Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kommentiert den Ausgabenstopp für zahlreiche Posten in den Etats aller Ministerien: "Nachdem Christian Lindner noch vor einer Woche behauptet hatte, dass die Beratungen über den Bundeshaushalt von dem Schuldenbremsen-Urteil des Verfassungsgerichtes gar nicht betroffen seien, zieht der Finanzminister jetzt die Notbremse. Es ist das offizielle Eingeständnis, dass die Ampelregierung in einer schweren finanzpolitischen Krise steckt. Die Haushaltslücken sind derart groß, dass sie sich nicht durch bloße Sparpolitik schließen lassen. Entweder, die Ampel findet neue Finanzierungswege, oder die wichtigen Investitionen in den klimaneutralen Umbau der Industrie werden nicht getätigt. Letzteres wäre der Super-Gau für den Standort Deutschland", warnt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bewertet die Lage optimistischer: "Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird nicht untergehen, wenn das in den vergangenen zwei Jahren gezündete Milliardenfeuerwerk an Subventionen kleiner ausfällt als geplant. Ein bedeutender Teil der Zuschüsse aus dem Klima- und Transformationsfonds dient dazu, die Folgen einer Energiepolitik abzufedern, die allein auf Erneuerbare setzt und dadurch unnötig teuer ist. Übertrieben sind auch die zehn Milliarden Euro allein für den Chiphersteller Intel in Magdeburg. Den Preis für den politischen Wunsch, dass möglichst alles in Deutschland produziert werden soll, zahlen aber letztlich die Verbraucher: einmal mit den Subventionen aus Steuermitteln und später durch teurere Endprodukte", erläutert die F.A.Z..
Der Ausgabenstopp könne aber auch eine Chance sein, gibt die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG zu bedenken: "Nun wird die Regierung gezwungen, ihre unsinnigen Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Es wäre gut, wenn die übertriebene Hilfe für die energieintensive Industrie nicht käme, wenn umstrittene Subventionen und fragwürdige soziale Wohltaten angegangen würden."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint: "Die eigentliche Tragik entsteht durch den Umgang der Koalition mit dem Haushaltsdesaster. Geradezu schockierend ehrlich zeigen uns SPD, Grüne und FDP, dass sie – zumindest in der Krise – einfach nicht zusammenpassen. Solange genug Geld da war, erschien es möglich, die Differenzen zu überbrücken. Aber diese Geschäftsgrundlage gibt es nun nicht mehr. Ein inhaltlich schlüssiges Bündnis war die Ampelkoalition auch nicht, als ihr noch der zitronenfrische Geruch der Fortschrittskoalition anhing. Und nun ist auch der letzte Kitt weg", hält die FRANKFURTER RUNDSCHAU fest.
Die HEILBRONNER STIMME greift die gestrige Expertenanhörung im Haushaltsausschuss auf: "Wer sich davon Klarheit erhofft hatte, erhielt sie nur in einem Punkt: Es ist extrem kompliziert, das vom Verfassungsgericht verursachte 60-Milliarden-Euro-Loch zu stopfen, gleichzeitig rechtmäßige Haushalte für 2023 und 2024 vorzulegen und dabei die Schuldenbremse einzuhalten. Das gilt umso mehr, als sich die Koalitionspartner untereinander nicht einig sind, wie das gelingen soll. Eine Reform der Schuldenbremse oder Steuererhöhungen macht die FDP nicht mit. Sozialleistungen in großem Stil zu kürzen, ist mit der SPD nicht möglich. Und die Grünen können mit Blick auf den Klimaschutz auf das Verfassungsgerichtsurteil von 2021 verweisen, wonach Klimaschutz Verfassungsrang hat", notiert die HEILBRONNER STIMME.
Nach Ansicht der TAGESZEITUNG – TAZ ist die Blockadehaltung der FDP schuld an der derzeitigen Lage der Regierungskoalition: "Die Ampel hat ein politisches Problem, kein rechtliches. Es wäre möglich, die Schuldenbremse auszusetzen und neue Kredite aufzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat nur klargestellt, welche Kriterien dafür künftig gelten müssen. Aber die FDP will nicht. Ihr Mantra lautet: (Fast) keine Schulden und keine Steuererhöhungen. Damit ist die Ampel handlungsunfähig. Für die FDP wäre es fatal, wenn die Ampelkoalition auseinanderbricht. Denn damit wäre endgültig bewiesen, dass die Lindner-Partei nicht regieren kann, weil ihr die geistige Flexibilität fehlt. Daher dürfte Lindner am Ende nachgeben. Es muss nur noch eine gesichtswahrende Lösung gefunden werden, damit neue Schulden möglich werden, ohne dass der FDP-Chef explizit zustimmen muss", heißt es in der TAZ.
