16. Januar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Bundesregierung lässt weiter offen, wann und ob es ein Klimageld geben wird. Weitere Themen sind das Unwort des Jahres 2023 sowie die Bauernproteste. Doch zunächst geht es um die Konjunktur. Deutschland ist im vergangenen Jahr als einziges großes EU-Land geschrumpft.

Das Foto zeigt eine Werkhalle.
Deutschland ist 2023 in eine Rezession geraten. (picture alliance / dpa-Zentralbild / Soeren Stache)
Zur Rezession schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Das abgelaufene Jahr ist nicht nur für viele Bürger, sondern auch für zahlreiche deutsche Unternehmen ein Jahr zum Vergessen. Und es sieht nicht so aus, als würde sich die Lage in 2024 nachhaltig verbessern. Wachstumsimpulsen durch Investitionshilfen und Sofortprogrammen sind angesichts der angespannten Haushaltslage enge Grenzen gesetzt. Und doch wird die Politik ihren Teil dazu beitragen müssen, den Laden wieder flott zu machen. Vor allem, weil im Herbst dieses Jahres in ostdeutschen Bundesländern wichtige Wahlen anstehen und die Politikverdrossenheit vieler Menschen wächst", bemerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Deutschlands Wohlstand schwindet immer mehr", konstatieren die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN. "Was Statistiker in trockenen Worten als Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent beschreiben, bedeutet für die Menschen im Durchschnitt ein geringeres Einkommen und manchmal auch den Verlust des Arbeitsplatzes. Doch warum steht die deutsche Wirtschaft deutlich schlechter da als die der meisten europäischen Nachbarn und auch der USA? Politische Fehler in der Vergangenheit, aber vor allen Dingen im gerade abgelaufenen Jahr, haben Deutschland international abgehängt", kritisieren die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER warnt vor einer Lockerung der Schuldenbremse: "Ohne strenge Regeln ist der Verschwendung Tür und Tor geöffnet. Dann ist nämlich endlich das Geld da, um neben der Transformation auch noch die ideologischen Herzensangelegenheiten und nebenbei auch noch ein paar Geschenke für die unzufriedenen Wähler zu finanzieren. Die Last müssen dann künftige Generationen in Form von Überschuldung tragen. Die Politik muss lernen, mit dem Geld hauszuhalten, das ihr zur Verfügung steht."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG argumentiert anders: "Statt zu sparen, sollte die Ampel die Schuldenbremse reformieren oder wenigstens ein Sondervermögen fürs Klima schaffen. Das belebt nicht nur die Konjunktur, es ist unverzichtbar, um die deutsche Wirtschaft ökologisch zu transformieren und so im internationalen Wettbewerb dauerhaft Wachstum und Jobs zu sichern. Es führt kein Weg daran vorbei: Olaf Scholz wird wirtschaftlich wie politisch nur Erfolg haben, wenn er sich nicht mehr von den ökonomisch überholten Spardogmen der FDP dominieren lässt", zeigt sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG überzeugt.
Nun zu den Bauernprotesten, die gestern mit einer Großdemonstration in Berlin endeten. Zur Entlastung der Landwirte wird eine Abgabe auf tierische Produkte diskutiert. Die FREIE PRESSE nennt es ein politisches Wagnis, Fleisch und Wurst zu verteuern. "Selbst wenn das Plus nur gering ausfällt und die Tierhaltung nur so eine Zukunft in Deutschland hat. Allein mit Gesprächen - so zwingend sie auch sind -, erreicht die Ampel nichts, wenn darauf Zögern und Zaudern folgen. Ein Reformplan bis zur Sommerpause, wie ihn die Ampelfraktionen planen, kommt schlicht zu spät. Dafür ist der Unmut der Bauern und übrigens manch anderer, die die Bauernproteste unterstützen, viel zu groß", fasst die FREIE PRESSE aus Chemnitz zusammen.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN verweisen darauf, dass eine sogenannte Tierwohlabgabe zweckgebunden wäre, "... deren Erlös gezielt in den tierfreundlicheren Umbau von Ställen fließen soll. Da entsteht dann zwar eine neue Subvention und vermutlich auch neue Bürokratie - aber das Vorhaben ist immerhin zukunftstauglicher als das Subventionieren von Diesel. Offen ist, ob die Landwirte so ein Angebot akzeptieren. Ihre Vertreter haben sich, befeuert von Politikern der Union, der Ampel selbst und der Freien Wähler, sehr klar darauf festgelegt, keine Kompromisse zu akzeptieren - auch das ist alles andere als hilfreich. So erleben wir das nächste Trauerspiel verfehlter Ampel-Politik", erwarten die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Die Zeitung DIE WELT zieht folgendes Resümee nach einer Woche Protest. "Herausgekommen ist: nichts. Finanzminister Lindner kam mit leeren Händen zum Brandenburger Tor und wurde ausgebuht. Allzu kraftlos waren seine heiser gerufenen Andeutungen, marginale Veränderungen bei der bäuerlichen Einkommensteuer und bei Bürokratie würden geprüft. Auch das Treffen der Ampel-Spitzen mit den Bauernfunktionären endete mit Ernüchterung. Jetzt hoffen beide Seiten auf die Haushaltsbereinigung am Donnerstag: Bei dem Geschacher um die Restposten im Haushalt dürften ein paar Krümel für die Bauern abfallen – womöglich genug, damit die Bauernfunktionäre ihrer Basis vermelden können, finanziell etwas erreicht zu haben", überlegt DIE WELT.
