"Es sieht danach aus, dass Scholz den Worst Case gerade durchdekliniert", beobachtet der KÖLNER STADT-ANZEIGER. "Wenn es ganz schlimm kommt, wird Bidens Vorgänger Trump auch der Nachfolger, dann kappt er Geld und Waffen für die Ukraine, zieht die USA aus der NATO ab und dealt mit Diktatoren. Europa müsste versuchen, Russland alleine auf Abstand zu halten, alle europäischen NATO-Staaten müssten zu Lasten anderer wichtiger Ausgaben wie für Gesundheit, Bildung oder Soziales Armeen aufrüsten. Die Aussetzung der Schuldenbremse dürfte für die Ampel dann nur ein kleines Übel sein. Bis zur Präsidentschaftswahl sind es noch zehn Monate. Die EU muss intensiv daran arbeiten, sich in der Verteidigung unabhängiger von den USA zu machen", unterstreicht der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG stellt fest: "Der deutsche Bundeskanzler hat seinen 24-stündigen Aufenthalt in Washington als Arbeitsbesuch deklariert, Krisendiplomatie wäre wohl eine treffendere Bezeichnung. Denn im Moment ist es vor allem Scholz, der eindringlich vor den Folgen einer nachlassenden Unterstützung für die Ukraine warnt. Er weiß dabei auch, dass der deutsche Einfluss begrenzt ist. Der neue französische Premierminister Gabriel Attal etwa verbat sich bei seinem Antrittsbesuch jegliche Kritik am Vorgehen seines Landes in Sachen Ukraine. Und aus US-amerikanischer Sicht ist Deutschland ein Partner, aber sicherlich keiner, der die Entscheidungsprozesse im Kongress auch nur annähernd beeinflussen könnte. Doch der vielfach kritisierte Scholz macht unbeirrt weiter, er zeigt hier die Führung, die viele bei ihm in der deutschen Innenpolitik vermissen", betont die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN kommenteieren: "Mag die Scholz-Performance im eigenen Land noch so schwach sein. Für Joe Biden kommt der Bundeskanzler als 'Big Leader in Europe' rüber, als solider Fels in der Brandung in einem turbulenten geopolitischen Umfeld. Das Spitzenpolitiker-Treffen aus den beiden größten Geberländern für die Ukraine war aber mehr als Freundschaftspflege von zwei Männern, die ähnlich ticken. Es wirkte wie ein Krisengipfel", konstatieren die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster.
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat den bisherigen Militärchef Saluschnyj abgesetzt. "Wer mitten im Krieg den General auswechselt, muss die Niederlage wohl schon vor Augen haben", führt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG an. "Warum sonst sollte Selenskyj seinen obersten Offizier zu einem Zeitpunkt entlassen, da kaum mehr einer wetten würde auf den Sieg im Kampf gegen den russischen Aggressor? Nach der gescheiterten Offensive im Sommer 2023 ist die Ukraine für jeden erkennbar in die Defensive geraten: militärisch und politisch. Selenskyj braucht also Erfolge, egal welcher Art", vermerkt die S.Z.
"Die Gründe für Selenskyjs Entscheidung bleiben schleierhaft", schreibt die TAGESZEITUNG. "Auch seine Begründung, es gehe nicht um Personalia, sondern um eine Modernisierung und Neuaufstellung der Armee, überzeugt nicht. Denn an diesen Anforderungen wird auch Oleksandr Syrskyj scheitern. Saluschnyjs Nachfolger ist vielleicht handzahmer gegenüber dem Präsidenten und weniger pfleglich im Umgang mit den unteren Diensträngen. Doch das ändert nichts an der Gesamtsituation. Diese ist prekär. Nach wie vor gilt: Über den Ausgang dieses Krieges und damit das Schicksal der Ukraine wird vor allem in Washington und Brüssel entschieden. Auch da läuft es, wie auf dem Schlachtfeld, zäh. Angesichts dieser Unwägbarkeiten, verbunden mit wachsender Unsicherheit, Kriegsmüdigkeit und einem drohenden Rechtsruck bei den diesjährigen EU-Wahlen, hat Selenskyj offensichtlich nichts Besseres zu tun, als eine weitere Front zu eröffnen. Das braucht keiner, vor allem nicht in der Ukraine", mahnt die TAZ.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erinnert: "Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde unterstellt, er nehme General Walerij Saluschnyj übel, dass dieser populärer ist als er; und er fürchte politische Ambitionen des Generals. Selenskyj hat solche Mutmaßungen mit einigen Äußerungen genährt. So entstand der Eindruck, in Kiew würden kleinliche politische Spiele getrieben, die dem Ernst der Lage der Ukraine unangemessen wären. Dabei trat in den Hintergrund, dass es angesichts der missglückten ukrainischen Sommeroffensive auch sachlich begründete Meinungsunterschiede zwischen politischer und militärischer Führung gab. Solche Spannungen sind unvermeidlich, ihre Ursache liegt in den unterschiedlichen Aufgaben von Militärs und Politikern. Dass sie durch Misserfolge vergrößert werden, ist natürlich", gibt die F.A.Z. zu bedenken.
Der russische Präsident Putin hat mit dem US-Journalisten Carlson gesprochen. Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz unterstreicht: "Das war kein Interview. Carlson gehört zwar zu denen, die besonders gerne und besonders laut auf Medien im Westen schimpfen. Aber er wirkte nicht als kritischer Journalist, sondern vielmehr als Putins Pudel. In Russland werden echte Journalisten weggesperrt. Dass der Kremlchef Carlson aber an sich heranließ, ist schon Zeichen genug. Zweitens: Nicht ein Wort darf man Putin glauben. Er habe kein Interesse an Polen, es sei denn, Polen greife an? Nun – die Ukraine hat bekanntlich auch nicht angegriffen, der Aggressor heißt Russland. Und wenn es Putin passt, wird er sich im Zweifel einen Grund für weitere Kriege herbeifabulieren", befürchtet die ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Dieses Interview hat mit Journalismus so viel zu tun, wie Putin mit Demokratie", meint auch die Magdeburger VOLKSSTIMME. "Der rechte Einpeitscher Tucker Carlson wurde, nachdem er selbst beim Trump-nahen US-Sender Fox rausgeflogen war, gezielt von der Kreml-Desinformationsmaschinerie hofiert und schließlich engagiert. Damit Diktator Putin sich und seine Autokraten-Version von Russland als Opfer des Westens inszenieren konnte. Der Kreml-Diktator durfte unwidersprochen von 'Bürgerkrieg' und 'Wiedervereinigung mit der Ukraine' schwafeln. Plumpere Propaganda geht kaum", kritisiert die VOLKSSTIMME.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt: "Auch wenn Millionen Menschen das Interview auf Twitter angeklickt haben – hängen bleiben wird bei den meisten wohl nicht allzu viel. Putins Vortrag orientiert sich schlicht zu sehr an seinen eigenen Bedürfnissen und zu wenig an denen des Publikums. Gut so. Damit werden seine Lügen und Verzerrungen in erster Linie eingefleischte Fans erreichen. Und auch für die dürfte nicht sonderlich viel Neues dabei sein", bemerkt die N.O.Z.
Zum Schluss noch zwei Kommentare zur Deutschen Bahn. Das Unternehmen verzichtet für 2023 auf Boni für die Top-Manager. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm führt an: "Tatsächlich liegt der Grund darin, dass die Bahn nur dann vom Bund 50 Millionen für die Strompreisbremse bekommt, wenn die Vergütung der Manager angepasst wird. Richtig ist das Signal trotzdem. Dass die Top-Manager ein Jahr lang auf eine zusätzliche Vergütung verzichten müssen, ist aber gar nicht so entscheidend. Wichtiger ist, dass das alte Bonussystem umgemodelt wird. Künftig werden die Ziele wie Pünktlichkeit und Qualität des Systems stärker gewichtet. Richtig so. Kunden wollen sich nicht für die Bahn schämen müssen, sondern zuverlässig ans Ziel kommen", argumentiert die SÜDWEST PRESSE.
"Es ist begrüßenswert, dass die Auszahlung von Boni künftig anders berechnet wird", findet auch die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle. "Dennoch wäre der Aufsichtsrat gut beraten, die Kundenzufriedenheit dabei noch stärker in den Blick zu nehmen. Dass die Bahn das weniger nötig hat als Konzerne, die sich darum sorgen müssen, unzufriedene Kunden an den Wettbewerber zu verlieren, darf nicht auf die Kunden zurückfallen. Denn Alternativen gibt es – die sind aber nicht auf der Schiene", heißt es in der MITTELDEUTSCHEN ZEITUNG.