
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER führt aus: "Lars Klingbeil und Saskia Esken sind mit 85,6 Prozent und 82,6 Prozent als SPD Parteivorsitzende wiedergewählt worden - Klingbeil mit einem fast so guten, Esken sogar mit einem noch besseren Ergebnis als nach der gewonnen Bundestagswahl vor zwei Jahren. Das ist erstaunlich, denn seither ist die Partei in Umfragen deutlich abgestürzt, mehrere Landtagswahlen gingen verloren. Die Botschaft der Delegierten ist klar: Sie wollen ein Zeichen der Geschlossenheit setzen, auch als Signal an die Koalitionspartner. Dafür eignet sich die Doppelspitze, die den rechten und den linken Flügel der Partei repräsentiert, sehr gut", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE bewertet den Auftritt des Co-Vorsitzenden Klingbeil. Dieser habe die Delegierten "mit seiner Rede von den Sitzen gerissen, er hat versucht, der verunsicherten Partei Orientierung zu geben und ihr mitten im Ampel-Chaos und im Umfragetief neue Zuversicht zu vermitteln. Er ist der gefühlte Parteichef, der die SPD gemeinsam mit Generalsekretär Kevin Kühnert durch schwierige Jahre führt. Zwischen den beiden wirkt die Mitvorsitzende Esken trotz ihres vergleichsweise guten Wahlergebnisses von 82,6 Prozent wie eine Sekundantin – mittendrin, aber nicht wirklich dabei", urteilt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Der Berliner TAGESSPIEGEL beobachtet: "In diversen Reden verlangten SPD-Delegierte eine Abschaffung der Schuldenbremse 'sofort', morgen also, wenn nicht heute. Das klingt schon ziemlich nach alter sozialdemokratischer Oppositionsrhetorik, um nicht zu sagen nach: Wolkenkuckucksheim. Eher holt die SPD bei der nächsten Bundestagswahl 32 Prozent, als dass die Schuldenbremse demnächst aus dem Grundgesetz purzeln wird. Wer die verbalen Attacken auf die Union und die oppositionssehnsüchtigen Vorschläge hört, dem fällt eins umso mehr auf: Lobgesänge auf die von der SPD geführte Bundesregierung und Olaf Scholz sind kaum noch zu hören", notiert der TAGESSPIEGEL.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG stellt fest, Kanzler Scholz sei in den Reden von Esken und Klingbeil so gut wie gar nicht vorgekommen: "Auch die inhaltlichen Akzente des Parteitags – höhere Steuern für Reiche und weg mit der Schuldenbremse – sind keineswegs Scholz-Linie. Der tickt in Haushaltsfragen anders. Auch wenn der Kanzler gerade ziemlich unten durch ist: Für einen Abgesang auf ihn oder seine Ampel könnte es etwas früh sein."
Die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide analysiert, Aufbruchstimmung sei bei den Sozialdemokraten "allenfalls marginal zu erkennen. Im Gegenteil: Die SPD ist zerrissen wie schon lange nicht mehr. Die Parteibasis rebelliert gegen die Ampelkoalition, den Jusos schmeckt zum Beispiel die Schuldenbremse nicht, von der Uneinigkeit etwa beim Bundeshaushalt ganz zu schweigen. Die SPD hat keinen Grund mehr, ihre alten Arbeiterlieder zu singen. Allenfalls umgetextet: Dem Morgentod entgegen."
Themenwechsel. "Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt hat nun auch der Verfassungsschutz in Sachsen den dortigen AfD-Landesverband als gesichert rechtsextremistisch eingestuft", schreibt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg und bemerkt: "Wirklich überraschend ist das nicht. Es ist zu erwarten, dass der Inlands-Geheimdienst in weiteren Bundesländern tätig wird. Denn die AfD marschiert stramm immer weiter nach ganz rechts. Es ist richtig, dass der Staat Kante zeigt. Dessen ungeachtet hat die AfD vor allem in Ostdeutschland enormen Zulauf. Dies zeigt, dass beispielsweise auch Rufe nach einem Verbot der Partei kontraproduktiv sind. Das belebt vielmehr die Mär als selbst ernannte Märtyrer. Die politische Mitte erodiert derzeit. Das ist eine große Gefahr für die Demokratie", mahnt die VOLKSSTIMME.
