Samstag, 04. Mai 2024

12. Dezember 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Schwerpunkt der Kommentare ist der Entwurf des neuen Grundsatzprogramms für die CDU. Außerdem werden die Boni für den Bahnvorstand sowie der Machtwechsel in Polen kommentiert.

12.12.2023
Berlin: Carsten Linnemann (r), CDU-Generalsekretär und Vorsitzender der Programm- und Grundsatzkommission, und die stellvertretenden Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission, Serap Güler und Mario Voigt, nehmen an einer Pressekonferenz zum Entwurf der Kommission für ein neues Grundsatzprogramm der CDU teil und halten das entsprechende Dokument in der Hand.
Auf 70 Seiten haben CDU-Politiker ihr neues Grundsatzprogramm formuliert. (Michael Kappeler/dpa)
"Die CDU brauchte eine Weile, um sich vom Schock des Machtverlusts am Ende der Ära Merkel zu erholen", analysiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Zwei Jahre nach der Versetzung in die Opposition hat sie aber wieder Tritt gefasst. Während die SPD in den eingefahrenen Bahnen ihrer Programmatik bleibt, präsentiert die CDU sich als die wahre Partei der Zeitenwende. Der Entwurf des neuen Grundsatzprogramms schlägt auf zentralen Politikfeldern Richtungsänderungen vor, zu denen die mit sich selbst ringende Fortschrittskoalition nicht willig oder nicht fähig ist. Darunter sind Punkte wie etwa die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die bei den wenigsten Deutschen Begeisterungsstürme hervorrufen werden. Doch dürfte es auch Bürger geben, die es zu schätzen wissen, dass ihnen eine Partei schon in der Opposition reinen Wein einschenkt, selbst wenn der sauer ist", meint die F.A.Z.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER schreibt, dass der Programmentwurf klar mache, wohin bei der CDU die Reise gehe. "Härterer Kurs gegenüber Migranten, deutsche Leitkultur, Forderung nach einem Bekenntnis zum Grundgesetz für Zuwanderer, klares Ja zur Schuldenbremse, Arbeit soll sich lohnen, und die Atomkraft soll bei der Energiewende helfen. Das wirkt wie eine Zeitreise zurück zur Zeit vor Merkel. Die CDU wird wieder konservativer", betont der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Das neue Grundsatzprogramm atmet durchaus den Geist dessen, was mal gewesen ist", konstatiert auch die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Die gute alte CDU-Zeit, die Wurzeln, auf die man sich besinnen möchte und von denen man glaubt, dass aus ihnen immer noch etwas Neues erwachsen kann. Die Besinnung auf Bewährtes reicht freilich nicht mehr, denn die Welt dreht sich gerade atemberaubend weiter; die Zeiten sind geprägt von multiplen Krisen und neuen Herausforderungen. Mit dem Grundsatzprogramm wird man vermutlich nicht die neuen Wähler gewinnen, die man auf dem Weg zurück zur Macht benötigt. Der Selbstvergewisserung der CDU dient es allemal", kommentiert die RHEIN-ZEITUNG.
Der MÜNCHNER MERKUR lobt hingegen das neue Programm, das konservativer und kantiger als bisher sei. "Vor allem vollzieht es die Abkehr vom breiartigen Mitte-Links-Kurs Merkels, als die CDU zwar dauerregierte, der Staat sich vor allem in der Migrationspolitik aber machtlos und taub stellte. Das manifestiert sich in einem Schlüsselsatz des CDU-Programms. Aus dem schönen, aber in seiner Pauschalität naiven Wort des Bundespräsidenten Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, formt die Union nun eine klare Ansage: 'Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.' Diese Aussage ist richtig, ebenso wie ihr Umkehrschluss. Diese Klarheit setzt sich auf vielen Feldern fort - Finanzen, Sicherheitspolitik, Energie. Auch dass die CDU wieder von Leitkultur redet, ist nicht rechts, sondern spricht der bürgerlichen Mitte aus dem Herzen", findet der MÜNCHNER MERKUR.
Die STUTTGARTER ZEITUNG hat den Eindruck, dass viele Halt und Orientierung bei der aktuellen Ampelregierung vermissten. "Insofern ist es verdienstvoll, dass die CDU diese Marktlücke auf eine Weise bewirtschaften möchte, die jedenfalls über verfassungsrechtliche Zweifel erhaben ist. Ob es dazu nötig war, die umstrittene und notorisch missverständliche Floskel von der Leitkultur wieder zu entmotten, bleibt hingegen zweifelhaft. Es ist eines der Wasserzeichen, die Merz dem Entwurf eingeprägt hat."
