06. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird unter anderem das Recht auf Abtreibung, das in der französischen Verfassung verankert wird. Außerdem geht es um die Folgen der Abhöraffäre in der Bundeswehr und um das Rentenpaket, das Bundesfinanzminister Lindner und Arbeitsminister Heil vorgestellt haben.

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht neben Christian Lindner (l, FDP), Bundesminister der Finanzen, bei einem Pressestatement zum geplanten Rentenpaket II.
Die Koalition stellt das neue Rentenpaket vor. (Michael Kappeler/dpa)
DER SPIEGEL schreibt dazu: "Das Rentenniveau wird bis zum Jahr 2039 auf mindestens 48 Prozent des Durchschnittseinkommens festgeschrieben, also auf dem aktuellen Stand. Gleichzeitig wird das sogenannte Generationenkapital eingeführt, ein Staatsfonds, den der Bund mit Krediten befüllt und dessen Erträge ab Mitte der Dreißigerjahre an die Rentenversicherung fließen sollen. Doch Rentenpolitik besteht nicht daraus, eine Zahl in ein Gesetz zu schreiben. Das ist wie in der Klimapolitik: Nichts ist einfacher, als ambitionierte Ziele zu beschließen. Wirklich schwierig ist es, sie umzusetzen. Da erst beginnt die Politik", unterstreicht DER SPIEGEL.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz nennt die deutsche Rentenpolitik "bequem und provinziell": "Dass die Schweiz seit Jahren verpflichtende Betriebsrenten für alle hat, Schweden eine gut funktionierende Eigenvorsorge kennt und Österreich die Beamten ins allgemeine Rentensystem überführt hat, interessiert in Berlin nicht die Spur. Die hierzulande letzte wirklich gelungene Weichenstellung war die 'Rente mit 67', die Franz Münterfering 2006 durchsetzte – so unpopulär sie auch war. Danach gab es mit der Mütterrente und der abschlagsfreien Rente nach 45 Jahren Wahlgeschenke für einzelne Gruppen – aber nie ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept, das die Kosten der Alterung fair auf Jung und Alt verteilt und endlich die betriebliche Vorsorge und die Eigenvorsorge voranbringt. Diesem Anspruch wird auch die Ampel nicht gerecht", kritisiert die FREIE PRESSE.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE führt an: "Mit ihrem Rentenpaket verwalten Hubertus Heil und Christian Lindner lediglich den Mangel, um die strukturellen Probleme des Systems machen beide einen großen Bogen. Obwohl Deutschland weiter altert, will die Koalition das Rentenalter von 67 Jahren nicht heraufsetzen. Obwohl Fachkräfte immer knapper werden, dürfen langjährig Beschäftigte weiter nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge in den Ruhestand gehen. Und obwohl die Beamtenpensionen Bund, Länder und Gemeinden langsam, aber sicher auffressen, ist die Zahl der im Alter deutlich privilegierten Beamten gerade auf den höchsten Stand seit 30 Jahren gestiegen", gibt die AUGSBURGER ALLGEMEINE zu bedenken.
"Die Jungen sind die Verlierer dieser Reform", stellen die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN fest: "Auf sie wartet gleich eine dreifache Last. Sie werden länger arbeiten und höhere Beiträge zahlen müssen – und bekommen im Gegenzug später einmal eine niedrigere Rente. Mit einer echten Rentenreform, die diesen Namen wirklich verdient, hat das alles nichts zu tun. Vielmehr werden die Probleme nur in die Zukunft verschoben. Wie schon so oft. Gehandelt wird erst, wenn es schon zu spät ist", heißt es in den BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe.
Die TAGESZEITUNG kritisiert die sogenannte Aktienrente. Der Plan habe mehrere Schwächen: "Erstens: Wenn der Staat in die Aktienmärkte drängt, werden die Papiere automatisch teurer. Davon profitieren die Reichen, die diese Aktien besitzen. Es ist also ein Subventionsprogramm für Wohlhabende, was erklärt, warum sich die FDP so vehement für diesen Plan eingesetzt hat. Zweitens: Die Rentner hingegen profitieren fast gar nicht von diesem Aktienfonds. Denn das Geld soll ja in die Aktien fließen, nicht in die Renten. An die Alten würden nur die Gewinne des Fonds ausgeschüttet, was ein mickriger Prozentsatz der Gesamtsumme wäre. Zudem wäre, drittens, gar nicht sicher, dass es überhaupt Renditen gibt", überlegt die TAZ.
