22. Dezember 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zur Reform der EU-Schuldenregeln, zu den Protesten der Landwirte und zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Streit um die Super League. Zunächst aber geht es um die Ukraine.

Zwei Personen steigen aus einem Panzer. Der Panzer steht im Schnee.
Ukrainische Soldaten bei einer Übung (AP / Efrem Lukatsky)
Dort will das Verteidigungsministerium bis zu 500.000 weitere Soldaten mobilisieren, auch aus dem Ausland. "Die Zahlen zeigen, wie ernst die Lage ist", meint die TAGESZEITUNG - TAZ. "Die Verluste müssen ersetzt werden. Außerdem brauchen Soldaten, die seit zwei Jahren an der Front kämpfen, dringend eine Ablösung. Eine physisch und moralisch erschöpfte Armee erleidet noch größere Verluste. Trotz des moralischen Aspekts des Problems ist es unwahrscheinlich, dass die Ukraine in der Lage sein wird, einen effektiven Mechanismus zu entwickeln, um geflüchtete Männer zurück in ihr Land zu bringen. Darüber hinaus ist unklar, ob eine solche Einberufung alle Männer trifft oder nur die, die das Land illegal verlassen haben", überlegt die TAZ.
"Man muss den neuen ukrainischen Verteidigungsminister verstehen", schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Das Land kämpft um seine Existenz, und ob es den Krieg gegen den russischen Aggressor 'gewinnen' kann, hängt nicht nur von Kiew ab. Die Ukraine hat Unterstützung bitter nötig, aber sie kämpft diesen Kampf selbst - und dafür braucht sie jeden. Deshalb ist es konsequent, dass alle, die der Wehrpflicht unterliegen, nun herangezogen werden sollen, um ihrem Land im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu dienen. Am Anfang des Krieges war es Männern im wehrfähigen Alter untersagt, das Land zu verlassen. Gleichwohl befinden sich mittlerweile offenbar Hunderttausende außer Landes, viele davon in Deutschland. Sosehr man das im Einzelfall nachvollziehen kann: Das ist weder im Interesse der Ukraine noch Deutschlands", unterstreicht die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG notiert: "Zum Weihnachtsfest zeichnet sich ein ziemlich bitterer Kriegswinter ab. Denn inzwischen kämpft die Ukraine an zwei Fronten: auf den Schlachtfeldern gegen die russische Armee und auf internationalem Parkett um anhaltende militärische und finanzielle Unterstützung. Beides ist sehr kräftezehrend und hebt schwerlich die Kampfmoral der Menschen. Wenn den Verbündeten der Ukraine tatsächlich daran gelegen ist, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen darf, werden sie künftig noch deutlich mehr Waffen und Munition liefern müssen", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der MÜNCHNER MERKUR hält fest: "Die Menschen in der Ukraine stehen vor einer traurigen zweiten Kriegsweihnacht. Während Russlands Präsident Putin die grausamen Bombardements wieder mit voller Wucht aufnimmt, um die erschöpfte Zivilbevölkerung von der Wärmeversorgung abzuschneiden, versuchen die Soldaten in ihren Gräben zunehmend verzweifelt die Front zu halten. Und die Verbündeten im Westen? Die haben jetzt vermeintlich Wichtigeres zu tun: In den USA ist Wahlkampf. Und die deutsche Ampelregierung, die anstelle Washingtons die Verbündeten zur Verteidigung Europas gegen die Tyrannei antreiben müsste, ringt zur Freude Putins nur ums eigene Überleben. Ohne Munition und mehr moderne Waffen aber werden auch die hunderttausendfach in den Westen geflohenen ukrainischen Männer, die Präsident Selenskyj jetzt richtigerweise zum Wehrdienst verpflichten will, das Blatt nicht wenden können gegen einen zum Äußersten entschlossenen Kremlherrscher", befürchtet der MÜNCHNER MERKUR.