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz gibt zu bedenken: "Wer die AfD im kommenden Jahr bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen wählt, der wählt damit eine andere Republik. Aber wie soll diese Republik denn aussehen? Ohne Freiheitsrechte? Ohne Meinungspluralismus? Ohne Achtung voreinander? Auch allen Sympathisanten der AfD in Hessen und Rheinland-Pfalz sei gesagt: Selbst wer hier mit der Partei liebäugelt, der befördert Ressentiments und Autoritarismus, ja, ein ganz anderes Land als das, das wir kennen", unterstreicht die ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz erwartet: "An den Zustimmungswerten der AfD wird sich nichts ändern. Viel zu weit ist das Vertrauen in staatliche Akteure unter AfD-Anhängern schon erodiert, als das ein Urteil des Verfassungsschutzes in diesem Lager nun großflächig für Umkehr sorgen könnte. Allenfalls für weitere Empörung. Empörung über den Staat, der den Verfassungsschutz als politische Waffe einsetze, weil er sich nicht mehr anders zu helfen wisse. So lauten auch Reaktionen vonseiten der AfD. Eine eingeübte Taktik für die Parteistrategen", folgert die FREIE PRESSE.
Die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden hebt hervor, die Verfassungsschützer hätten ihr Ergebnis ausführlich belegt und begründet, doch "in der Politik und in der Zivilgesellschaft, dort wo man sich seit langem weit intensiver mit rechtsextremen Provokateuren und ihren Anhängern hätte auseinandersetzen müssen, passiert noch immer zu wenig. Zu lange blieb der Widerspruch aus, das bessere Argument ungehört. So wurde die zunächst rechtspopulistische Partei interessant für Menschen, die nicht rassistisch oder völkisch-national denken, die aber mit dem, was sie 'Mainstream' nennen, nichts anfangen können. Die dürfen wir nicht aufgeben", vermerkt die SÄCHSISCHE ZEITUNG.
Nun noch Stimmen zur Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, Einzelsportler aus Russland und Belarus unter Auflagen an den Sommerspielen 2024 teilnehmen zu lassen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG spricht von einem Triumph für den Mann, der "2014 eingeladen hatte zu Olympia und unmittelbar danach den Krieg gegen die Ukraine mit der Annexion der Krim begann. Putin und sein Regime werden es selbstverständlich nicht so klingen lassen. Sie werden, im Gegenteil, ob der Neutralisierung eine Diskriminierung beklagen. Und jeden russischen Teilnehmer in Paris für dessen Widerstandskraft, jede Medaille als Triumph Russlands preisen wie auskosten. Es könnten goldene Wochen für die russische Propaganda werden", vermutet die F.A.Z.
Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt gibt zu bedenken: "So neutral Russen und Belarussen auch bezeichnet und gekleidet sein mögen: Der Krieg wird auf der olympischen Bühne nicht auszublenden sein. Dazu bedarf es nicht einmal direkter Aufeinandertreffen mit ukrainischen Athleten. Ob es überhaupt dazu kommt, ist längst nicht gesichert. Immer wieder hatte die Ukraine mit Boykott gedroht. Die Gefahr, dass sich andere Nationen aus Solidarität beteiligen könnten, darf nicht unterschätzt werden. Das IOC ist gefordert, diese (Ab)-Spaltung unter allen Umständen zu verhindern", meint die THÜRINGER ALLGEMEINE.
Der MÜNCHNER MERKUR hält den sogenannten neutralen Athleten für eine "Mär" und verweist auf Beispiele: "Verweigerte Handschläge im Tennis oder der Fall der Fechterin Charlan – die vergangenen Monate haben gezeigt, dass ein sportliches Aufeinandertreffen der Ukraine und Russland eben nicht so reibungslos abläuft, wie sich Funktionäre das schönreden. Und: Schon bei den Spielen in Peking vergangenes Jahr wurde deutlich, dass russische Sportler auch als Team Russland zu erkennen sind. Moralisch ist es schon mal höchst verwerflich, einem ukrainischen Athleten, der vielleicht Familie oder Freunde im Krieg verloren hat, das zuzumuten." Das war zum Ende der Presseschau der MÜNCHNER MERKUR.