29. Januar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zum vorzeitig beendeten Streik bei der Deutschen Bahn sowie zum ersten Parteitag des neuen "Bündnis Sahra Wagenknecht". Zunächst aber geht es um die Vorwürfe gegen das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Zusammenhang mit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober.

Ein Gebäude ist durch Raketeneinschläge beschädigt. Auf der Hauswand die Aufschrift "UNRWA".
27.11.2023: UNRWA-Zentrale in Chan Junis (IMAGO / UPI Photo / IMAGO / Ismael Mohamad)
Dazu vermerkt die BERLINER MORGENPOST: "Es ist richtig, dass auch Deutschland die Zahlungen an die UNRWA ausgesetzt hat, solange die Sache nicht aufgeklärt ist. Die Vorstellung ist unerträglich, dass von deutschem Steuergeld finanzierte UN-Mitarbeiter Mitschuld haben könnten am schlimmsten Angriff auf jüdische Zivilisten seit dem Holocaust. UN-Generalsekretär Guterres, der Israel seit Wochen scharf attackiert, muss jetzt schnell aufklären und sicherstellen, dass keine weiteren UN-Mitarbeiter mit den Hamas-Terroristen kooperieren."
"Die Vereinten Nationen verwirken im Nahostkonflikt den letzten Rest von Glaubwürdigkeit", befindet die STUTTGARTER ZEITUNG: "Das ist zudem nicht der erste Fall, in dem die UN eine zwielichtige Rolle spielen. Auf der Gehaltsliste der UN-Organisation standen wiederholt Hamas-Sympathisanten. Vor diesem Hintergrund war es zwingend, dem zweifelhaften Hilfswerk den Geldhahn zuzudrehen. Deutschland ist einer seiner wichtigsten Geldgeber und steht damit mit in der Verantwortung für alles, was dort schiefläuft."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG WENDET EIN: "Bei allem Entsetzen über die Beteiligung der UNRWA-Mitarbeiter, bei aller notwendigen Aufklärung: Die Einstellung der Hilfe durch viele Länder ist in erster Linie eine erneute Kollektivbestrafung aller Palästinenser. Es darf nicht sein, dass mit internationalen Geldern UN-Mitarbeiter finanziert werden, die dann möglicherweise zu Terroristen werden. Es kann aber auch nicht sein, dass viele Länder genau jetzt zu solch drastischen Mitteln greifen, die ja nicht die Schuldigen treffen, sondern 2,2 Millionen Menschen, von denen sehr viele ums Überleben kämpfen", argumentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin kritisiert: "Es ist immer dasselbe: Anstatt selbst aktiv zu werden, rühren sich die UNRWA-Verantwortlichen erst, wenn Vorwürfe an sie herangetragen werden und diese Vorwürfe zu viel Aufmerksamkeit erhalten, um sie wegschweigen zu können. Dann wird beschwichtigt, verharmlost, bestritten. Unter solcher Führung wird keine nachhaltige Reformierung des Werks machbar sein, weil ihr einziges Interesse ist, die öffentliche Kritik zu beenden, nicht die Missstände selbst ", hebt der TAGESSPIEGEL hervor.