Die Einführung eines Klimagelds zur Entlastung von steigenden CO2-Preisen soll nach Angaben der Bundesregierung spätestens 2027 eingeführt werden. Die LAUSITZER RUNDSCHAU begrüßt, "..... dass Finanzminister Lindner reinen Wein einschenkt, indem er dem Klimageld in dieser Legislaturperiode eine Absage erteilt und den Bürgern die Realität zumutet. Das Versprechen des Kanzlers, die Wirtschaft könne klimaneutral umgebaut werden, ohne dass jemand etwas davon mitbekommt, stand ohnehin schon immer auf tönernen Füßen. Der Staat hat sich entschieden, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an wenige Bürger weiterzugeben, etwa durch die Förderung von Wärmepumpen, grünem Stahl, Gebäudedämmung oder Elektroautos, statt an viele, indem er die durch die Klimawende steigenden Preise mit einer Klimageldzahlung abfedert. Eine künftige Regierung wäre gut beraten, diesen Kurs zu überdenken", meint die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Das HANDELSBLATT bemerkt: "Die Akzeptanz von Klimamaßnahmen hat zuletzt schmerzlich gelitten. Ein sozialer Ausgleich für die gestiegenen CO2-Abgaben wäre also sehr hilfreich. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Finanzierungsfrage natürlich noch schwieriger geworden. Schon davor sagte mancher Ampelvertreter, das Klimageld komme 'niemals'. Doch wenn nicht über eine Pro-Kopf-Zahlung, dann muss über Steuererleichterungen oder Förderungen ein anderer Ausgleich her. Was auch immer genau beschlossen wird: Die Ampel muss sich bald auf eine Linie einigen. Denn was der Akzeptanz des Klimaschutzes niemals hilft, ist eine Koalition, die einen zentralen Satz ihres zentralen Vertrags dreifach unterschiedlich interpretiert", unterstreicht das HANDELSBLATT.
Zum Schluss geht es um das Unwort des Jahres 2023. DIE GLOCKE aus Oelde hält fest: "Das Gedankengut, das hinter dem Begriff Remigration steht, ist menschenverachtend und trägt zur gesellschaftlichen Spaltung bei. Als Kandidaten für das Unwort des Jahres kommen Begriffe in Betracht, die gegen Prinzipien der Menschenwürde und Demokratie verstoßen, die diskriminieren oder - wie im aktuellen Fall - die eigentliche Botschaft verschleiern oder verharmlosen. In diesem Sinne ist die Wahl der Jury gelungen, weil sie sensibel macht für Sprache, weil sie Menschenfeindlichkeit entlarvt."
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG erinnert: "Sprache formt die Wirklichkeit, die Wirklichkeit formt die Sprache. Die erstarkenden rechten Kräfte im Land wissen das genau. Deshalb verkleiden sie ihren Hass in unpompöse, neutral klingende Schlagworte. Es ist ein gefährlicher Mechanismus. Und genau deshalb ist 'Remigration' eine gute Wahl als Unwort des Jahres - als exemplarischer Fall einer Wolfsvokabel im Schafspelz. Man ruft in rechtsradikalen Kreisen nicht mehr stumpf 'Deutschland den Deutschen!' Man trägt auch keine Springerstiefel mehr. Statt ihre tatsächlichen Absichten zu benennen, wählen die Salonnazis Wörter, die nach unangreifbarer Wissenschaft klingen. So bahnt sich der alte Hass viel leichter seinen Weg ins Bewusstsein auch der breiten Mitte", warnt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle.