorge für alle, und Österreich versichert seit Jahren neue Beamte in der allgemeinen Rentenkasse. Von solchem reformerischen Ehrgeiz war Deutschland in der Großen Koalition meilenweit entfernt - und ist es nun auch unter der Ampel", meint der NORDBAYERISCHE KURIER. Und damit soviel zu diesem Thema.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER analysiert zum heutigen Gedenktag an die Judenpogrome im Deutschen Reich vor 85 Jahren: "Es gibt ihn noch, oder wieder, den Antisemitismus in Deutschland. 'Wehret den Anfängen' ist misslungen. Große Reden nützen nichts, wenn nicht mit voller Härte des Gesetzes gegen Antisemiten vorgegangen wird, seien es Deutsche oder Palästinenser oder andere, und wenn nicht in Schulen und Integrationskursen Aufklärung betrieben wird. Die Pogrome am 9. November 1938 hätten nie geschehen dürfen. Aber die Erinnerung daran muss genutzt werden, um das 'Nie wieder'-Versprechen zu halten", fordert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen appelliert an das Geschichtsbewusstsein in Deutschland: "Offenbar ist immer weniger Menschen bewusst, welch Privileg es bedeutet, in einem freiheitlichen Rechtsstaat zu leben, und dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Gedenktage und Gedenkarbeit können helfen, dieses Bewusstsein wieder zu schärfen. Aber dazu braucht es mehr als gebetsmühlenartige Bekenntnisse und Sonntagsreden. Dazu muss Geschichte erlebbar werden. Wir müssen noch weiter weg von ausschließlicher Wissensvermittlung hin zum Verstehen von Zusammenhängen und Parallelitäten. Gerade junge Menschen sollten merken, wie stark das Vergangene ihre Gegenwart beeinflusst. Zuwanderern und ihren Kindern muss verdeutlicht werden, dass das Leben in diesem Land untrennbar verknüpft ist mit dem, was früher geschah", so die Forderung der RHEINPFALZ.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG mahnt: "Der 9. November ist für die deutsche Geschichte ein Schicksalstag. Das Datum markiert die deutsche Schuld der Judenverfolgung, die das Leben von sechs Millionen Babys, Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Greisen ausgelöscht hat. Dass Juden und der jüdische Staat Israel den Deutschen überhaupt wieder die Hand gereicht haben, ist ein Wunder. Es bleibt auf ewig eine Verpflichtung, dass Deutschland dieses Vertrauen nicht enttäuschen darf. Gerade Deutschland muss Israel nach der barbarischen Attacke der terroristisch-islamistischen Hamas am 7. Oktober zur Seite stehen", fordert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.