Die Finanzminister der EU-Staaten haben sich auf eine Reform der Schuldenregeln verständigt. Sie seien zurecht nicht zu den allzu strengen Regeln vor der Corona-Pandemie zurückgekehrt, kommentiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Der vorgesehene moderate Schuldenabbau von 0,5 oder einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts stellt etwa Italien nicht vor unlösbare Aufgaben. Die EU hat also aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und die Regeln nicht wie einst verschärft, was dazu führte, dass EU-Staaten während des Aufschwungs zu wenig und im Abschwung zu viel sparten", erinnert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Der TAGESSPIEGEL beobachtet: "Da haben sich eindeutig Frankreich und viele südeuropäische Staaten durchgesetzt, die unter einer sehr hohen Schuldenlast ächzen. Zudem sind die besten Regeln nur so gut, wie die dazugehörigen Kontrollen. In diesem Fall wacht die EU-Kommission darüber, dass die Staaten die Vorgaben einhalten. Die Brüsseler Behörde hat in den vergangenen Jahren aber immer wieder gezeigt, dass sie die Regeln des EU-Stabilitätspaktes sehr großzügig interpretiert. Tut sie dies weiter, wäre mit der Reform nichts gewonnen", moniert der TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Der Europäische Gerichtshof hat den Weg für die Gründung einer Super League grundsätzlich freigemacht. Dem europäischen Spitzenfußball stünden damit unruhige Zeiten bevor, prognostiziert die Magdeburger VOLKSSTIMME: "Gerade hoch verschuldete Vereine wie der FC Barcelona oder Juventus Turin werden alles daransetzen, das Modell wiederzubeleben. Andere, die ebenfalls in finanziellen Nöten stecken, könnten sich anschließen. Darin besteht die Gefahr. Vielleicht hätte die UEFA den Befürwortern nicht gleich mit drastischen Strafen wie Punktabzug oder gar Ausschluss drohen sollen. Dieser Monopolstellung hat der EuGH eine deutliche Abfuhr erteilt und damit ein für alle Mal für klare Verhältnisse gesorgt", stellt die VOLKSSTIMME fest.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE vermerkt: "Noch mehr Geld als bisher soll mit einer Super League verdient werden, in der sich die Spitzenklubs selbst vermarkten und es nur noch Top-Spiele gibt. Dabei haben die hoch verschuldeten Vereine hinter der Idee, Real Madrid und der FC Barcelona, kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Seit Jahrzehnten geben sie Geld aus, das sie nicht haben – und wollen nun noch mehr davon generieren. Diese Gier wirkt abstoßend, auch mit einem Gerichtsurteil im Gepäck", findet die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
ZEIT ONLINE führt an: "UEFA und FIFA verkaufen sich wie viele Sportverbände gern als gemeinnützige Institutionen, die sich um kickende Achtjährige auf der Bolzplatzwiese kümmern. Europas Justiz teilt ihnen nun mit, was jeder seit Langem weiß: Ihr seid Wirtschaftsunternehmen, und so werdet ihr ab sofort auch behandelt. Nun tut die UEFA cool. Aber das Urteil wird auf Dauer Konsequenzen haben für den Fußball, seine Organisation, seine Wettbewerbe, seine Vermarktung. Vielleicht endet ja bald die Zeit der teuren und zahlreichen Abomodelle im Fußball, die Super-League-Vermarkter stellten das in Aussicht. In diesem Idealfall würde das Individuum, der Verbraucher, der Fan profitieren – von einem verbesserten Wettbewerb und niedrigeren Preisen. Das wäre im europäischen Sinne", findet ZEIT ONLINE.
Zum Schluss noch zwei Kommentare zu den anhaltenden Protesten der Landwirte. "Dass die Landwirte schäumen vor Wut, ist nachvollziehbar", urteilt die FREIE PRESSE aus Chemnitz. "Die Streichung der Beihilfen für Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung für Landmaschinen wird keinen Betrieb in den Ruin treiben. Aber es ist eine weitere Kostenbelastung, die dazu führt, dass der Beruf noch unattraktiver wird. Es kann aber niemand ein Interesse daran haben, dass noch mehr Höfe verschwinden. Nicht nur, weil wir die Lebensmittel brauchen, sondern auch, weil sonst keiner mehr die Kulturlandschaft pflegt", argumentiert die FREIE PRESSE.
Auch die STUTTGARTER ZEITUNG äußert Verständnis für die Streiks: "Angesichts zunehmend wackeliger weltweiter Lieferketten ist eine ausreichende Eigenversorgung mit Lebensmitteln wichtiger denn je. Das macht die Landwirtschaft zu einer besonders systemrelevanten Branche. Und es rechtfertigt auch ein gewisses Maß an staatlicher Unterstützung - auf die im Übrigen auch andere zentrale Wirtschaftszweige bauen können. Der Agrarsektor ist nicht nur ein lebenswichtiger Teil der Wirtschaft, sondern auch einer mit langen Planungshorizonten. Wer heute einen Stall baut, legt sich für Jahrzehnte fest. Politische Schnellschüsse vertragen sich damit schlecht. Genau das haben die Ampelparteien bei der krampfhaften Suche nach Sparmöglichkeiten nicht bedacht", heißt es in der STUTTGARTER ZEITUNG.