20. November 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Viele Zeitungen kommentieren die Parteitage der Linken sowie der Landes-CDU in Baden-Württemberg. Das dominierende internationale Thema ist erneut die Situation im Nahen Osten.

Eine nach Bombardierungen zerstörte Straße in Gaza.
Israels Vorgehen im Gazastreifen sorgt weiterhin für Diskussionen. (picture alliance / Anadolu / Ali Jadallah)
Dort sieht die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Israel vor einem Dilemma: "Die Wahl, vor der Israels Regierung in künftigen Verhandlungen über die Geiseln stehen wird, könnte bitterer kaum sein. Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, das Leben zumindest einiger dieser unschuldigen Menschen zu retten, auf der anderen Seite die Gefahr, dass die Hamas nicht nur durch den Austausch selbst gestärkt wird, sondern eine Waffenruhe Israels Armee das Momentum nimmt und die Terroristen sich neu aufstellen können, was das Leben vieler Soldaten kosten könnte. Es ist eine Entscheidung, bei der es kein Richtig oder Falsch gibt, die aber dennoch getroffen werden muss", konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER weist im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln auf einen anderen Aspekt hin: "Jegliche Fortschritte am Verhandlungstisch können binnen kürzester Zeit wieder zunichtegemacht werden, immerhin spricht man hier mit Terroristen."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG richtet den Fokus auf das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt: "Die Lage dort ist katastrophal. Die Zustände, welche die Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation bei ihrer Erkundungsmission vorfanden, sollten auch Israels Armee dazu bewegen, einer längeren Feuerpause zuzustimmen. Im Krankenhaus befinden sich 291 eigentlich nicht transportfähige Patienten, darunter 32 Babys. Schon unter normalen Umständen ist eine Evakuierung des Hauses lebensgefährlich für die Betroffenen. Das Mindestmaß an Menschlichkeit auch in Kriegszeiten gebietet es, dass die israelische Armee Bedingungen garantiert, die eine Evakuierung und eine sichere Passage ermöglichen", unterstreicht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU geht auf den Vorstoß von US-Präsident Biden für eine Zwei-Staaten-Lösung ein: "Da schwingt Verzweiflung mit. Denn neu dürfte dem US-Präsidenten das verklausulierte Nein des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu kaum gewesen sein. Dessen Skepsis, die geplante militärische Verantwortung Israels im Gazastreifen und die mangelnde Akzeptanz der palästinensischen Autonomiebehörde als möglichen Partner lassen nichts Gutes vermuten. Vielmehr nährt es die Befürchtungen, dass sich nach dem Verteidigungskrieg gegen die Hamas in Israel jene Kräfte durchsetzen, die seit langem durch die Siedlungspolitik im Westjordanland Palästinenserinnen und Palästinensern nicht nur immer mehr Land abnehmen wollen, sondern ein Israel vom Jordan bis zum Meer anstreben. Gegen diese Ein-Staaten-Lösung stemmt sich Biden zu Recht. Sie würde den Widerstand in den Nachbarstaaten wachsen lassen und die Gefahr eines Flächenbrandes vergrößern. Schon deshalb sollten Deutschland und die anderen EU-Staaten Biden unterstützen", mahnt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts gehen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN auf den jüngsten Deutschland-Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan ein: "Der Gaza-Krieg und die Vermittlungsbemühungen des Präsidenten sind in der Türkei das beherrschende Thema, das die Wirtschaftskrise und die hohe Inflation von 61 Prozent in den Hintergrund gedrängt hat. Gut vier Monate vor den wichtigen Kommunalwahlen in der Türkei im März kann das Erdogan nur recht sein. Die Selbstdarstellung als Friedensstifter und Vorkämpfer für die Palästinenser ist zentral für Erdogans Ruf zu Hause - und darauf kommt es ihm vor allem an.“
Der Linken-Parteitag in Augsburg ist Thema in der RHEINISCHEN POST aus Düsseldorf: "Die Linke versucht bei ihrer Neuaufstellung einen dezidiert anderen Weg. Das Europawahlprogramm soll das Profil als soziale Gerechtigkeits- und Friedenspartei schärfen, Parteilose wie die Aktivistin Carola Rackete und der Sozialmediziner Gerhard Trabert sollen Wählerstimmen aus dem Spektrum der sozialen Bewegungen bringen. Von 'Zäsur' war in Augsburg viel die Rede, von 'politischem Comeback' und einem neuen Kapitel, das nun beginne. Auf die in Augsburg demonstrierte Aufbruchstimmung wird schnell der Praxistest folgen. In gut zwei Wochen steht die Auflösung der Bundestagsfraktion an, Anfang des kommenden Jahres die von Wagenknecht angekündigte Parteineugründung - die Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Es ist ein Anfang, dem keinerlei Zauber innewohnt", urteilt die RHEINISCHE POST.
Auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder hat wenig Hoffnung für die Partei: "Mit Hartz IV konnte die Linke lange Rot-Grün vor sich hertreiben. Alle Bemühungen, ein ähnlich zugkräftiges Thema aufzugreifen, fruchteten nichts. Und nun? Weil die Wagenknechte den Friedenskampf okkupieren werden und die linke Haltung zu Flüchtlingsthematik unpopulär ist, bleibt der Kampf um soziale Gerechtigkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wählerschaft auch da eher der national orientierten Wagenknecht folgt, ist zumindest groß. Die Linkspartei ist von Krieg und Krisen überrascht worden. Der Parteitag in Augsburg hat gezeigt, dass sie sich von der Überraschung nicht erholt hat", schlussfolgert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die JUNGE WELT aus Berlin erinnert an die besseren Zeiten der Partei: "Als Die Linke in der Art einer linken Sozialdemokratie gegen Hartz IV und imperialistischen Krieg auftrat, war das ihre erfolgreichste Phase - sie erhielt 2009 an die fünf Millionen Wählerstimmen. Die vorwiegend ostdeutschen Funktionäre, die diesen Kurs bekämpften, haben vor langer Zeit die Oberhand gewonnen und den Parteiruin herbeigeführt. Die Vermeidung der Ursachenanalyse von Wahlniederlagen ist durch sie zu einem der wichtigsten Merkmale der Linkspartei geworden. Funktionärsfeudalismus bestimmt die Pöstchenvergabe. Das blieb auch in Augsburg so."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG hält fest: "Die Partei steht vor dem Spagat, die Interessen benachteiligter ostdeutscher Rentnerinnen und Rentner, Obdachloser und Bürgergeldempfänger ebenso zu vertreten wie die von Migranten, Flüchtlingshelfern, Feministinnen und Mitgliedern der LGBTQ-Community."
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER thematisiert den Landesparteitag der baden-württembergischen CDU: "In Reutlingen hat die Südwest-CDU die Weichen für die Landtagswahl im Jahr 2026 gestellt. Fraktionschef Manuel Hagel wurde mit einem überzeugenden Ergebnis von 91,5 Prozent zum neuen Vorsitzenden gewählt. Hagel ist als Fraktionschef und Parteivorsitzender der neue starke Mann bei den Konservativen in Baden-Württemberg und naturgemäß auch der Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Mit dieser Personalentscheidung ist die CDU den Grünen einen Schritt voraus. Dort ist immer noch nicht klar, wer das Erbe von Kretschmann antreten soll. Hagel hat auch einen neuen, selbstbewussten Ton gesetzt, der den Delegierten Mut macht und die Hoffnung weckt, dass die etwas angestaubte Regierungspartei wieder zur alten Stärke zurückfinden kann. Zuversicht, eine Rückbesinnung auf Werte wie Fleiß und Wettbewerb sowie das Bekenntnis, Klimaschutz und Wirtschaftsinteressen auszusöhnen, bilden eine zeitgemäße, sympathische Spielart des Konservatismus. So wie es zu einem Hochtechnologieland mit vielen ländlichen Regionen passt", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Dem stimmen die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe zu und betonen: "Das war ein Einstand nach Maß für den neuen CDU-Landesvorsitzenden Manuel Hagel."
Die STUTTGARTER ZEITUNG sieht die CDU im Südwesten geeint wie lange nicht mehr: "Die gute Stimmung in der Landes-CDU ist ein Wechsel auf die Zukunft. Die Aussichten auf Wahlerfolge in Bund und Land fördern das verträgliche Miteinander in der Partei ungemein. Zudem scheint es so, als ob sich alte Feindschaften allmählich biologisch verflüchtigten." Mit dieser Stimme der STUTTGARTER ZEITUNG über den Landesparteitag der CDU in Baden-Württemberg endet die Presseschau.