04. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen in den Meinungsseiten der Zeitungen sind die Fahndung nach den verbliebenen RAF-Terroristen und die Abwürfe von amerikanischen Hilfslieferungen über dem Gaza-Streifen. Vor allem aber beschäftigt die Kommentatoren die Abhör-Affäre bei der Deutschen Luftwaffe.

Ein Taurus-Marschflugkörper im Flug
Der Taurus-Marschflugkörper im Flug (Uncredited / south korea defense ministry)
Das Bielefelder WESTFALEN-BLATT schreibt dazu: "Russland gibt Deutschland der Lächerlichkeit preis – und Bundeswehr wie Bundesregierung geraten in höchste Erklärungsnot. Erneut wird deutlich, wie wenig Deutschland auf die vielfältigen Attacken Russlands vorbereitet ist. Und damit ist über den Streit in der Sache noch gar nichts gesagt: Stellt sich heraus, dass SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz sein Nein zur Taurus-Lieferung wissentlich falsch begründet hat, geht es nicht nur um ein paar Offizierskarrieren. Auch die Glaubwürdigkeit des Kanzlers steht dann auf dem Spiel. Und wieder jubelt nur der Kriegsverbrecher Wladimir Putin. Nicht zum ersten Mal treibt er einen Keil in die westliche Allianz. Deutschland aber steht in aller Welt blamiert da", urteilt das WESTFALEN-BLATT aus Bielefeld.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hingegen mahnt zur Besonnenheit: "Nein, niemand sollte jetzt über Putins Stöckchen springen und den Kanzler vorschnell bezichtigen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sicher, nach der Veröffentlichung einer von den Russen abgehörten und offensichtlich authentischen Unterhaltung mehrerer hochrangiger Bundeswehr-Militärs sieht es so aus, als habe Olaf Scholz die Faktenlage nicht ganz korrekt beschrieben, als er vergangene Woche behauptete, er wolle den Marschflugkörper Taurus deshalb nicht in die Ukraine schicken, weil Soldaten der Bundeswehr zu dessen Bedienung unabdingbar seien. Doch hinter Scholz’ Worten können auch ganz andere Erwägungen stecken, etwa die, dass der Kanzler der Zusage der Ukrainer – warum auch immer – schlicht nicht traut, sie würden das gefährliche Gerät nicht auf Ziele in Russland selbst abfeuern", findet die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen notiert: "Bestens gelaunt dürfte man im Kreml sein. Denn Russland ist es gelungen, Deutschland bloßzustellen. Die russische Propaganda schlachtet das Thema aus. Zudem ist der deutsche Sicherheitsapparat blamiert. Es wurde spekuliert, dass ein russischer Geheimdienstler sich womöglich einfach in das Gespräch eingeklinkt haben könnte, weil er an die Zugangsdaten gelangt sei. Wenn das stimmt, werden Verbündete wie die USA oder Großbritannien wichtige Geheimdienstinformationen noch seltener mit Deutschland teilen. Denn der deutsche Sicherheitsapparat scheint mehr offene Türen zu haben als ein Adventskalender an Heiligabend", so das Fazit der RHEINPFALZ aus Ludwigshafen.
Für den KÖLNER STADT-ANZEIGER ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung bemerkenswert: "Der Vorfall ist blamabel – vor allem für die Bundeswehr, aber auch für die Bundesregierung. Zugleich ist er ein Lehrstück für die Funktionsweise russischer Propaganda. Offenkundig hielt die russische Staatsführung es für dringend nötig, den Lauschangriff jetzt kundzutun. Zwei Wochen vor der Pro-forma-Präsidentschaftswahl läuft nicht alles nach Wunsch. Da ist aus Kreml-Sicht Ablenkung nötig. Die deutschen Offiziere haben einen Anlass geliefert. Die Hintergründe müssen aufgeklärt, Fahrlässigkeiten dieser Art abgestellt werden. Und Olaf Scholz muss mal wieder einiges erklären", stellt der KÖLNER STADT-ANZEIGER fest.
Auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder sieht vor allem den Kanzler unter Druck: "Auch wenn das von Russland abgehörte Gespräch keine grundlegend neuen Informationen enthält, ist der Abhörskandal doch für zwei Akteure in besonderer Weise peinlich: für die Regierung als solche und für den Bundeskanzler. Da sich solche Vorfälle in den vergangenen Monaten häufen, fragen sich ausländische Geheimdienste zunehmend, wie sicher es ist, mit Deutschland brisante Informationen zu teilen. Für Olaf Scholz ist der Gesprächsmitschnitt ein Problem, weil er sein Nein für die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine unter anderem damit begründet, dass deutsche Soldaten an dessen Einsatz im Kriegsgebiet beteiligt sein müssten", unterstreicht die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befasst sich mit den geplanten US-Hilfslieferungen für den Gaza-Streifen: "Politisch ist die amerikanische Luftbrücke eine Ohrfeige für die israelische Führung, vor allem für Ministerpräsident Netanjahu. Biden ist immer noch der wichtigste Verbündete Israels, auch wenn der Kongress ihn derzeit daran hindert, mehr für das Land zu tun. Dass der Präsident sich nun zu Hilfsflügen entschlossen hat, zeigt, dass er nach den Todesfällen bei einer Hilfslieferung am Donnerstag nur noch wenig Vertrauen hat, dass Israel seiner Verantwortung nachkommt", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU vermerkt: "Offensichtlich hat der Vorstoß Washingtons die israelische Armee noch dazu bewogen, Hilfslieferungen zu erleichtern, indem sie stundenweise weniger gegen die Hamas vorgeht. Gemessen an der humanitären Katastrophe ist all das aber kein Befreiungsschlag. Vielmehr verdeutlichen die Trippelschritte, wie wenig zwischen Israelis und Hamas möglich ist. Das zeigt auch die baldige Feuerpause, die Biden bereits mehrfach angekündigt hat. Ganz offensichtlich benötigt Biden eine Waffenruhe für seinen Wahlkampf mehr als die Kriegsparteien. Die kleinen Fortschritte sind Vorboten darauf, wie schwer es werden wird, die Zeit nach dem Waffengang friedlich zu gestalten", so die Einschätzung der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die ZEITUNG ND. DER TAG, die in Berlin erscheint, kritisiert: "Vom Himmel über Gaza fallen nicht mehr nur amerikanische Bomben, sondern seit neuestem auch amerikanisches Brot. Wie passt es zusammen, das palästinensische Leid mit Brot zu lindern und weiter die Bomben zu liefern, die es verursachen? Die Antwort ist einfach: Die US-Wahlen stehen an, und immer mehr Demokraten kritisieren Bidens Israel-Kurs. Auch bei der arabischstämmigen Wählerschaft ist der Präsident unten durch. Von Israels Seite zu weichen, würde für einen US-Präsidenten aber politischen Selbstmord bedeuten. Stattdessen muss also etwas her, das sich als Hilfe verkaufen lässt und zugleich die Regierung in Tel Aviv nicht verärgert. Die Luftbrücke ist also kaum mehr als ein Publicity Stunt", befindet die Zeitung ND. DER TAG.
Abschließend noch zwei Stimmen zur wieder angelaufenen Fahndung nach zwei RAF-Terroristen. Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus sieht es so: "Abgesehen von den Fahndungserfolgen der Polizei verblüfft die Aufmerksamkeit, die das Thema RAF im Augenblick erfährt. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ein großer Teil der Bevölkerung im Westen sich an Terror und die allgegenwärtigen Fahndungsplakate erinnern kann. Der RAF-Terror verbindet zudem Osten und Westen auf eine besondere Weise. Schließlich fanden einige RAF-Terroristen in der DDR Unterschlupf. Ferner könnten sich neue Hinweise auf die Auswahl der Opfer nach der Wiedervereinigung ergeben, etwa im Fall von Treuhand-Präsident Detlev Rohwedder. Mit den Fahndungserfolgen der Polizei könnte eben auch diese gesamtdeutsche Geschichte in neue Perspektive gebracht und historisch lose Enden könnten miteinander verbunden werden", erwartet die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN fordern eine Erinnerungskultur für die RAF-Opfer, denn: "Michael Buback, der Sohn des von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, beklagt: „Die Erinnerung an die RAF spielt keine besondere Rolle im kollektiven Gedächtnis.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann regt ein Mahnmal für die RAF-Opfer an - das ist ebenso sinnvoll wie das nun geplante Erinnern an den neonazistischen NSU und seine Morde. Wie es aussieht, muss dies in beiden Fällen ohne jede Mitwirkung der Täterinnen und Täter geschehen. Notwendig bleibt Erinnerung und Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel der Geschichte."