Donnerstag, 09. Mai 2024

09. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Rede Joe Bidens zur Lage der Nation beschäftigt die Redaktionen, ebenso wie die geplante Hilfe für Zivilisten im Gazastreifen auf dem Seeweg und die rückblickenden Erkenntnisse aus der Zeit der Corona-Pandemie.

09.03.2024
Präsident Joe Biden hält die Rede zur Lage der Nation vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses im Kapitol, Donnerstag, 7. März 2024, in Washington.
Präsident Joe Biden bei der Rede zur Lage der Nation am 7. März 2024 (picture alliance / AP/ Pool / Shawn Thew)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG lobt US-Präsident Biden für seinen Auftritt zum "State of the Union": "Man sah und hörte einen alten Kämpfer. Da war ein Präsident, der die USA gegen Angriffe von innen und außen schützen will. Sein Bild vom Kampf um die Seele Amerikas ist nicht neu, aber genau darum geht es, so pathetisch das klingen mag: um die Frage, ob die USA ein demokratischer Rechtsstaat und ein verlässlicher Verbündeter bleiben. Dieser entschlossene Biden war nie weg, er hatte die drohende Gefahr immer wieder benannt. Nur zu sanft und zu selten. Zuletzt sah es manchmal so aus, als sei Trump kaum mehr zu verhindern mit seiner Wucht, frei von jeglichen Skrupeln. Doch Trump ist zu verhindern. Joe Biden hat jetzt acht Monate lang die Gelegenheit, sein Amerika zu pflegen und vor Trumps Amerika zu warnen, er muss seinen Kontrahenten nicht mal beim Namen nennen", kommentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Auch die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle zeigt sich zufrieden: "Bidens Demokraten hofften, dass der Präsident die Sache unfallfrei hinter sich bringt. Die Republikaner wiederum freuten sich schon über mögliche neue Stolpereien Bidens. Biden aber leistete sich keine nennenswerte Panne. Er reagierte pointiert auf Zwischenrufe. Und statt defensiv zu bleiben, ging er mit ungeahnter Wucht zum Angriff über – und hielt die beste Rede seines Lebens. Dieser Präsident hat noch einiges vor", betont die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Die Ulmer SÜDWEST PRESSE nimmt in ihrem Meinungsbeitrag Bezug auf die Debatte über die körperliche Verfasstheit von Trump und Biden. "Angesichts des Rückstands gegenüber seinem republikanischen Rivalen Donald Trump musste Biden Zweifel an seiner geistigen und physischen Eignung für das höchste Amt im Lande ausräumen. Das dürfte ihm an dem bisher wichtigsten Abend des US-Wahlkampfs gelungen sein. Der Präsident blies nicht nur zum Angriff gegen Trump, auch deckte er alle relevanten Themen ab. Biden hat einen Etappensieg verbucht, der den Präsidenten und die Demokraten zuversichtlich stimmen sollte", lautet das Fazit der SÜDWEST PRESSE.
Mit der Frage, "was gegen den Kandidaten Biden spricht", hat sich das STRAUBINGER TAGBLATT auseinandergesetzt: "Im Gegensatz zu einem Lautsprecher wie Trump ist er ein schlechter Redner. Seine peinlichen Versprecher und Gedächtnislücken sorgen regelmäßig für Hohn und Spott bei seinen Gegnern. Immerhin: Bei der traditionellen Rede zur Lage der Nation vor beiden Parlamentskammern hat sich der Demokrat streitlustig, temperamentvoll und munter gezeigt. Das dürfte allerdings nur eine Momentaufnahme sein. Denn freies Sprechen meidet der US-Präsident, wann immer es möglich ist. Doch wenn er wiedergewählt werden will, muss er vor Ort Wahlkampf machen. Ob Biden diese strapaziösen Auftritte in der Öffentlichkeit – die ihm vor vier Jahren aufgrund der Corona-Pandemie erspart blieben – meistern kann, ist fraglich", heißt es im STRAUBINGER TAGBLATT.
Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen soll bald auf dem Seeweg geliefert werden. Diese Pläne, an denen sich auch Deutschland beteiligen will, bewertet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Es wäre die Aufgabe Israels, das dort berechtigterweise gegen die Terrororganisation Hamas kämpft, die Not so gut wie menschenmöglich zu lindern. Aber nicht einmal die Regierung Netanjahu behauptet, dass die Menge der gelieferten Güter ausreichend sei. Da internationaler Druck auf Netanjahu nicht dazu geführt hat, dass mehr Hilfsgüter ins Land kommen, ist jetzt auf der Weltbühne hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Das führt allerdings zu einem grundsätzlichen Problem. Wenn die Helfernationen die Hilfe nicht selbst verteilen können oder wollen, wer soll es dann tun? Die Israelis sind zu sehr mit ihrer Militäraktion beschäftigt. Außerdem hat der Zwischenfall vor einigen Tagen gezeigt, dass das Misstrauen zwischen Israelis und Palästinensern so abgrundtief ist, dass es sogar bei der Verteilung von Hilfe zu vielen Toten kommen kann. Dann bleibt nur, die Hilfe guten Glaubens an Organisationen in Gaza zu übergeben, die dort ohnehin tätig sind. Wie unabhängig diese von der Hamas agieren, ist kaum zu kontrollieren", warnt die F.A.Z.
