Mittwoch, 08. Mai 2024

17. Februar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zur Münchner Sicherheitskonferenz und zur Ukraine. Zentrales Thema aber ist der Tod des russischen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny.

17.02.2024
Alexej Nawalny, russischer Oppositionsführer, formt im Gerichtssaal mit seinen Händen ein Herz
Alexej Nawalny wurde nur 47 Jahre alt. Der Kremlkritiker ist nach Angaben der Justiz in russischer Haft gestorben. (Archivbild) (Uncredited / Moscow City Court / AP / / Uncredited)
Dazu heißt es in der VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Das Putin-Regime hat seinen letzten großen Gegner vernichtet. Alexej Nawalny erlebte in einer sibirischen Strafkolonie ein qualvolles Sterben auf Raten. Dass er nach der Erholung von einer Vergiftung durch den russischen Geheimdienst in Deutschland nach Hause zurückkehrte, war mutig, aber letztlich ein verhängnisvoller Fehler. Die staatliche Verfolgung in Russland mag nicht mehr ganz so gewaltsam sein wie zur Stalin-Zeit, ist aber genauso umfassend. Für all diejenigen, die sich der Herrschaft des Präsidenten Wladimir Putin widersetzen, gibt es keine Gnade. Im Willkür-Staat Russland ist der Tod von Alexej Nawalny ein Menetekel: Jeder Bürger sollte sich hüten, offiziellen Lehren zu widersprechen. Sonst droht ein Schicksal wie das Nawalnys", stellt die VOLKSSTIMME klar.
"Es ist eine sehr traurige Nachricht und ein Schock für alle, denen Freiheit und Zivilcourage am Herzen liegen", finden die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster: "Mit dem Tod von Nawalny verliert Russland seine wichtigste Stimme des Widerstands. Er hätte den Tod im Gefängnis vermeiden können, in dem er einfach im Exil geblieben wäre. Doch für einen Mann, dessen Einsatz für die Freiheit seines Volks über allem stand, wäre dies wohl die größte Niederlage gewesen."
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin betont: "Nawalny wurde ermordet. Sein Mörder ist der Präsident Russlands, Wladimir Putin. Das ist jedem klar, der den Lebensweg Nawalnys verfolgt hat. Seine Drangsalierung, seine Hartnäckigkeit, die Umstände des Giftanschlags auf ihn, seine Inhaftierung. Dass je ein deutscher Regierungschef Putin einen 'lupenreinen Demokraten' nannte, klingt im Nachhinein noch zynischer als zuvor. Nein, dieser Mensch herrscht seit vielen Jahren autoritär, autokratisch, neo-hegemonial. Korruption, Willkürjustiz, Journalistenermordungen, Oppositionsunterdrückung: Das sind seine Mittel. Dies nicht früh gesehen, verstanden und ausgesprochen zu haben, gehört zu den Schandflecken der deutschen Nachkriegsgeschichte. Putins Blutspur reicht von Grosny über Aleppo bis Kiew. Um Recht und Moral schert er sich keinen Deut. Er gibt nicht einmal vor, es zu tun, weil er es nicht muss. Denn seine atomare Armada schützt ihn. Das begrenzt auch die Reaktionsmöglichkeiten des Westens auf den Tod Nawalnys. Viel mehr als ein Händeringen auf höchstem Niveau ist nicht drin. Was bleibt, ist eine Hoffnung: dass endlich, endlich jedes Beschweigen, Kleinreden und Relativieren von Putins Regime aufhört", mahnt der TAGESSPIEGEL.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG ergänzt: "Es ist zu hoffen, dass der Westen diese Warnung anders versteht, als Putin es erhofft. Nicht als Abschreckung, sondern als Auftrag: Ein einzelner mutiger Mann im Gefängnis war dem Diktator ausgeliefert und hat ihn trotzdem bekämpft. Der Westen ist – noch – frei und mächtig. Er muss Putin in der Ukraine stoppen. Um der Menschen willen, um Nawalnys willen. Um unserer selbst willen."
