17. Januar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

In Deutschland fehlen einer Studie zufolge mehr als 900.000 Sozialwohnungen. Kommentiert werden zudem die Proteste gegen die AfD und Überlegungen zu einem Verbotsverfahren gegen die Partei. Doch zunächst in die USA. Bei der ersten Vorwahl zur Präsidentschafts-Kandidatur der Republikanischen Partei im Bundesstaat Iowa hat der frühere Amtsinhaber Donald Trump deutlich gewonnen.

USA, Des Moines: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA und Präsidentschaftskandidat, betritt die Bühne bei einer Caucus Night Party in Iowa.
Vorwahl der Republikaner in Iowa. (Andrew Harnik/AP/dpa)
Dazu schreibt die BERLINER MORGENPOST: "Der haushohe Favorit hat sein Versprechen wahr gemacht - und die Konkurrenz deklassiert. Er hat nach vorläufigen Berechnungen der Parteizentrale mit über 50 Prozentpunkten seine Verfolger nicht nur geschlagen, sondern gedemütigt. Weder Floridas Gouverneur Ron DeSantis noch Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley konnten den Trend brechen, der den Ex-Präsidenten trotz etlicher Strafverfahren beständig in der Wählergunst nach oben klettern ließ", notiert die BERLINER MORGENPOST.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Nach der Wahlnacht von Iowa muss man nüchtern feststellen: Die republikanische Partei hat sich Trump komplett unterworfen. Er ist ihr König, ihr Guru und ihr diabolischer Verführer. Noch schockierender als das Abstimmungsresultat selbst ist das Ergebnis einer Nachwahlumfrage: Zwei Drittel der Republikaner in Iowa glauben inzwischen, dass Joe Biden nicht der legitime Präsident der USA ist. Nur kurz gab sich Trump in seiner Siegesrede denn auch staatsmännisch und forderte das Land zur Einheit auf. Minuten später hetzte er wieder gegen Biden, diffamierte Migrant:innen als 'Terroristen' und verbreitete die Lüge vom Wahlbetrug. Er wolle ein 'Land von Recht und Ordnung' herstellen, sagte der Mann, der hundertfach das Gesetz gebrochen hat, die Verfassung verachtet und einen Sturm auf das Kapitol entfachte. Schon in zwölf Monaten könnte dieser komplett enthemmte Möchtegern-Autokrat im Oval Office sitzen", warnt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Von Iowa geht ein Weckruf in die Welt an alle, die es bisher nicht erkennen wollten", mahnt die PFORZHEIMER ZEITUNG: "Es ist alles andere als abwegig, dass der 45. Präsident, Rädelsführer eines Beinahe-Staatsstreichs, auch der 47. Präsident der USA sein wird. Das heißt, auch die Bundesregierung muss sich auf den schlimmsten Fall vorbereiten und – womit Außenministerin Annalena Baerbock auch schon begonnen hat – intensiv ihre Fühler zum Trump-Team ausstrecken. Und sich gemeinsam mit der EU und den anderen NATO-Partnern darauf vorbereiten, dass man künftig ohne die schützende Hand und die Milliarden der USA auskommen muss. Etwa in der Ukraine. Den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass Joe Biden noch einmal gewinnt, wäre grob fahrlässig", warnt die PFORZHEIMER ZEITUNG.
"Viele Deutsche wollen nicht wahrhaben, dass Trump 2 für die Welt gefährlicher ist als Trump 1", heißt es in der Zeitung DIE WELT. "Die Amtszeit von 2017 bis 2021 endete nur deshalb halbwegs glimpflich für die Bundesrepublik, weil der US-Präsident seine Drohung nicht wahrmachte, der NATO den Rücken zu kehren. Nach einem Comeback, das lässt Trump durchblicken, kann es so weit kommen. Die Deutschen haben sich 80 Jahre lang so an den atomaren Schutz der USA gewöhnt, dass sie kaum mehr verstehen, was dies bedeuten würde: Die Bundesrepublik wäre dann schutzlos. Wie die Ukraine im Jahr 2022. Für die schleppend anlaufende deutsche 'Zeitenwende' käme eine zweite Trump-Präsidentschaft viel zu früh. Nun kann man nur noch improvisieren – und zumindest dafür sorgen, dass die Ukraine bei einem Trump-Triumph nicht Putin in die Hände fällt", erläutert DIE WELT.