Ganz anders sieht es die BERLINER MORGENPOST: "Endlich geht auch Deutschland diesen Weg, wenn auch zunächst nur im bescheidenen Rahmen. Und nein, es geht nicht darum, Geld in ein großes Kasino namens Börse zu tragen und dort damit risikoreich zu zocken. Es geht um langfristige Renditen. Verzichtete der Staat auf diese Möglichkeit, hieße das, zukünftigen Generationen in Sachen Rente noch viel mehr zuzumuten. Nun wird immerhin ein Anfang gemacht", bemerkt die BERLINER MORGENPOST.
Nun zu den Auswirkungen der Abhöraffäre in der Bundeswehr. Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG kommentiert: "Mit Pistorius' Statement ist der Fall um das Taurus-Informationsleck vorläufig ausgestanden. Zwei Schäden bleiben aber. Der erste Schaden besteht darin, dass Russland den Mitschnitt propagandistisch nutzen kann. Wie massiv die Folgen sein werden wird, hängt vom Umgang des Westens damit ab, also von uns allen. Der zweite Schaden dürfte jedoch nachhaltiger sein. Sowohl Kanzler Scholz als auch die Offiziere haben zu erkennen gegeben, dass die Briten (und laut Scholz überdies die Franzosen) den Einsatz ihrer Marschflugkörper durch Soldaten in der Ukraine steuern. Das ist ein militärisches Geheimnis. Es preisgegeben zu haben, macht Vertrauen im Bündnis kaputt", konstatiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle.
"Geboten sind jetzt neue Behutsamkeit und ein intelligentes Zusammenrücken", mahnt das STRAUBINGER TAGBLATT: "Parteitaktische Spielzüge helfen an dieser Stelle nicht weiter. Mit dem Versuch, die Panne politisch auszuschlachten und die Regierung zu diskreditieren, haben CDU und CSU den Russen sogar in die Hände gespielt. Personelle Konsequenzen würden übers Ziel hinausschießen. Die Trophäe eines gefeuerten Sterne-Generals als Ergebnis seines Lauschangriffs soll Wladimir Putin nicht davontragen", notiert das STRAUBINGER TAGBLATT.
Auch DIE GLOCKE aus Oelde führt an: "Auf Grundlage der bis jetzt bekannten Gesprächsinhalte wären Entlassungen übertrieben und würden nur – da hat Pistorius recht – dem russischen Diktator Wladimir Putin in die Hände spielen. Das gilt umso mehr, da mit Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz ein äußerst fähiger General im Zentrum der Affäre steht, auf den die Bundeswehr schwerlich verzichten kann."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG betont: "Selbst wenn alle Systeme sicher sind und das Vertrauen in Deutschland ungebrochen sein sollte, wie Verteidigungsminister Pistorius meint, bleibt die Erkenntnis: Es gibt auch Defizite mentaler Art. Die Ausschließeritis mit Blick auf Maßnahmen gegen Russland, das ständige Hinterherlaufen, das fehlende Verständnis der Idee der Abschreckung, sind der Zentralmacht Europas unwürdig. Und wer Putins Einfluss auf die deutsche Politik beklagt, muss doch erkennen, dass er diese Debatten auch selbst in der Hand hat. Wer Angst zeigt, kann nicht abschrecken - übrigens auch dann nicht, wenn er tüchtig mächtig ist. Deutschland zeigt sich weder tauglich noch souverän. Ein Witz, wenn es in diesem Zustand auch noch führen will", urteilt die F.A.Z.
Abschließend noch zwei Kommentare zum Recht auf Abtreibung, das in Frankreich in die Verfassung aufgenommen wird. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt dazu: "Nun könnte man denken: Klar, dass ausgerechnet Frankreich hier vorangeht. Dort waren die Regeln im europäischen Vergleich schon zuvor sehr liberal. Demnach ist die Erhebung in den Verfassungsrang nur konsequent. Aber das Gegenteil ist richtig, und die Schlussfolgerung sollte eine andere sein. Dass es selbst die Franzosen für nötig erachten, die in der Gesellschaft derzeit breit akzeptierte Möglichkeit zur Abtreibung per Verfassung zu schützen, zeigt: Die Sorge der Französinnen und Franzosen ist groß, dass sich der politische Wind auch in diesem Land wieder einmal drehen könnte", stellt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest.
"Die französische Grundgesetzänderung kommt nicht aus heiterem Himmel", kommentiert die WELT. "Sie ist eine Reaktion auf die Entscheidung des amerikanischen Supreme Court, die das bundesweite Recht amerikanischer Frauen auf Abtreibung vor anderthalb Jahren gekippt hatte. Sie ist symbolisch gemeint und als eine Mahnung an Ungarn, Polen, Malta und alle westlichen Länder, in denen das in den 70er-Jahren mühsam erkämpfte Recht später infrage gestellt oder ganz zurückgenommen wurde. Angesprochen fühlen sollte sich auch Deutschland, wo es bis heute kein Recht auf Abtreibung gibt", erinnert die WELT.