20. Februar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die erneute Kandidatur von der Leyens für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin sowie der Streit zwischen der Mehrheit der deutschen Bischöfe und dem Vatikan über das Reformprojekt 'Synodaler Weg'. Zunächst geht es aber um den EU-Militäreinsatz im Roten Meer, an dem auch die Bundeswehr teilnimmt.

Die Fregatte "Hessen" läuft aus dem Hafen aus.
Die Fregatte "Hessen" startet zu geplantem EU-Militäreinsatz: Sie soll Handelsschiffe vor Angriffen der Huthi schützen. (picture alliance / dpa / Sina Schuldt)
Die TAGESZEITUNGTAZ – schreibt, dass es viele politische und militärische Fragen gebe, zum Beispiel in der Begrenzung des Einsatzes. "Anders als die parallel laufende US-Militäroperation soll die EU-Mission nicht in Jemen selbst zuschlagen, sondern Angriffe auf hoher See und in der Luft abwehren. Das ist eine militärisch nicht unbedingt sinnvolle Einschränkung: Sie lässt die Angreifer als solche intakt beziehungsweise verlässt sich für die Drecksarbeit in Jemen doch wieder bequem auf die schlagkräftigeren US-Amerikaner und Briten", notiert die TAZ.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG moniert: "Dass sich Deutschland – wenn auch mit einem vergleichsweise bescheidenen Beitrag – als Nutznießer eines solchen Einsatzes keinen schlanken Fuß macht und die Partner nicht im Regen stehen lässt, gebietet schon die Selbstachtung. Mit dem Vorhaben begeben sich die Europäer freilich auf risikoreiches Terrain. Überwachen und Flankieren heißt im Zweifel auch, Recht und Interessen durchzusetzen, nötigenfalls militärisch. Wer international als Akteur ernst genommen werden will, muss im Ernstfall – mit aller gebotenen Vorsicht – auch Ernst machen", findet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG prognostiziert, dass der Einsatz an den Grundproblemen im Nahen Osten nichts ändern werde. "Ungelöst bleiben die Palästina-Frage, der Terror der Hamas oder das brutale israelische Vorgehen in Gaza. Hinzu kommt die iranisch-saudische Rivalität, die in vielen Ländern erst die Grundlage für das Erstarken von Terrorgruppen wie den Huthis geschaffen hat. In der Feindschaft zwischen Teheran und Riad liegt zudem die Gefahr, dass der Konflikt zu einem Flächenbrand eskaliert. Die vom Iran unterstützten Huthi könnten beginnen, gezielt US-Militärstützpunkte in Saudi-Arabien zu attackieren. Damit wäre das saudische Königreich direkt betroffen, und die Region stünde in Flammen", befürchtet die STUTTGARTER ZEITUNG.
Der CDU-Bundesvorstand hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für eine zweite Amtszeit an der Spitze der Brüsseler Behörde vorgeschlagen. "Eine zweite Amtszeit war beileibe nicht allen Präsidenten der Europäischen Kommission vergönnt", erinnert sich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Von der Leyens unmittelbarer Vorgänger Juncker verzichtete von sich aus. Die zweite Deutsche an der Spitze der wichtigsten EU-Institution hat sich auf das Rennen im Brüsseler Haifischbecken aber vorbereitet. Von einer 'intuitiven' Entscheidung wie bei ihrer ersten Wahl kann diesmal keine Rede sein. Von der Leyen hat ihr Amt genutzt, um politische Freundschaften unter den Staats- und Regierungschefs und im Europäischen Parlament zu pflegen. Sie achtet vor allem auf ihr Verhältnis zu Macron, dem sie ihre erste Amtszeit verdankt. Aber auch mit Meloni kann sie erkennbar gut, was ihr Optionen weit über die Mitte hinaus eröffnet. Trotzdem ist die Nominierung durch die CDU noch der leichtere Schritt. Die Partei hätte es sich nicht leisten können, die eigene Kommissionspräsidentin zu verschmähen, auch wenn sie in Habitus und Politik Merkel deutlich näher steht als Merz", hebt die F.A.Z. hervor.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG analysiert: "Von der Leyen ist in ihrer Karriere durch starken Gestaltungswillen aufgefallen. Sie ist oft mutig vorangeschritten und ging dabei manchmal bis an die Grenze zur Illoyalität. In ihrer Zeit als stellvertretende CDU-Chefin war sie außerhalb der Partei beliebter als bei vielen innerhalb – das haben ihre Wahlergebnisse auf den Parteitagen gezeigt. Aber diesmal weiß von der Leyen, dass sie die CDU braucht – für die Nominierung als Spitzenkandidatin und für einen erfolgreichen Wahlkampf. Und sie verhält sich entsprechend. Bis zur Europawahl im Juni wird das neue Duo von der Leyen-Merz deshalb funktionieren. Gut möglich, dass von der Leyen danach aber wieder eigene Wege geht – und es mit der ungewöhnlichen Eintracht vorbei ist", mutmaßt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus glaubt, dass von der Leyens Wiederwahl so gut wie sicher gelte. "Klar ist aber auch, dass die CDU-Politikerin nicht so weitermachen kann wie bisher. Denn es hat viel mit der Kommission von der Leyen zu tun, dass Wirtschaft und Bürger in ihrem Alltag mit immer mehr Vorschriften behelligt werden. Wenn Deutschland und Europa in den kommenden Jahren wirtschaftlich nicht weiter zurückfallen wollen, muss von der Leyens zweite Amtszeit unter dem Leitmotiv der Deregulierung stehen."