"Was wird Nawalnys Tod für Russland im Inneren bedeuten?", fragt die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz: "Einen Heldenstatus wird er in der Heimat wohl nur in einem kleinen, ihm wohlgesinnten Kreis erlangen. Viel zu sehr hat Putin sein Volk entpolitisiert, als dass man davon ausgehen könnte, dass dieser Tod Massen bewegt. Es ist eine Geschichte von der großen Tragik der Menschheit: Es überlebt der, der die Macht hat. Auch wenn ihm, Putin, dem Kriegstreiber im Kreml, eigentlich der Prozess gemacht gehört, diesem Zerstörer von Tausenden Menschenleben in seinem Kampf gegen die Opposition und in seinem sinnlosen Krieg gegen die Ukraine. Wenn es diese Welt gut meint mit der Menschlichkeit, wird der Zeitpunkt dafür irgendwann kommen", hofft die ALLGEMEINE ZEITUNG.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist zu lesen: "Die Welt braucht Helden, sie schafft sie sich. Und Nawalny, der Menschenfänger, eignete sich für diese Rolle gut, er inszenierte sich in ihr. Sein Schicksal erhob ihn nun, nicht nur im dankbaren Blick des Westens, zu einer überlebensgroßen Figur. Aber der Mann war auch ein Spieler, ein Opportunist, ein Nationalist, ein Provokateur. Er war kein perfekter Demokrat im westlichen Sinne, auch wenn er versuchte, seine Landsleute zum 'taktischen Wählen' zu bringen und Alternativen zu Putins Pseudodemokratie zu präsentieren", analysiert die SZ.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen hebt hervor: "Zur Wahrheit gehört auch, dass Nawalny in seinen frühen Politikerjahren selbst mit nationalistischen und rassistischen Äußerungen auffiel. Sein Politikprogramm blieb unscharf – Russland ohne Putin, das war der Slogan. Was das heißen würde – nicht wirklich klar."
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle notiert: "Der Kremlchef hat eine tödliche Botschaft geschickt: Wer sich mir in meinem Einflussbereich in den Weg stellt, wird sterben. Diese Einflusszone weitet Putin gerade mit seinem Krieg gegen die Ukraine aus. Sollte er diesen Krieg gewinnen, wird er eine Sicherheitsgefahr für die Nachbarstaaten, für NATO-Partner, für Europa. Trumps Republikaner in den USA sollten sich nicht täuschen: Ein geschwächtes Europa, destabilisiert auch die USA. Sollte Trump die Präsidentschaftswahl gegen Joe Biden gewinnen, und danach - wie angekündigt - säumige NATO-Partner gegen einen etwaigen Angriff Russlands nicht verteidigen, gerät die Welt komplett aus den Fugen", fürchtet die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
"Es scheint, als würde die Welt sich in diesen Februar-Tagen ein wenig schneller drehen als sonst", findet auch die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf: "Parallel zur Eröffnungsveranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz wird der Tod des Kreml-Kritikers Nawalny in russischer Haft öffentlich. In den USA macht sich der ehemalige US-Präsident Trump auf, den Westen vor ungeahnte Herausforderungen zu stellen und das Sicherheitskonzept, das seit dem Zweiten Weltkrieg galt, aufzukündigen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine geht unvermindert hart weiter. Dennoch, der ukrainische Präsident Selenskyj, der heute in München erwartet wird, hat einen diplomatischen Erfolg in der Tasche. Selenskyj unterzeichnete mit Bundeskanzler Scholz ein bilaterales Sicherheitsabkommen. Die Verstimmungen zu Beginn des Kriegs, als Deutschland auch von ukrainischer Seite unterstellt wurde, das man zu zögerlich sei, wurden ausgeräumt. Deutschland setzt damit auch innerhalb der EU ein Zeichen", ist die RHEINISCHE POST überzeugt.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ist folgender Ansicht: "Die 'historische' Vereinbarung, die Scholz und Selenskyj in Berlin unterzeichneten, reicht bei Weitem nicht an den Pakt heran, dem Kiew lieber heute als morgen beiträte – dem NATO-Vertrag. Das Papier geht auch kaum über das hinaus, was ohnehin schon zwischen beiden Staaten geschieht und verabredet ist. Doch hat die Ukraine es nun auch schriftlich, dass Deutschland ihr mindestens für zehn Jahre im Abwehrkampf gegen Russland helfen will. In dem Papier wird genau aufgelistet, mit wie vielen Milliarden Deutschland zum zweitgrößten Unterstützer der Ukraine nach den USA geworden ist. Doch könnte Berlin Washington nicht ersetzen, wenn es den Republikanern weiter nur um den Sieg in der Präsidentenwahl geht, nicht aber darum, Putins Vormarsch in der Ukraine zu stoppen", bilanziert die FAZ.
"Es nur folgerichtig, wenn die G7-Staaten und weitere Länder Unterstützungsabkommen mit der Ukraine schließen", schreiben die NÜRNBERGER NACHRICHTEN: "Dass mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland die nach den USA mächtigsten NATO-Mitglieder den Anfang machen, gibt dem russischen Diktator hoffentlich zu denken. Zugleich ist es ein Zeichen, dass diese Wertegemeinschaft bei allem Dissens, aller Kritik in Einzelfragen bereit ist, eine gemeinsame Verteidigungsallianz zu schmieden und den einschlägigen Erkenntnissen auch Taten folgen zu lassen."