Nach Enthüllungen über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen und AfD-Funktionären, bei dem auch über einen Plan zur massenhaften Vertreibung von Migranten gesprochen worden war, haben zehntausende Menschen gegen die AfD protestiert. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG findet: "Mutmachend ist auch, dass mehr als 970.000 Menschen eine Petition unterzeichnet haben, um dem thüringischen AfD-Anführer Björn Höcke gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes die Grundrechte zu entziehen. Und es ist klug, dass ein Politiker wie Dietmar Bartsch (Linke) diese ausdrücklich nicht unterschreibt. Politiker wären in dieser Phase allzu leicht der Diffamierung ausgesetzt, nur einen angeblich unliebsamen Konkurrenten ausschalten zu wollen. Es geht aber darum, dass Bürgerinnen und Bürger zeigen, wie sie die Werte der Demokratie verteidigen: indem sie deren Instrumente nutzen", konstatiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAZ kommt zu dieser Einschätzung: "Die Demokratie ist nicht schutzlos. Aber alle Gesetze müssen sich an den Grundrechten messen lassen, abstrakt und in der konkreten Anwendung. Die Gesetze müssen also verhältnismäßig sein, das ist der praktische Sinn der Grundrechte. Wer Grundrechte für disponibel und entziehbar hält, ist bereits dem autoritären Denken verfallen und damit Teil des Problems, nicht der Lösung. Wer Höcke zudem das passive Wahlrecht entziehen will, macht die Demokratie lächerlich und gefährdet damit das, was wir alle doch verteidigen wollen." Wir zitierten die TAZ.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält nicht viel von einem Verbotsverfahren gegen die AfD: "Das Verbot ist das Mittel desjenigen, der sich nicht mehr zu helfen weiß. In dieser Sackgasse mussten all diejenigen landen, die aus ihrer moralischen Überlegenheit die Schlussfolgerung zogen, nur ja nicht das Terrain zu betreten, auf dem sich die AfD breitgemacht hatte. Wer es dennoch tat, war eben auch ein Nazi. Das gilt in erster Linie für die Migrationspolitik, aber auch für die Europa-, die Klima- und die Gesellschaftspolitik. Da es zum Tabu erklärt wurde, den Populisten 'auf den Leim zu gehen' oder 'hinterherzulaufen', gerieten traditionelle Parteien in die Verlegenheit, das Gegenteil dessen zu tun, was hilfreich gewesen wäre. Sie liefen und laufen revolutionären Veränderungen hinterher, neuen Realitäten, ob sie nun Globalisierung, Krieg, Digitalisierung oder grenzenlose Migrationsströme heißen mögen. Am Ende laufen sie Bevölkerungsteilen hinterher, die sich von ihnen nicht mehr vertreten fühlen", analysiert die F.A.Z.
Zum Schluss geht es um bezahlbaren Wohnraum. Einer Studie zufolge fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen in Deutschland. Die Zeitung RHEINPFALZ macht den Verantwortlichen schwere Vorwürfe: "Den sozialen Wohnungsbau haben die Regierungen der vergangenen Legislaturperioden parteiübergreifend sträflich vernachlässigt. Ehemalige Sozialwohnungen wurden an Investoren verkauft, dafür wurden und werden Immobilien für einheimische und nach Deutschland geflüchtete Bedürftige oft überteuert angemietet. Das vom Bündnis Sozialer Wohnungsbau geforderte 50-Milliarden-Euro-Paket zum Bau neuer Sozialwohnungen ist angesichts der Haushaltslage und den sicherheits- und wirtschaftspolitischen Herkulesaufgaben allerdings pures Wunschdenken", stellt die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen klar.
Die BADISCHE ZEITUNG kritisiert: "Bauen ist zu teuer, Baugrund in den Kommunen knapp. Wenig hilfreich ist auch, dass, wo privat gebaut wird, kostentreibende Luxusausstattungen die Regel sind. Und für neue Formen von Wohngemeinschaften, die in einer stark alternden Gesellschaft verstärkt nachgefragt werden könnten, wird auf dem freien Markt ebenfalls kein Angebot geschaffen. Um dem Defizit Herr zu werden, sind jetzt intelligente Lösungen gefragt. Einfache gibt es nicht". betont die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
Das HANDELSBLATT vermisst bei der Bundesregierung einen klaren Kompass, wie sie Investoren und damit dem Wohnungsbau in Deutschland eine Perspektive geben könnte. "Die Unternehmen wollen wissen: Wie sehen die Förderprogramme des begonnenen Jahres aus? Kommt vielleicht doch noch ein Zinsverbilligungsprogramm? Oder sollte die Wirtschaft jedweden Gedanken an finanzielle Hilfen aufgeben? Das wäre möglicherweise sogar verkraftbar, wenn die Branche stattdessen auf weniger Bürokratie, weniger Standards, Normen und Bauvorschriften hoffen könnte. Nicht mehr Geld wird den Umschwung bringen, sondern eher ein konsequenter Abbau von Bauvorschriften und Regularien."