"Keine große Vision – und das ist gut so", titelt der TAGESSPIEGEL und führt aus: "Von der Leyens holpriger Start vor viereinhalb Jahren hat sie gelehrt, wie schnell Pläne zur Zukunft der EU Makulatur werden können. Kaum war sie im Amt, begann die Pandemie. Unterm Strich ist es auch ihr Verdienst, dass alle Europäer von Deutschland bis Bulgarien gleichermaßen mit Impfstoff versorgt werden konnten. Aber andere – die USA und die Brexit-Briten – waren bei der Impfstoffbeschaffung schneller als die schwerfälligen Europäer. Pannen bei der Beschaffung, die auch auf das Konto von der Leyens gehen, wurden nicht aufgearbeitet. Gemischt ist die Bilanz von der Leyens auch beim zweiten großen Thema: Putins Überfall auf die Ukraine. Es ist ihr hochanzurechnen, dass die EU-Staaten ein Sanktionspaket nach dem anderen gegen Russland schnürten. Und es war klug, der Ukraine schnell eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Andererseits hat sie den Anspruch, eine geopolitische Kommission führen zu wollen, nie wirklich eingelöst. Die EU ist ein wichtiger Geldgeber – aber kein außenpolitischer Machtfaktor", unterstreicht der TAGESSPIEGEL.
Nach der erneuten Kritik aus Rom hat sich der Streit zwischen der Mehrheit der deutschen Bischöfe und dem Vatikan weiter zugespitzt. Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg meint, dass das Reformprojekt 'Synodaler Weg' zu Ende sei. "Schon seit Jahren hatte Papst Franziskus die deutschen Bischöfe ermahnt, sich bei ihren Reformbestrebungen an das Kirchenrecht zu halten. Daher kann der neuerliche Brief nicht überraschen. Vielmehr sollten sich Oberhirten wie auch Laien auf die drängenden Fragen der Zeit konzentrieren: Krieg und Frieden, Gefahren für die Demokratie, die Spaltung der Gesellschaft, der Klimawandel, Angst um Arbeitsplätze. Zu allen diesen Fragen haben die Kirchen auf der Grundlage des Evangeliums viel zu sagen, sind aber auffallend ruhig", kritisiert die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE stellt fest: "Nicht nur aus römischer Perspektive werfen manche deutschen Reformbeschlüsse sogar die Frage nach einer Kirchenspaltung auf. Und zunehmend die nach der Zukunft des Bischofskonferenzvorsitzenden Bätzing. Er vertritt bewundernswert hartnäckig einen Reformweg, der jetzt in eine Sackgasse zu führen scheint. Werden ihm seine Mitbrüder den Rücken stärken? Wird irgendwann doch noch ein kräftiges Zeichen gegen sexualisierte Gewalt in den Reihen der Kirche stehen? Dass Maßnahmen gegen Machtmissbrauch in kirchenpolitischen Kämpfen unterzugehen drohen, ist jedenfalls traurig und einer Kirche unwürdig", bemängelt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm beobachtet: "Aus Sicht der Weltkirche kann man deutschen Akteuren ein zu weltliches Verfahren vorwerfen, orientiert an parlamentarischen Gepflogenheiten. Doch es sind die deutschen Bischöfe und die organisierten Laien, die vor Ort Rede und Antwort stehen müssen. Rom dagegen igelte sich jahrelang ein in Dialogverweigerung. Der neuerliche Konflikt wird bei nicht wenigen Gläubigen in einer innerlichen Trennung von Rom münden. Wie soll man loyal bleiben zu einer Kirchenspitze, die weite Teile der westlichen Welt nicht verstehen will?", fragt sich die SÜDWEST PRESSE. Und damit endet diese Presseschau.