06. Februar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Kommentare beschäftigen sich vor allem mit den diversen Streikaktionen in Deutschland und der Präsidentschaftswahl in El Salvador. Zunächst aber geht es um die von Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck angestoßene Debatte über zusätzliche Entlastungen für Unternehmen.

Christian Lindner und Robert Habeck sitzen zusammen in der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude.
Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck wollen deutsche Unternehmen entlasten - ein Thema der Presseschau. (picture alliance / Geisler-Fotopress / Frederic Kern / Geisler-Fotopress)
Die WIRTSCHAFTSWOCHE erläutert: "Mit Spitzenplätzen bei der steuerlichen Belastung, den Energiepreisen und den Arbeitskosten wird Deutschland keinen Spitzenplatz bei der Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Die Bundesregierung muss Reformen angehen, wenn Deutschland nicht weiter Schlusslicht unter den Industriestaaten bleiben soll: Steuerpolitik ist Standortpolitik, doch das einzige, was sich dynamisch entwickeln wird, ist wohl der Streit über die richtige Strategie. Unternehmen dürfen deshalb nicht auf schnelle Entlastung hoffen. Das ist fatal angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung", mahnt die WIRTSCHAFTSWOCHE.
"Unsere Unternehmen sind international nicht mehr wettbewerbsfähig", stellt auch der MÜNCHNER MERKUR fest: "Darüber sind sich mit Robert Habeck und Christian Lindner ausgerechnet die größten Ampel-Streithähne plötzlich einig. Ein kleines Ampel-Wunder sozusagen. Doch schon bei der Frage nach dem 'Wie' der fälligen Entlastung herrscht nach Habecks überraschendem Vorstoß wieder das alte Gezeter. Neue Schulden für Unternehmenshilfen fordert der grüne Wirtschaftsminister, eine Abschaffung des Solis der FDP-Chef. So wird das nix. Wenn’s dumm läuft, lässt die gegen den Untergang kämpfende FDP im neu entbrannten Streit um die Wirtschaftspolitik am Ende sogar noch die Ampel platzen", urteilt der MÜNCHNER MERKUR.
Die NÜRNBERGER ZEITUNG führt aus: "Es scheint, als hätten sich die Koalitionspartner FDP und Grüne die anhaltende Kritik an ihrem Regierungsstil wenigstens ein bisschen zu Herzen genommen. Es wäre höchste Zeit. Denn insbesondere die FDP muss sich vor dem Absturz unter die Fünf-Prozent-Hürde retten. Für einen Hauch von Einsicht spricht, dass Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner sich im Grunde einig sind, dass die Unternehmensbesteuerung reformiert werden muss. Sie haben diese Einigkeit sogar unaufgefordert verkündet. Details stehen aber noch nicht fest. In ihnen steckt aber bekanntlich der Teufel", unterstreicht die NÜRNBERGER ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht die Kommunikationsweise kritisch: "In einer Regierung, in der Vertrauen herrscht, hätten sich die beiden zuständigen Minister Habeck und Lindner zusammengeschlossen und einen gemeinsamen Plan ersonnen, wie sich in einer finanziell angespannten Haushaltslage der notwendige Schub nach vorne passgenau erzeugen lässt. Aber vertraulich können die beiden Minister nicht miteinander arbeiten. Die Sorge ist zu groß, dass eine Seite etwas an die Öffentlichkeit durchsticht und damit die Pläne des jeweils anderen Ministeriums vereitelt."