In den Augen der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG machen auch die anderen Koalitionspartner keine gute Figur: "Obwohl die dramatischen Folgen des Urteils jeden Tag sichtbarer werden, ist vom Kanzler irritierend wenig zu hören. Weniger schweigsam ist der Vizekanzler, doch dass Robert Habeck offensichtlich der Meinung ist, alles wäre gut, wenn nur die Union nicht gepetzt hätte in Karlsruhe, ist unter vielen verstörenden Aussagen der vergangenen Tage die vielleicht verstörendste. Fest steht: Wie schwer die Ampel sich damit tut, das Desaster zu erklären, ist selbst eines."
Und das HANDELSBLATT findet: "Wenn sich alle drei Koalitionspartner tief in die Augen schauen und jeder seinen Teil dazu leistet, dass es weitergehen soll, dann hätte das Urteil aus Karlsruhe seinen Sinn gehabt. Wenn das alles nicht hilft und die Koalition wieder in ihren alten Trott zurückfallen will, sollte sie sich zusammen mit CDU-Chef Merz eines überlegen: Die gesamte Debatte ist ein neues Konjunkturprogramm für die AfD. Bevor das politische System insgesamt Schaden nimmt, sollten alle zur Besinnung kommen."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG blickt auf die Deutsche Islam-Konferenz, deren Hauptthemen Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus sind: "Wer gerade gegen Israel Stimmung macht, gehört nicht selten der dritten oder vierten Generation von Einwanderern an. Vorurteile und gefühlte Ungerechtigkeiten sitzen hier teilweise tief. Insofern ist es richtig, dass sich die Islamkonferenz dem Thema widmet und die Innenministerin gleichzeitig betont, dass Muslime keinesfalls mit Islamisten gleichgesetzt werden dürfen. Man könnte ergänzen: Das Thema ist viel komplexer – Muslime, Einwanderer, problematische Ideologien in Herkunftsländern – all diese Themen überschneiden sich, sind aber keinesfalls deckungsgleich. Also Vorsicht vor Stereotypen." Das war die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg schreibt: "Bei Muslimen in Deutschland ist Antisemitismus verbreitet. Deshalb verlangt Innenministerin Nancy Faeser von den Interessenverbänden ein Bekenntnis dagegen. Doch Muslim-Zentralratschef Mazyek spricht lieber von Unsicherheit der Gläubigen. Geschenkt: Verunsichert sind auch große Teile der angestammten Bevölkerung in Deutschland. Und ist es etwa ein Zeichen von Unsicherheit, wenn in Berlin oder im Ruhrgebiet schon judenfeindliche Demonstranten die Straßen beherrscht haben?", fragt die VOLKSSTIMME.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus stört sich daran, dass der Islamverband DITIB an der Konferenz teilnimmt: "DITIB wird von der Türkei aus gelenkt, holt seine Imame von dort und ließ gerade einen Taliban-Vertreter auftreten. Die reaktionären, teilweise nationalistischen Islamverbände vertreten etwa 20 Prozent der Muslime in Deutschland. Leider ist deren Mehrheit schlecht organisiert."
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg spricht sich für mehr in Deutschland ausgebildete Imame aus: "Je mehr sich der deutsche Islam institutionalisiert, desto stabiler wird auch sein Verhältnis zum Staat. Es ist ein Schritt der Inklusion, der Anerkennung, ein klares Ja an die vielen deutschen Muslime, die hier zu Hause sind. Gleichzeitig wäre es ein Bekenntnis zum deutschen Staat und seinen Werten – und gegen Israelfeindlichkeit und Antisemitismus. Eine Plattform zu schaffen, damit sich solche Strukturen ausbilden können, ist auch Aufgabe der 'Deutschen Islam-Konferenz'. Gerade in der Nahost-Debatte gibt es viele Stimmen, die nicht mit der Haltung der Islamverbände einverstanden sind. Aktuell scheint es, als würden sie von den großen Verbänden übertönt. Doch gerade sie müssen auf der politischen Bühne hörbar werden." Das war die BADISCHE ZEITUNG, und damit endet die Presseschau.