16. Februar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden die Wirtschaftslage in Deutschland, die beginnende Münchner Sicherheitskonferenz und der andauernde Krieg im Gazastreifen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Gespräch mit Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne).
Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Gespräch mit Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne). (IMAGO / Political-Moments)
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sieht die Bundesrepublik vor der größten Wirtschaftskrise seit mehr als 20 Jahren. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt zur Reaktion des Wirtschafts- und des Finanzministers folgendes: "Robert Habeck hat angesichts nach unten korrigierter Wachstumsprognosen für Deutschland festgestellt, dass es so nicht weitergehen kann. Peinlich findet das Mini-Wachstum Christian Lindner. Man kann beiden Ministern nur zustimmen. Aber sind sie nicht Teil dieser Bundesregierung? Der Verweis auf externe Krisen und die dadurch verursachten höheren Energiepreise ist doch nur ein Teil der Wahrheit. Der Wirtschaftsminister war zu lange nur Klimaschutzminister, der Finanzminister zu lange nur der gestrenge Kassenhüter", moniert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Auf ein verändertes konjunkturelles Umfeld zu warten, kann nicht die Lösung sein", lautet auch die Auffassung in der RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Deutschland braucht eine klare und breit getragene Wachstumsstrategie. Das Bürokratiedickicht muss für alle wirklich spürbar gelichtet werden. Schnelle Genehmigungen in allen Verwaltungen dürfen nicht an Digitalisierungsrückstand oder Personalmangel scheitern. Erst wenn auch notwendige Reformen in der Kranken- und Rentenversicherung verbindlich feststehen, kann dies auch mit einer Reform der Schuldenbremse verknüpft werden. Das wäre mal ein Wachstumspakt", meint die RHEIN-ZEITUNG.
DIE TAGESZEITUNG blickt auf eine Idee aus Berlin. "Die Regierung diskutiert, die Gewinnsteuern moderat zu senken – zumal die hiesige Körperschaft- und Gewerbesteuer mittlerweile über denen in Frankreich, Großbritannien und den USA liegen. Niedrigere Kosten erleichtern Investitionen, sie könnten Wirtschaftswachstum schaffen. Der Nachteil: Höhere Gewinne fließen oft in Dividenden, fördern also nicht das Wachstum, sondern die Vermögen der AktionärInnen. Um das zu vermeiden, müsste die geringere Gewinnsteuer ausgeglichen werden, beispielsweise durch eine höhere Reichen- und Erbschaftsteuer. Nach dem Motto: Firmen entlasten und große Privatvermögen belasten. Denn Geld zu verschenken hat der Staat gerade nicht." Sie hörten die TAZ.
Heute beginnt die Münchner Sicherheitskonferenz. Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN heben die Bedeutung des Treffens hervor. "Die Wahl Trumps würde auf der diplomatischen Bühne den Verteidigungsfall auslösen. Fehlt nur noch, dass die Chinesen Taiwan angreifen, und das Tohuwabohu wäre perfekt. Die Sicherheitskonferenz 2024 ist angesagter denn je. Angestaubt und ritualisiert wirkt allenfalls der Rahmen der Veranstaltung. Ansonsten gilt ein Satz, den Henry Kissinger einst über München gesagt hat, mehr denn je: Wenn man eine neue Richtung vorlegen wollte, 'war das ein wichtiger Ort'. Ein Richtungswechsel wäre nicht das Schlechteste." So weit die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
"Wie fragil die Sicherheitslage in Europa ist, ließ sich Anfang der Woche sehr gut beobachten", analysiert das HANDELSBLATT. "Ein paar provokante Aussagen eines möglichen US-Präsidentschaftskandidaten zur künftigen Zusammenarbeit in der Nato - und schon sind Europas Verteidigungsminister und Nato-Generalsekretär Stoltenberg in heller Aufregung. Und auf kaum einem Feld lässt sich die Aufregung so gut nachvollziehen wie in der Ukraine. Ja, auch in den nächsten Jahren werden zahlreiche europäische Nato-Staaten das Ziel, zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, nicht erreichen. Und ja, noch immer hält Kleinstaaterei Europas Rüstungsindustrie auf. Der eigentliche Skandal aber ist die fehlende Solidarität innerhalb Europas für die Ukraine. Und die wird vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den USA, bisher die größte Unterstützungsmacht der Ukraine, immer eklatanter", beklagt das HANDELSBLATT.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg sieht einen Einfluss der Münchner Sicherheitskonferenz auf den russischen Präsidenten. "Es verblüfft, was an überraschenden Äußerungen Putins aus dem Kreml dringt. Erst schließt er dem US-Fernsehmann Tucker Carlson gegenüber einen russischen Angriff auf benachbarte Nato-Staaten aus und bietet Ukraine-Verhandlungen an. Nun gibt er bekannt, dass er lieber den berechenbaren Joe Biden gegenüber Donald Trump als nächsten US-Präsidenten bevorzugen würde. Ein Adressat dieses Anfluges von Versöhnlichkeit ist die Münchner Sicherheitskonferenz."