"Der Seekorridor nach Gaza ist überfällig", stellt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER fest: "Zu lange hat der Westen die humanitäre Lage in dem Küstenstreifen ignoriert. In Deutschland wurde der Hinweis auf das Leid der Palästinenser von vielen mit Antisemitismus gleichgesetzt. Das ist falsch. Wer auf die Not der Menschen aufmerksam macht, ist deshalb kein Judenhasser. Der Zivilbevölkerung zu helfen ist ein Gebot der Humanität. Menschlich sein, bedeutet nicht die politischen Fakten zu ignorieren. Die sind klar: Israel wurde von der Hamas überfallen. Die Terroristen haben grausame Verbrechen an der israelischen Zivilbevölkerung begangen. Die Hamas ist der Aggressor. Dennoch muss man den Zivilisten in Gaza helfen. Humanität kennt keine Grenzen, Religionen oder Rassen", argumentiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Mehrere ehemalige Bundespolitiker haben rückblickend auf die Zeit der Corona-Pandemie eingeräumt, auch falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) greift das auf und schreibt: "Ausgangssperren, Maskenpflicht, Schulschließungen, Reiseverbote - für viele Deutsche ist das alles schon wieder weit weg. Und so verblasst die Erinnerung daran, wie massiv doch die Eingriffe in die Rechte der Bürger in der Pandemie waren. Und unter welchen Umständen solch heftige Entscheidungen getroffen wurden. Vergessen aber darf man das nicht. Und die Politik muss endlich anfangen, das Zustandekommen der Corona-Entscheidungen, mit denen es vor vier Jahren losging, aufzuarbeiten", fordert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die PASSAUER NEUE PRESSE kritisiert, die Politik habe bisher wenig Interesse gezeigt, in den Rückspiegel zu schauen: "Weil neue Krisen vor der Tür standen. Und weil sie weiß, dass manche Maßnahme von damals heute in einem anderen Licht erscheint. Das ist kein Vorwurf. Dass die Entscheider stets versucht haben, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, darf man ihnen attestieren. Teil dieser Verantwortung ist aber auch, Lehren aus einer Zeit zu ziehen, in der sich viel um den Schutz 'vulnerabler Gruppen' drehte – oft aber ausgerechnet Kinder und Alte Leidtragende waren, während manche Firma von Corona-Hilfen gar profitierte", so die PASSAUER NEUE PRESSE.
Aus Sicht der NÜRNBERGER NACHRICHTEN war das meiste während der Pandemiephase ambivalent: "Es war nicht klar, ob Entscheidungen richtig oder falsch waren. Offensichtlicher Unsinn - Polizeieinsatz beim Sitzen auf einer Parkbank etwa - wurde von uns Medien als solcher erkannt, andere Fehler wurden bereits während der Pandemie angesprochen. Der menschenunwürdige Umgang mit Alten, Kranken und Kindern vor allem, der tiefe, langwierige Narben hinterließ. Wenn es künftig gelingt, mit kühler Analyse Lehren aus der Pandemie zu ziehen, entsteht daraus im Idealfall eine Art Drehbuch, wie man es besser machen kann - in der nächsten Pandemie. Und die, das sagen alle Experten, kommt. Offen ist nur, wann", heben die NÜRNBERGER NACHRICHTEN hervor.
Und die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg fragt: "Hätte der Bundestag die Pandemie, genauer: die vielen verschiedenen Facetten ihrer Bekämpfung, aufarbeiten müssen? Ja, das hätte er – und sei es nur, weil bis heute reichlich denkfaule, oberflächliche oder gar verschwörungstheoretisch geneigte Leute unterwegs sind, die das Nicht-Handeln des Parlaments als 'Beweis' dafür sehen, dass Berlin viele Dinge absichtsvoll unter den Teppich kehre. Neben dieser negativen Attitüde gibt es aber eine objektive Einsicht, die eine Enquetekommission begründet hätte. Corona war eine gesellschaftliche Belastungsprobe – und zwar eine so schwere, dass viele nur ungern - oder gar nicht - daran zurückdenken. Wenn aber das einzige vom Volk direkt gewählte Verfassungsorgan nicht aufarbeitet, was damals schieflief und was nicht: Wer dann?" Mit diesem Kommentar der BADISCHEN ZEITUNG endet die Presseschau.