Die TAZ zweifelt an, dass Steuersenkungen für Unternehmen die Konjunktur ankurbeln: "Denn es gibt keine Garantie, dass die Unternehmen die Steuerersparnis in Investitionen statt in Dividendenzahlungen stecken. Fest steht hingegen, dass das Geld an anderer Stelle, wo es besser angelegt wäre, fehlen wird. Am Ende könnten Steuersenkungen dadurch der Konjunktur sogar schaden. Und das ist bloß der ökonomische Schaden, den Habeck und Lindner damit anrichten würden. Viel größer ist der politische Schaden, wenn sie mit ihren Steuersenkungsplänen Ernst machen. Im Kampf gegen die AfD könnte man die Ampelkoalition dann endgültig getrost vergessen", befürchtet die Tageszeitung.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus geht auf den Vorschlag von Finanzminister Lindner ein, den Solidaritätszuschlag endgültig abzuschaffen,... "...der nur noch ab einer bestimmten Einkommensgrenze erhoben wird und damit faktisch zu einer verkappten Unternehmenssteuer geworden ist, wie das Institut der Wirtschaft schreibt. Also weg damit! Oder? Schneller kann der Wirtschaft nicht geholfen werden. Die Frage ist nur, wie die Koalition die zwölf Milliarden Euro finanzieren möchte, die eine solche Steuersenkung kosten würde. Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Habeck setzt auf zusätzliche Schulden, Lindner auf Einsparungen - und damit liegen beide meilenweit auseinander. Der Soli dürfte noch bleiben", bemerkt die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Nun zu den verschiedenen Streikaktionen in Deutschland. Für morgen hat die Gewerkschaft Verdi das Bodenpersonal der Lufthansa aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert: "Die Arbeitnehmer haben Argumente für ihre Tarifforderungen. Bei der Lufthansa hat sie Konzernchef Carsten Spohr schon im vergangenen Jahr zum Mitschreiben geliefert. Nicht nur die Corona-Krise ist überstanden und die Staatshilfe verzinst zurückgezahlt, es hat auch zum drittbesten Ergebnis der Unternehmensgeschichte gereicht und soll so weitergehen. Trotzdem sind es harte Tarifrunden, denn große Herausforderungen warten auf die Branche hinter der nächsten Ecke. Wie fast überall müssen enorme Investitionen finanziert werden, weil die Umstellung auf neue Antriebstechnologien bevorsteht. So ist die angenehme Lage der Branche eine Momentaufnahme – und die Tarifrunde nicht so simpel, wie sie aussieht." So weit die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Hände weg vom Recht auf Arbeitskampf!", fordert der TAGESSPIEGEL angesichts der Diskussionen um die Streiks im Verkehrssektor. "Streiks sind Mittel zum Zwecke des Abschlusses eines Tarifvertrages. Doch die Tarifbindung sinkt, nur noch die Hälfte der Beschäftigten werden nach Tarif entlohnt. Wenn ein Unternehmen keinen Branchentarif anwendet, versucht vor allem Verdi in einzelbetrieblichen Konflikten Haustarife durchzusetzen. Der seit zehn Monaten schwelende größte Tarifkonflikt geht derweil an der Bevölkerung vorbei. Für rund fünf Millionen Beschäftigte im Einzel- und Großhandel versucht Verdi bislang vergeblich, Lohnforderungen durchzusetzen, weil die Streikbereitschaft der zumeist in Teilzeit arbeitenden Beschäftigten gering ist", erläutert der TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ist nicht der Ansicht, dass sich die Machtverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geändert haben: "Zwar müssen sich Arbeitgeber neue Strategien einfallen lassen, um qualifizierte Mitarbeiter zu finden und auch zu halten. Gleichzeitig aber kehren mehr und mehr Unternehmen der Sozialpartnerschaft den Rücken. Die Tarifbindung von Beschäftigten sinkt seit Jahren. Für die gesellschaftliche Entwicklung ist das nicht ohne Risiko. Denn letztendlich geht es immer um die gerechte Verteilung eines gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erwirtschafteten Wohlstands als Garant eines sozialen Friedens."
Nun noch zur Präsidentschaftswahl in El Salvador, bei der sich der umstrittene Amtsinhaber Bukele zum Sieger erklärt hat. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wendet ein: "Nayib Bukele mag noch so beliebt sein: Seine Wiederwahl ist verfassungswidrig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Präsident derzeit 'offiziell beurlaubt' ist. Ein Taschenspielertrick, um das Verbot der direkten Wiederwahl zumindest dem Schein nach zu umgehen. Bukeles Anhänger sagen nun: Wozu all die Aufregung? Es ist doch Volkes Wille, dass der Staatschef weiter im Amt bleibt! Mag sein, aber: Wenn nicht einmal der Präsident sich an die Verfassung hält - was ist diese dann wert? In seiner leidvollen Geschichte wurde El Salvador immer wieder von Diktatoren regiert. Nun, so ist es zu befürchten, ist es auf dem Weg in die nächste Diktatur", folgert die SÜDDEUTSCHE.
Zum selben Thema auch die Zeitung ND DER TAG: "Die Salvadorianer*innen haben Bukele gewählt, obwohl sie wissen, dass auch laut Regierung mehrere Tausend unschuldig in Haft kamen. Details, die angesichts der drastisch gesunkenen Mordrate beim Votum nicht ins Gewicht fielen. Die Sicherheitslage hat sich seit der Ausrufung des Ausnahmezustands im März 2022 merklich verbessert. Alles andere ist für die große Mehrheit Nebensache." Das war zum Abschluss der Presseschau ND DER TAG.