"Energiekrise, Inflation, die Wirtschaftsflaute und seit Oktober der Gaza-Krieg. All diese Ereignisse haben die Europäer aufgeschreckt", heißt es in der SCHWÄBISCHEN ZEITUNG aus Ravensburg. "Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist ihnen ihre Verletzlichkeit sowohl im Inneren als auch von außen klar geworden. Dabei hatten sie es sich so gut eingerichtet in ihrer zögerlichen Unentschlossenheit. Europa tut zu wenig für seinen Schutz. Und damit ist nicht die atomare Abschreckung gemeint. Es darf sich nicht länger hinter den USA verstecken. Wenn diese Umkehr nicht gelingt, wenn die Europäer nicht endlich Stärke zeigen, wird die Bedrohung durch machthungrige Autokraten noch größer", prophezeit die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Und nun zum Krieg in Gaza. Die Zeitung ND.DER TAG äußert Unverständnis für das Handeln westlicher Staaten. "Westliche Politiker laufen seit Wochen in Israel auf, mahnen zum Schutz der Zivilisten, raten ab von einer Offensive, die in einem Gemetzel enden könnte. Zu mehr als Worten reicht es nie. Wenn das Kriegsziel anscheinend die komplette Zerstörung des Gazastreifens ist und die Vertreibung der Palästinenser, müssen sich westliche Regierungen fragen lassen, wie sie das tatenlos hinnehmen können. Mit der deutschen Staatsräson im Gepäck reisten CDU-Chef Merz und der Berliner Bürgermeister nach Israel, sprachen der Regierung Netanjahu ihre Unterstützung aus beim Krieg gegen die Hamas. Menschlich kälter lässt sich angesichts von bald 30.000 toten Palästinensern kaum reagieren", lesen wir in ND.DER TAG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht die internationale Gemeinschaft in der Pflicht. "Israels Armee hat klare Einsatzregeln, um Unbeteiligte zu schützen und das Völkerrecht zu achten. Aber sie sorgt zu wenig dafür, dass die Regeln eingehalten werden. Auch Lebensmittelkonvois werden willkürlich aufgehalten, wie auch die Arbeit der Helfer behindert wird. Hier kann die Staatengemeinschaft etwas erreichen, indem sie klare und erfüllbare Erwartungen formuliert und auf deren Einhaltung achtet."
"Israel muss nicht auf jede Hamas-Forderung eingehen", meint die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG. "Die eigene Profilierung allerdings darf nicht im Vordergrund stehen. Die Beteiligung internationaler Vermittler – darunter die dem Land wohlgesonnenen USA – sollte als Rückversicherung genommen werden. In der fortwährenden Eskalation liegt jedenfalls keine Lösung."
Und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bemängelt, dass kaum ein Land auf die Verpflichtung der Hamas eingehe. "Die Hamas müsste längst auch einem grundlegenden Appell des Völkerrechts nachkommen, der rechtlich kein bisschen weniger zwingend ist als der Appell an Israel, für die Zivilisten in Rafah Evakuierungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Hamas müsste Rafah verlassen, unverzüglich. Die vier Bataillone der Hamas, die sich – nach israelischen Angaben – in Rafah verschanzt halten, inmitten von Kindern, Alten, Geflüchteten: Sie handeln wider jedes Völkerrecht und beschwören damit auch noch an diesem Ort der letzten Zuflucht die Hölle auf Erden herauf. Die Hamas-Kämpfer müssten in Kasernen schlafen, müssten sichtbar machen, dass sie Kombattanten sind. Damit nur sie das Feuer abbekommen. Im Völkerrecht spricht man vom Unterscheidungsgebot: Alle Kriegsparteien sind verpflichtet, von der Zivilbevölkerung Abstand zu halten, um diese nicht mit hineinzuziehen ins Inferno. In Gaza sieht man, mit welchen entsetzlichen Folgen dies ignoriert wird."