"Grundsätzlich ist es gut, dass die CDU einen Vorschlag zur Begrenzung der Migration macht", ist in der RHEINPFALZ aus Ludwigshafen zu lesen. "Denn die hohen Flüchtlingszahlen bringen die Kommunen vielerorts in Deutschland an den Rand der Leistungsfähigkeit. Doch ist sehr fraglich, ob das CDU-Konzept den Realitätstest besteht. Schon jetzt scheitern viele Abschiebungen daran, dass etliche Länder ihre eigenen Staatsbürger nicht zurücknehmen. Wie da genügend Drittstaaten gefunden werden sollen, um alle Asylbewerber aufzunehmen, erscheint schleierhaft. Wenn die CDU wieder regiert, könnte sie mit dem Konzept schnell Erwartungen enttäuschen", prognostiziert die RHEINPFALZ.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER bemängelt, dass dem Entwurf an einigen Stellen Klarheit fehle. "Während die Passagen zur Migrations- und Gesellschaftspolitik sehr deutlich formuliert sind, lassen andere Stellen viel Raum für Interpretation. Ohnehin schürt die CDU eine Erwartungshaltung, die kaum zu erfüllen sein wird. Viele Vorschläge werden bei den möglichen künftigen Koalitionspartnern nicht auf Gegenliebe stoßen." Soweit der KÖLNER STADT-ANZEIGER. Und so viel zu diesem Thema.
Die Vorstände bei der Deutschen Bahn sollen für das vergangene Jahr fast fünf Millionen Euro Boni ausgezahlt bekommen. Nach Ansicht der TAGESZEITUNGTAZ – ist das nicht richtig. "Bahnchef Lutz verdient weit mehr als der Bundeskanzler. Das ist nicht angemessen. Die leistungsbezogenen Zulagen zum Grundgehalt werden nach einem abstrusen Berechnungssystem festgelegt. Ein Beispiel: Weil der Frauenanteil unter den Führungskräften mit 27 Prozent genau einen Prozentpunkt über dem gesetzten – ausgesprochen niedrigen – Ziel liegt, gilt die Vorgabe bei der Bonuszuteilung als zu 200 Prozent erfüllt. Personalvorstand Seiler bringt dieser Punkt satte 256.000 Euro Zulage. Das ist derjenige, der in Tarifkonflikten den Gewerkschaften mit Hinweis auf die wirtschaftliche Lage der Bahn gerne maßlose und überzogene Forderungen unterstellt. Was, bitte, ist das für eine Doppelmoral: im Tarifkonflikt mit der GDL den Hardliner geben und den Beschäftigten kaum einen Reallohnzuwachs gönnen – aber selbst die Taschen nicht voll genug bekommen", kritisiert die TAZ.
Für die FREIE PRESSE aus Chemnitz sind die Boni "wie ein Schlag ins Gesicht für jeden Bahn-Kunden". Weiter heißt es aber: "Wer jetzt auf die vermeintlich gierigen Manager zeigt, trifft die Falschen. Die Bahn ist in der Krise und braucht gerade an der Spitze fähiges Personal – und das kostet. Es ist der Aufsichtsrat, der Vergütung und Boni festlegt. Darin sitzen Vertreter der Gewerkschaften und der Bundesregierung. Wenn diesem Gremium bislang die Erledigung persönlicher Ziele wichtiger war als die tatsächliche Aufgabenstellung, muss man sich über solche Boni nicht wundern."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schlägt ein Umdenken vor. "Für eine bessere Bahn braucht es Manager mit Ecken und Kanten, die das teilweiseverkrustete Staatsunternehmen umkrempeln. Die dem Kanzler, dem Finanz- und dem Verkehrsminister knallhart sagen, dass das Land jetzt das Geld braucht, um das veraltete Schienennetz in Ordnung zu bringen. Aber wer riskiert das schon bei einem Fixgehalt von weniger als einer Million Euro im Jahr. Für Normalverdiener ist das, natürlich, sehr viel Geld. Für Top-Manager nicht. Die am schlechtesten bezahlten Vorstandsmitglieder der Bahn bekommen ohnehin deutlich weniger, um 200.000 Euro. Für diesen Betrag würde in den Chefetagen der Autokonzerne wahrscheinlich niemand auch nur sein Handy zur Hand nehmen oder eine Mail schreiben. Bessere Vorstandsgehälter bei der Bahn müssen ja nicht gleich so hoch ausfallen wie bei den Konzernvorständen von BMW, Mercedes und Volkswagen. Ein Bahnchef braucht keine zehn Millionen Euro. Und bei der Autoindustrie ließe sich trefflich darüber streiten, ob die dortigen Gehälter und Boni in Millionenhöhe zu viel des Guten sind", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Zum Abschluss noch eine Stimme zum Machtwechsel in Polen. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG empfiehlt der Regierung, Polen im Sinne einer Modernisierung und einer Aussöhnung mit Brüssel und Berlin voranzubringen: "Dabei darf der designierte Premierminister Tusk allerdings auch jene konservativeren Teile der Gesellschaft nicht vergessen, die ihn nicht gewählt haben. Dem angeschlagenen Rechtsstaat wieder zur Geltung zu verhelfen, ohne die Spaltung der Gesellschaft dabei weiter zu vertiefen, wird ein echter politischer Kraftakt." Mit diesem Kommentar aus der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG endet die Presseschau.