"Das Problem geht tiefer", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG und führt aus: "In diversen Krisenregionen betreibt die UN Missionen, in denen ein schwerfälliger, aufgeblasener Apparat aus hoch bezahlten Funktionären das Elend verwaltet. Kritik perlt an ihnen ab - schließlich steht man auf der Seite der Humanität -, oder sie versandet im Klein-Klein der internationalen Diplomatie. Dabei sind die Geldgeber gefragt, Reformen und zukunftsfähige Strukturen einzufordern. Im Fall des UNRWA in Gaza bedeutet das unter anderem, dass die UN nicht der Alleinversorger der Menschen in Gaza sein dürfen, während die Hamas ihre Einnahmen in den Terror gegen Israel steckt. Doch bei aller Kritik gehört zur Wahrheit auch, dass außer den UN derzeit niemand in Gaza ist, der die unbeschreibliche Not der Menschen lindern könnte", kommentiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" ist am Samstag in Berlin zu seinem ersten Parteitag zusammengekommen. Dazu schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Im Vorfeld wurde viel darüber geredet, dass das BSW vor allem auf dem Personenkult um Sahra Wagenknecht beruht. Der Gründungsparteitag hat wenig dafür getan, diesen Eindruck zu zerstreuen. Vor allem aber hat man den ganzen Tag den Eindruck einer merkwürdigen Rückwärtsgewandtheit. Das liegt nicht nur daran, dass fast komplett die jungen Leute fehlen. Das BSW ist die selbst ernannte Friedenspartei mit starker Tendenz zur Ostalgie in diesem Bereich: der Krieg als Erfindung des Kapitalismus, um Wenige auf dem Rücken Vieler reich zu machen. In dieses hermetische Weltbild passt die Frage nicht, wie das mit dem Frieden gehen soll, wenn ein Diktator nun mal kein Interesse daran hat. Und weil sie nicht gestellt wird, muss sie auch nicht beantwortet werden. So sieht der Zauber des Anfangs der Sahra-Wagenknecht-Partei aus. Lange wird er nicht halten", prognostiziert die Frankfurter Rundschau.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG betont: "Das Bündnis platzt mitten hinein in eine historisch starke Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien. Einen besseren Zeitpunkt für eine Partei-Neugründung hätte es wohl kaum geben können. Wagenknecht erhofft sich zurecht ein großes Potenzial, aus dem aktuellen Unmut in der Bevölkerung Kapital zu schlagen. Dazu passt, dass sie sich programmatisch weder links noch rechts einordnen will", schlussfolgert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Sahra Wagenknecht sei zugleich Gesicht und Inhalt ihrer Partei, urteilt die AUGSBURGER ALLGEMEINE und notiert: "Für den Beginn genügt das als Angebot wahrscheinlich, aber im Verlauf ist das Fundament zu schmal. Inhaltlich ist das Angebot eine Mischung aus einer verlorenen Zeit für West- wie Ostdeutsche. Ein Sozialstaat wie in den 80er-Jahren. Eine Asylpolitik der Kontrolle und Begrenzung von Migration. Schließlich das Gefühl, mit Russland ein gutes Auskommen zu finden. Für einen Teil der Wählerschaft ist das ein romantisches Angebot, attraktiv für enttäuschte Anhänger der Linkspartei und auch der SPD. Bislang können sie ihre Enttäuschung nur bei der AfD abladen", unterstreicht die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die TAGESZEITUNG - TAZ - analysiert: "Im Kampf gegen rechts folgt das Wagenknecht-Bündnis einer falschen Analyse. Es glaubt, die Wählerinnen und Wähler würden von den Rechtsextremisten lediglich verführt. Ihre Wut habe berechtigte ökonomische Gründe, weshalb man ihr mit 'Brot und Butter'-Themen begegnen will. Dahinter steht die marxistische Idee vom 'falschen Bewusstsein'. Sie verkennt, dass Menschen auch bewusst gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen votieren, wenn sie sich von einer Idee angesprochen fühlen. Die rechte Idee, Alteingesessene gegenüber Einwanderern zu bevorzugen, ist für viele autochthone Deutsche attraktiv. Aber für Rassismustheorien interessiert sich Wagenknecht nicht", bemerkt die TAGESZEITUNG.
Zum vorzeitigen Ende des Bahnstreiks und der angekündigten Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen notiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Geht doch. Nach einer Woche haben sich der DB-Konzern und die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer mit ihrem Boss Claus Weselsky auf das geeinigt, was die Republik von ihnen seit Wochen erwartet hat: Sie reden. Der im September in den Ruhestand wechselnde Weselsky wird noch jahrelang in Talkshows und Interviews über die Unzulänglichkeiten von Deutschlands meistgebrauchten und meistgehassten Staatskonzern herziehen können. All das sei Weselsky herzlich gegönnt. Solange er und die DB-Bosse nicht wieder die Republik eine ganze Woche in Geiselhaft nehmen", verlangt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN heben hervor: "Nun haben es beide Seiten in der Hand, die Tarifautonomie mit einem passgenauen Kompromiss zu stärken. Im Idealfall kann daraus ein Signal werden, dessen Bedeutung über den reinen Abschluss deutlich hinausreichen könnte. Dann nämlich, wenn der Beweis gelingt, dass Verhandeln immer besser ist, als sich frontal zu beharken und bekämpfen. Dass Kompromisse keine Schwäche sind, sondern im Gegenteil eine Stärke in einer Demokratie, die auf Ausgleich und Gespräche setzt. Dass es nichts bringt, sich wüst zu beschimpfen, wie dies in dieser Runde geschah: Diese Botschaft wäre gut fürs ganze Land." Mit diesem Appell der NÜRNBERGER NACHRICHTEN endet die Presseschau.